Auch Kurz schießt gegen SPÖ
„Angstmache“. Kanzler Kurz kontert der SPÖ-Kritik an Mangelberufsliste ungewohnt deftig
Seit Monaten hört man vor allem einen Satz aus der ÖVP in verblüffender Häufigkeit: „Wir werden uns am gegenseitigen Anpatzen nicht beteiligen“. So scharf die Attacken der politischen Wettbewerber zuletzt auch waren, die türkise Reaktion darauf fiel im Ton zumeist extrem zurückhaltend aus. Bis jetzt. Denn auf die Warnung der SPÖ, dass die Regierung mit der Ausweitung der Mangelberufsliste angeblich 150.000 Zuwanderer ins Land holen würde, reagierte ÖVP-Chef und Kanzler Sebastian Kurz ungewohnt scharf: Nach dem Ministerrat warf er seinem ehemaligen Koalitionspartner „nicht nachvollziehbare Angstmache“vor. „Die SPÖ agiert hier mit falschen Zahlen, um die Bevölkerung zu verunsichern“, richtete der Kanzler seinem Vorgänger, SPÖ-Chef Christian Kern, und dessen Geschäftsführer Max Lercher – dem Auslöser der Debatte – aus. „Gerade bei diesem Thema“, sagte Kurz letztlich, „finde ich das sehr unredlich von der SPÖ“. Auch Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal griff letzthin in die Debatte ein und erklärte am Nachmittag via Aussendung, dass die von der SPÖ kritisierte Arbeitsmarkt-Maßnahme noch vom roten Ex-Sozialminister Alois Stöger beschlossen wurde.
Falsche SPÖ-Zahl
Noch deftiger formuliert es FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Der Vizekanzler, der sich seit Tagen in einem Schlagabtausch mit den Sozialdemokraten befindet, ortet „nur noch skurrile Ansagen“der Roten – für ihn sei die SPÖ-Kritik „ein Beweis, dass sich die Partei selbst noch nicht gefunden hat“. Auf den rot-blauen Streit angesprochen antwortet Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ), „dass der eigentliche Streit offenbar in der SPÖ über ihren Kurs herrscht“.
Die Wirtschaftskammer stärkt der Regierung im Disput mit der Regierung jedenfalls den Rücken: Denn das Schreckensszenario, dass durch die Ausweitung der Mangelberufsliste nun 150.000 Zuwanderer ante portas stünden, entbehre jeder faktischen Grundlage. „Diese Zahlen sind schlicht und einfach absurd“, sagte Martin Gleitsmann, Arbeitsrechtsexperte der Wirtschaftskammer. Denn seit Einführung der Fachkräfteverordnung im Jahr 2013 – diese legt fest, welche Tätigkeiten unter die Bezeichnung „Mangelberufe“fallen – wurden laut Kammer lediglich rund 1700 ausländische Fachkräfte ins Land geholt. Mit einer von der SPÖ ins Spiel gebrachten Verhundertfachung dessen sei nicht im Entferntesten zu rechnen. Anstatt nun „FantasieZahlenspiele“anzustellen, so Gleitsmann, „sollte man sich stärker auf die Nöte der Betriebe konzentrieren“.