Das Grippevirus ist schon da
Erste Grippe-Fälle. Neuer Schnelltest soll in Spitälern rasche Diagnose ermöglichen
Ob es sich um eine aggressive Form handelt, steht noch nicht fest. Was die Ärzte raten.
Sollte in Ihrem Umfeld jemand lautstark Nasensekret aufziehen – ärgern Sie sich zumindest in der Grippezeit nicht allzu sehr: „Es ist sozial nicht etabliert – aber ich bin ein Fan des Aufziehens“, sagt Christoph Wenisch, Abteilungsvorstand für Infektionsund Tropenmedizin im Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien: „Aufziehen ist – epidemiologisch gesehen – hoch wirksam. Man gibt dadurch weniger Viren ab.“
Die Virologen der MedUni Wien haben jetzt im Labor in einem Schleimhautabstrich eines Patienten (übrigens ein Gastwirt mit viel Kundenkontakt) erstmals in der Saison ein Inf luenza-A-Virus nachgewiesen. Der genaue Subtyp ist noch nicht bekannt – ob es also jenes A(H3N2)Virus ist, das in Australien heuer für die stärkste Inf luenza-Epidemie seit 15 Jahren gesorgt hat. „Man kann aber nicht unbedingt Rückschlüsse von anderen Regionen der Welt auf Österreich ziehen“, sagte die Medizinerin Ursula Karnthaler vom Gesundheitsdienst der Stadt Wien am Mittwoch: „Viele Faktoren spielen eine Rolle, wie stark die Grippewelle in einem Jahr wird.“
Schutz der „Herde“
Sollte sich das A(H3N2)Virus auch in Österreich durchsetzen (worüber ein einzelner Nachweis noch nichts aussagt), könnte die Wirkung des Impfstoffes vermindert sein – denn seit der Impfstoffproduktion ist eine punktuelle Mutation dieses Virus aufgetreten. „Auch wenn man nicht garantieren kann, dass der Impfstoff bei jedem einzelnen wirkt, gibt es einen Schutz für die Gesellschaft durch den Herdeneffekt“, betont Wenisch. „Das ist eine soziale Verantwortung.“Eine Impfpflicht besteht für das Personal in den KAV-Spitälern nicht: „Wir konnten aber durch viel Information die Impfrate deutlich erhöhen“, sagt Michael Binder, Direktor im Wiener Krankenanstaltenverbund u. a. für „Health Care Management“.
Die Grippewelle der vergangenen Saison war heftig, in Wien mussten wegen der hohen Zahl an Erkrankten manche Patienten auch in Gangbetten liegen. „Wir haben heuer die Abstimmung zwischen den Spitälern verbessert“, sagt Binder. Man sei gut vorbereitet.
Neu ist in den Wiener Spitälern ein Schnelltest, der es ermöglicht, innerhalb von 15 Minuten festzustellen, ob ein Patient die echte Influenza hat oder einen grippalen Infekt. Damit kann rasch entschieden werden, ob jemand auf einer speziellen Grippestation aufgenommen werden muss, um Ansteckungen zu vermeiden.
Für derartige Grippestationen seien ausreichend Kapazitäten vorbereitet, betonte Brigitte Ettl, Ärztliche Direktorin des Krankenhauses Hietzing. Bei extrem starkem Andrang könne es aber passieren, dass es zu vorübergehenden Engpässen komme: „Es ist immer eine schwere Entscheidung, geplante Operationen abzusagen.“
Wie groß der Patientenandrang sein kann, zeigen Zahlen aus der vorigen Grippe-Saison: „Im Sommer haben wir täglich 80 bis 120 Patienten zum Abklären an unserer internistischen Notfall- abteilung. 70 Prozent davon können nach Hause gehen. Im Winter sind es bis zu 200 Patienten, im vergangenen Jahr hatten wir einen Spitzentag mit 230 Patienten. Bis zu 70 Prozent davon bleiben bei uns im Spital.“
Scheiden im Sommer
Im Krankenhaus sollten aber nur Grippe-Patienten aufgenommen werden, bei denen schon lebensbedrohliches Organversagen besteht oder droht, betont Wenisch. Worauf er noch hinweist:
Rauchen macht die Lungen anfälliger für Infektionen. Auch Alkohol schwächt das Immunsystem.
Anti-Grippe-Mittel mit bestimmten fiebersenkenden, schmerzlindernden Wirkstoffen können die Krankheitsdauer sogar verlängern: „Die Anti-Grippe-Antwort des Immunsystems wird beeinträchtigt.“
Und dann noch ein humoriger Rat mit ernstem Hintergrund: „Wenn möglich, sollte man sich nicht in der Grippe-Saison, sondern im Sommer scheiden lassen. Es geht darum, seine Widerstandskräfte zu stärken – und da ist so ein Stress schlecht.“
Dass eine Grippe nicht harmlos ist, zeigt eine Formulierung, die Wenisch schon oft gehört hat: „Die Patienten sagen, sie fühlen sich so, als wäre ihnen der Stecker rausgezogen worden. Die ganze Energie ist weg.“