Ein langer, ruhiger Fluss (mit Musik)
Pop. Streamingdienste beeinflussen, wie neue Songs klingen
Die technologischen Umstände haben nicht nur auf die Kunst Einfluss, sondern auch auf die Musik: Diese wird zunehmend über Streamingdienste konsumiert. Und diese Art des Musikgenusses prägt immer mehr die Weise, wie heute Populärmusik gemacht wird.
Musiker richten ihre Kunst nach der Vermarktung? Das klingt hart, ist aber nichts Neues. Die Art des Musikkonsums hat schon immer die Musik selbst bestimmt: Nach dem Aufkommen des Walkmans in den 1980ern et- wa entstand zunehmend Kopf hörertauglicher Klang. Zuvor hatte die Aufnahmekapazität der Vinyl-Platte – eigentlich ein willkürlicher Umstand – das Format des Albums bestimmt: Rund 50 Minuten Musik, auf zwei Seiten verteilt, galt lange Zeit als Maß aller Musikdinge.
Von derartigen Kapazitätsfragen ist die Musik im Streamingdienst natürlich völlig befreit – hier geht es um anderes: Musik begegnet dem Hörer als ständiger Strom, der starke Tendenzen hat, zum Hintergrundge- räusch zu werden. Umso schneller und gezielter müssen Songs zum Punkt kommen: Einer der größten Hits des letzten Jahres, „Despacito“, startet etwa mit einer Art Zusammenfassung dessen, was folgt, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu bekommen.
Bitte nicht stören
Diese darf aber, andererseits, auch nicht überfordert werden: Musik, die allzu sehr aus dem Strom heraussticht, ist ebenfalls nicht gefragt. Im Formatradio musste man möglichst schnell den Refrain erreichen. Im Streaming geht es darum, wie Streaming zu klingen. Insbesondere Hip-Hopper haben diese neuen Umstände internalisiert: Sieht man von Ausnahmealbem wie Kendrick Lamars „DAMN“ab, liefern viele Rapper herummäandernde, lange Song-Playlisten mit möglichst prominenten Gaststars als „Alben“. Und hoffen so, dem Hörer keinen Grund zu geben, auf eine andere Playlist zu klicken.