Behördenwege waren noch nie so kurz
Verwaltung. Bequemer, aber auch Gefahren
Im Ministerrat haben ÖVP und FPÖ den Fahrplan für eine Digitalisierung von Dokumenten und den wichtigsten Behördengängen beschlossen. Es sollen eine neue, zentrale Online-Plattform sowie eine App, mit denen die wichtigsten Behördenwege erledigt werden, geschaffen werden. Damit werden Behördenwege kürzer als bisher: Die zehn wichtigsten Anwendungen wie Füh- rerschein oder Personalausweis können per App beantragen werden. Doch die Schaffung einer „digitalen Identität“hat nicht nur Befürworter. Datenschützer kritisieren, dass sich dadurch auch die Missbrauchsgefahr erheblich erhöht. In Estland, dem Vorreiter-Land im Bereich eGovernment, kam es hier bereits im vergangenen Jahr zu Problemen.
Am Donnerstag haben ÖVP und FPÖ im Ministerrat ihre Digitalisierungspläne präsentiert, mit denen sie Österreich wieder „weiter nach vorn bringen“wollen. Dahin, wo Österreich schon einmal war. Österreich galt lange Zeit als Vorreiter bei der Bereitstellung von Gesetzen in elektronischer Form über das Internet. Doch andere EU-Staaten haben Österreich hier längst überholt.
Ein Land, das immer wieder als Vorreiter in Europa genannt wird, wenn es um Digitalisierungsfragen geht, ist Estland. In Estland besitzen nahezu alle der gut 1,3 Millionen Einwohner eine computerlesbare Karte, die als Personalausweis dient und im Internet die Feststellung der Identität ermöglicht. Die Esten selbst lieben dieses Sys- tem. Doch gerade das digitale Bürgerkonto in Estland zeigt, dass es damit auch Probleme geben kann: Im September 2017 kam es zu einem gravierenden Sicherheitsproblem. 760.000 ID-Karten inklusive Online-Funktionen mussten für ungültig erklärt werden, weil Kriminelle darauf zugreifen hätten können. Die estnische Regierung rief den „nationalen Sicherheitsrat“ein und es dauerte Wochen, bis wieder alle Bürger ihre zentrale ID nutzen konnten.
Pläne in Österreich
Auch in Österreich ist die Einführung einer digitalen Identität geplant. Diese ist notwendig, wenn künftig Verwaltungsaufgaben, wie der Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses oder Einträge ins Melderegister über eine App ermöglicht werden.
ÖVP-Chef Sebastian Kurz sagte im Ministerrat zum Thema „Datensicherheit“lediglich, dass er hier „keinerlei Bedenken“habe. „Beim EBanking im Privaten“, so Kurz, „funktioniert das seit Jahren, also werden wir das auch schaffen“. Datenschützer sehen dies freilich anders. „Eine zentrale Identität bedeutet immer, dass es nur einen einzigen Angriffspunkt gibt. Damit erhöht sich das Missbrauchspotenzial und es werden mehr Möglichkeiten für Datendiebstahl geschaffen. Wenn an einer Stelle auf die Daten von Sicher- heits-, Sozial- und Gesundheitsystem zugegriffen werden kann, ist das eine Goldgrube für Datendiebe und staatlicher Überwachungsbegehrlichkeiten“, warnt Thomas Lohninger von der Bürgerrechtsorganisation epicenter.works.
Immer wieder Probleme
Vor Kurzem hatte sogar Norwegen, eines der reichsten Länder Europas, mit einem Datenleck zu kämpfen: Dort wurden Anfang Jänner 2,8 Millionen Patientendaten aus der zentralen Datenbank gestohlen. „Es gibt keine völlige Sicherheit. Weder offnoch online. Auch hier ist jedoch essenziell, alle Aspekte der Sicherheit sowie der not- wendigen Datensparsamkeit bereits von Anfang an bei der Konzeption mit zu bedenken und die Systeme dementsprechend zu gestalten“, warnt Maximilian Schubert vom Verband der Internet Service Provider (ISPA).
Es sei daher notwendig, die Einführung und Umsetzung einer digitalen Identität, neuer Portale und mobi- ler Apps „mit Bedacht“durchzuführen, so Schubert. „Das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer in die Sicherheit von Anwendungen ist auch bei digitalen Amtswegen der Dreh- und Angelpunkt. Die ISPA ist daher skeptisch gegenüber Ankündigungen, in kürzester Zeit neue Systeme auf die Beine zu stellen.“
Bequemer, effizienter
Während die einen also davor warnen, Datensicherheit bei der Schaffung neuer OnlineDienste und einer digitalen Identität auf die leichte Schulter zu nehmen, kann es anderen wiederum nicht schnell genug gehen mit der Umsetzung: Der Wirtschaftsbund begrüßt es, Behördenwege künftig „bequem vom Büro aus“erledigen zu können. Die Neos sehen die Pläne zur Schaffung einer Plattform, mit der die wichtigsten Behördenwege online erledigt werden können, beispielsweise als „längst überfälligen Schritt“an – aber nur als einen Anfang. Tatsächlich ist der Bereich der Verwaltung nur ein kleiner Brocken. Künftige Probleme betreffen auch Künstliche Intelligenz und Arbeit.
Wichtig ist hier vor allem auch, dass keine Menschen ausgegrenzt werden und den Anschluss verlieren, wie der Seniorenbund betont. Es werde keiner gezwungen, seine Behördenwege online zu machen, die Wahlfreiheit bleibe erhalten, betonte Kurz.
Über Datensicherheit: „Was im Privaten funktioniert, werden wir auch schaffen.“Sebastian Kurz Bundeskanzler „Eine zentrale Identität erhöht das Missbrauchspotential für Datendiebstahl.“Thomas Lohninger epicenter.works