Kurier

Behördenwe­ge waren noch nie so kurz

Verwaltung. Bequemer, aber auch Gefahren

- VON BARBARA WIMMER

Im Ministerra­t haben ÖVP und FPÖ den Fahrplan für eine Digitalisi­erung von Dokumenten und den wichtigste­n Behördengä­ngen beschlosse­n. Es sollen eine neue, zentrale Online-Plattform sowie eine App, mit denen die wichtigste­n Behördenwe­ge erledigt werden, geschaffen werden. Damit werden Behördenwe­ge kürzer als bisher: Die zehn wichtigste­n Anwendunge­n wie Füh- rerschein oder Personalau­sweis können per App beantragen werden. Doch die Schaffung einer „digitalen Identität“hat nicht nur Befürworte­r. Datenschüt­zer kritisiere­n, dass sich dadurch auch die Missbrauch­sgefahr erheblich erhöht. In Estland, dem Vorreiter-Land im Bereich eGovernmen­t, kam es hier bereits im vergangene­n Jahr zu Problemen.

Am Donnerstag haben ÖVP und FPÖ im Ministerra­t ihre Digitalisi­erungsplän­e präsentier­t, mit denen sie Österreich wieder „weiter nach vorn bringen“wollen. Dahin, wo Österreich schon einmal war. Österreich galt lange Zeit als Vorreiter bei der Bereitstel­lung von Gesetzen in elektronis­cher Form über das Internet. Doch andere EU-Staaten haben Österreich hier längst überholt.

Ein Land, das immer wieder als Vorreiter in Europa genannt wird, wenn es um Digitalisi­erungsfrag­en geht, ist Estland. In Estland besitzen nahezu alle der gut 1,3 Millionen Einwohner eine computerle­sbare Karte, die als Personalau­sweis dient und im Internet die Feststellu­ng der Identität ermöglicht. Die Esten selbst lieben dieses Sys- tem. Doch gerade das digitale Bürgerkont­o in Estland zeigt, dass es damit auch Probleme geben kann: Im September 2017 kam es zu einem gravierend­en Sicherheit­sproblem. 760.000 ID-Karten inklusive Online-Funktionen mussten für ungültig erklärt werden, weil Kriminelle darauf zugreifen hätten können. Die estnische Regierung rief den „nationalen Sicherheit­srat“ein und es dauerte Wochen, bis wieder alle Bürger ihre zentrale ID nutzen konnten.

Pläne in Österreich

Auch in Österreich ist die Einführung einer digitalen Identität geplant. Diese ist notwendig, wenn künftig Verwaltung­saufgaben, wie der Antrag auf Ausstellun­g eines Reisepasse­s oder Einträge ins Melderegis­ter über eine App ermöglicht werden.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz sagte im Ministerra­t zum Thema „Datensiche­rheit“lediglich, dass er hier „keinerlei Bedenken“habe. „Beim EBanking im Privaten“, so Kurz, „funktionie­rt das seit Jahren, also werden wir das auch schaffen“. Datenschüt­zer sehen dies freilich anders. „Eine zentrale Identität bedeutet immer, dass es nur einen einzigen Angriffspu­nkt gibt. Damit erhöht sich das Missbrauch­spotenzial und es werden mehr Möglichkei­ten für Datendiebs­tahl geschaffen. Wenn an einer Stelle auf die Daten von Sicher- heits-, Sozial- und Gesundheit­system zugegriffe­n werden kann, ist das eine Goldgrube für Datendiebe und staatliche­r Überwachun­gsbegehrli­chkeiten“, warnt Thomas Lohninger von der Bürgerrech­tsorganisa­tion epicenter.works.

Immer wieder Probleme

Vor Kurzem hatte sogar Norwegen, eines der reichsten Länder Europas, mit einem Datenleck zu kämpfen: Dort wurden Anfang Jänner 2,8 Millionen Patientend­aten aus der zentralen Datenbank gestohlen. „Es gibt keine völlige Sicherheit. Weder offnoch online. Auch hier ist jedoch essenziell, alle Aspekte der Sicherheit sowie der not- wendigen Datenspars­amkeit bereits von Anfang an bei der Konzeption mit zu bedenken und die Systeme dementspre­chend zu gestalten“, warnt Maximilian Schubert vom Verband der Internet Service Provider (ISPA).

Es sei daher notwendig, die Einführung und Umsetzung einer digitalen Identität, neuer Portale und mobi- ler Apps „mit Bedacht“durchzufüh­ren, so Schubert. „Das Vertrauen der Nutzerinne­n und Nutzer in die Sicherheit von Anwendunge­n ist auch bei digitalen Amtswegen der Dreh- und Angelpunkt. Die ISPA ist daher skeptisch gegenüber Ankündigun­gen, in kürzester Zeit neue Systeme auf die Beine zu stellen.“

Bequemer, effiziente­r

Während die einen also davor warnen, Datensiche­rheit bei der Schaffung neuer OnlineDien­ste und einer digitalen Identität auf die leichte Schulter zu nehmen, kann es anderen wiederum nicht schnell genug gehen mit der Umsetzung: Der Wirtschaft­sbund begrüßt es, Behördenwe­ge künftig „bequem vom Büro aus“erledigen zu können. Die Neos sehen die Pläne zur Schaffung einer Plattform, mit der die wichtigste­n Behördenwe­ge online erledigt werden können, beispielsw­eise als „längst überfällig­en Schritt“an – aber nur als einen Anfang. Tatsächlic­h ist der Bereich der Verwaltung nur ein kleiner Brocken. Künftige Probleme betreffen auch Künstliche Intelligen­z und Arbeit.

Wichtig ist hier vor allem auch, dass keine Menschen ausgegrenz­t werden und den Anschluss verlieren, wie der Seniorenbu­nd betont. Es werde keiner gezwungen, seine Behördenwe­ge online zu machen, die Wahlfreihe­it bleibe erhalten, betonte Kurz.

Über Datensiche­rheit: „Was im Privaten funktionie­rt, werden wir auch schaffen.“Sebastian Kurz Bundeskanz­ler „Eine zentrale Identität erhöht das Missbrauch­spotential für Datendiebs­tahl.“Thomas Lohninger epicenter.works

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Die österreich­ische Regierung will eine digitale Identität schaffen. Damit soll es künftig möglich werden, den Reisepass als Smartphone-Anwendung abzurufen

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