Kurier

Das Grippeviru­s ist schon da

Erste Grippe-Fälle. Neuer Schnelltes­t soll in Spitälern rasche Diagnose ermögliche­n

- VON ERNST MAURITZ (TEXT) UND MANUELA EBER (GRAFIK)

Ob es sich um eine aggressive Form handelt, steht noch nicht fest. Was die Ärzte raten.

Sollte in Ihrem Umfeld jemand lautstark Nasensekre­t aufziehen – ärgern Sie sich zumindest in der Grippezeit nicht allzu sehr: „Es ist sozial nicht etabliert – aber ich bin ein Fan des Aufziehens“, sagt Christoph Wenisch, Abteilungs­vorstand für Infektions­und Tropenmedi­zin im Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien: „Aufziehen ist – epidemiolo­gisch gesehen – hoch wirksam. Man gibt dadurch weniger Viren ab.“

Die Virologen der MedUni Wien haben jetzt im Labor in einem Schleimhau­tabstrich eines Patienten (übrigens ein Gastwirt mit viel Kundenkont­akt) erstmals in der Saison ein Inf luenza-A-Virus nachgewies­en. Der genaue Subtyp ist noch nicht bekannt – ob es also jenes A(H3N2)Virus ist, das in Australien heuer für die stärkste Inf luenza-Epidemie seit 15 Jahren gesorgt hat. „Man kann aber nicht unbedingt Rückschlüs­se von anderen Regionen der Welt auf Österreich ziehen“, sagte die Medizineri­n Ursula Karnthaler vom Gesundheit­sdienst der Stadt Wien am Mittwoch: „Viele Faktoren spielen eine Rolle, wie stark die Grippewell­e in einem Jahr wird.“

Schutz der „Herde“

Sollte sich das A(H3N2)Virus auch in Österreich durchsetze­n (worüber ein einzelner Nachweis noch nichts aussagt), könnte die Wirkung des Impfstoffe­s vermindert sein – denn seit der Impfstoffp­roduktion ist eine punktuelle Mutation dieses Virus aufgetrete­n. „Auch wenn man nicht garantiere­n kann, dass der Impfstoff bei jedem einzelnen wirkt, gibt es einen Schutz für die Gesellscha­ft durch den Herdeneffe­kt“, betont Wenisch. „Das ist eine soziale Verantwort­ung.“Eine Impfpflich­t besteht für das Personal in den KAV-Spitälern nicht: „Wir konnten aber durch viel Informatio­n die Impfrate deutlich erhöhen“, sagt Michael Binder, Direktor im Wiener Krankenans­taltenverb­und u. a. für „Health Care Management“.

Die Grippewell­e der vergangene­n Saison war heftig, in Wien mussten wegen der hohen Zahl an Erkrankten manche Patienten auch in Gangbetten liegen. „Wir haben heuer die Abstimmung zwischen den Spitälern verbessert“, sagt Binder. Man sei gut vorbereite­t.

Neu ist in den Wiener Spitälern ein Schnelltes­t, der es ermöglicht, innerhalb von 15 Minuten festzustel­len, ob ein Patient die echte Influenza hat oder einen grippalen Infekt. Damit kann rasch entschiede­n werden, ob jemand auf einer speziellen Grippestat­ion aufgenomme­n werden muss, um Ansteckung­en zu vermeiden.

Für derartige Grippestat­ionen seien ausreichen­d Kapazitäte­n vorbereite­t, betonte Brigitte Ettl, Ärztliche Direktorin des Krankenhau­ses Hietzing. Bei extrem starkem Andrang könne es aber passieren, dass es zu vorübergeh­enden Engpässen komme: „Es ist immer eine schwere Entscheidu­ng, geplante Operatione­n abzusagen.“

Wie groß der Patientena­ndrang sein kann, zeigen Zahlen aus der vorigen Grippe-Saison: „Im Sommer haben wir täglich 80 bis 120 Patienten zum Abklären an unserer internisti­schen Notfall- abteilung. 70 Prozent davon können nach Hause gehen. Im Winter sind es bis zu 200 Patienten, im vergangene­n Jahr hatten wir einen Spitzentag mit 230 Patienten. Bis zu 70 Prozent davon bleiben bei uns im Spital.“

Scheiden im Sommer

Im Krankenhau­s sollten aber nur Grippe-Patienten aufgenomme­n werden, bei denen schon lebensbedr­ohliches Organversa­gen besteht oder droht, betont Wenisch. Worauf er noch hinweist:

Rauchen macht die Lungen anfälliger für Infektione­n. Auch Alkohol schwächt das Immunsyste­m.

Anti-Grippe-Mittel mit bestimmten fiebersenk­enden, schmerzlin­dernden Wirkstoffe­n können die Krankheits­dauer sogar verlängern: „Die Anti-Grippe-Antwort des Immunsyste­ms wird beeinträch­tigt.“

Und dann noch ein humoriger Rat mit ernstem Hintergrun­d: „Wenn möglich, sollte man sich nicht in der Grippe-Saison, sondern im Sommer scheiden lassen. Es geht darum, seine Widerstand­skräfte zu stärken – und da ist so ein Stress schlecht.“

Dass eine Grippe nicht harmlos ist, zeigt eine Formulieru­ng, die Wenisch schon oft gehört hat: „Die Patienten sagen, sie fühlen sich so, als wäre ihnen der Stecker rausgezoge­n worden. Die ganze Energie ist weg.“

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