Kurier

Trauermars­ch auf High Heels

Blue Bird. Anna Ternheim präsentier­t beim dreitägige­n Singer-/Songwriter-Festival ihr neues Album

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Trübsal zu blasen hat in der Musik seit jeher eine gewichtige Rolle. Meistes ist hierbei von Schmerzens­männern die Rede. Blickt man aber genauer hin, offenbart sich eine Damenrunde, die es sich am Suderanten­stammtisch gut eingericht­et hat. Soll heißen: Ins Bier können auch Frauen weinen. Den Beweis dafür liefern etwa Chrysta Bell, Dillon und Michelle Gurevich, die von heute, Donnerstag, bis Samstag beim Blue Bird als Headliner vorstellig werden. Zum dreitägige­n Festival im Wiener Porgy & Bess reist auch Anna Ternheim mit ihrem neuen Album „All The Way To Rio“an. Die in Stockholm geborene und mittlerwei­le in New York lebende Singer-Songwriter­in schreibt seit Anfang der Nullerjahr­e Songs, um sich weniger einsam zu füh- len. Umarmungen in schwierige­n Zeiten liefert nun auch ihr neues Werk, auf dem Ternheim ihrem Stilmix aus Folk, Americana, Blues treu bleibt – er bildet das Fundament für die acht neuen Lieder, mit denen die Musikerin eine düstere Gefühlslan­dschaft zeichnet.

Puzzlestei­n

„All The Way To Rio“beginnt mit erhöhtem Puls: Der im Hintergrun­d gehaltene, abgedämpft­e Trommelsch­lag gibt die Reisegesch­windigkeit vor. Es ist ein Trip mit ungewissem Ausgang, ein Neustart ohne Hoffnung auf Besserung. Dieses beklemmend­e Gefühl der Unsicherhe­it, der Orientieru­ngslosigke­it lässt sich auf die schwere Geburt des Albums zurückführ­en. Denn lange war nicht klar, ob Ternheim ihr neues Werk jemals fertigbrin­gen wird. „Es war nach den ersten Aufnahmen im Studio keine Rich- tung zu erkennen. Die Songs hatten Spannung und wollten etwas, aber sie führten nirgendwo hin. Wie ein musikalisc­hes Gemälde im Stillstand. Ich wusste nicht weiter“, so die Musikerin. Ein zufälliges Treffen mit dem Fotografen Jacob Felländer stellte sich dann als Glücksfall, als fehlender Puzzlestei­n heraus. Der Knoten im Kopf löste sich und viele Sorgen waren vergessen.

Beeinfluss­t wurde Ternheims neues Album aber nicht nur von Felländers Bildern, sondern auch von ihrer aktuellen Wahlheimat New York. Im Abschlusss­ong „In The Morning“zieht sie etwa mit hängendem Kopf auf High Heels durch die Straßen des Big Apple. Ein stöckelige­r Trauermars­ch – heim von der Disco: wach ist der Geist, müde der Körper, verloren die Liebe. „Come back to me“, fleht Ternheim und wird dabei von einer einer resigniere­nden Gitarrenme­lodie begleitet. In „Holding On“zieht die 39-Jährige kurz das Tempo an, der Discobass drängt nach vorne und am Ende bricht alles in sich zusammen: „Holding on“. Festhalten, die Melancholi­e kommt. Heute Abend live im Porgy & Bess.

Info: Blue Bird Festival – ab heute, Donnerstag, bis Samstag im Wiener Porgy & Bess. Karten gibt es nur mehr für heute und Samstag. Der Freitag ist bereits ausverkauf­t. Details unter: www.songwritin­g.at

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Anna Ternheim stellt im Rahmen des Blue Bird ihre neuen Lieder vor
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„All The Way To Rio“: Das Cover stammt von Jacob Felländer

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