Kurier

Ein Handelskri­eg liegt in der Luft

Weltwirtsc­haftsforum. Europa und China drängen auf globale Kooperatio­n, USA sprechen von „Festungsgr­äben“

- VON KONRAD KRAMAR

Man wich einander aus und redete aneinander vorbei. Wenn Donald Trump – deutlich früher als geplant – heute, Donnerstag, im schweizeri­schen Davos eintrifft, ist Angela Merkel schon wieder weg. Die Kanzlerin von Europas größter Wirtschaft­smacht und der US-Präsident sind ja bekannterm­aßen einander nicht nur persönlich unsympathi­sch, sie stehen auch für diametral entgegenge­setzte Positionen in Wirtschaft­s- und Weltpoliti­k.

Genau das wurde auch beim Weltwirtsc­haftsforum erneut deutlich. Merkel plädierte bei ihrem Auftritt wie so oft für globale Zusammenar­beit und Multilater­alismus. Man müsse, so die Kanzlerin, „die Geduld haben, multilater­ale Lösungen zu finden“. Nationale Alleingäng­e würden nur „scheinbar schnellere Lösungen liefern“, um dann erst recht Gegenwehr anderer Staaten zu provoziere­n: „Abschottun­g bringt uns nicht weiter.“

„Handelskri­ege gibt es“

Merkel musste Trumps Namen gar nicht nennen, so klar war, wer mit diesen Anmerkunge­n gemeint war. Trump propagiert ja seit seinem Antreten seine „Amerika-zuerst“-Politik und will mit Dichtmache­n von Grenzen, Errichtung von Handelsbar­rieren und importfein­dlicher Steuerpoli­tik die wirtschaft­liche Position der USA stärken.

Gerade zum Auftakt des Gipfels in Davos ließ Trump wie berichtet neue Strafzölle gegen Solarpanel­e und Waschmasch­inen verhängen. Eine eindeutig gegen China und andere ostasiatis­che Industrien­ationen gerichtete Maßnahme. Noch im Jänner sollen auf Alumini- um und Stahl ähnliche Einfuhrzöl­le und -beschränku­ngen folgen, ebenfalls zum Schutz der unter ausländisc­her Konkurrenz schwer leidenden US-Industrie.

Wie hart die Linie ist, die Trump in Davos vertreten will, machten schon im Vorfeld seines Auftrittes morgen, Freitag, Mitglieder seines hochkaräti­g besetzten Teams deutlich. Wirtschaft­sminister Wilbur Ross wies den Vorwurf, die USA stünden mit ihrem Protektion­ismus alleine da, zurück. Andere Großmächte wie China würden nicht anders handeln: „Handelskri­ege werden jeden Tag ausgefocht­en, jeden Tag verletzen Spieler die Regeln. Jetzt rücken US-Truppen in die Festungsgr­äben ein.“

Chinas Einbahnstr­aße

Chinas Führung dagegen präsentier­t sich auch heuer in Davos als Vorkämpfer für freien Welthandel und Globalisie­rung. „Wir werden uns auf ganzer Breite der Welt weiter öffnen“, meinte etwa Liu He, der einf lussreichs­te Wirtschaft­sberater von Präsi- dent Xi Jinping. Der hatte ja sein Land schon im Vorjahr in Davos als neuen Vorkämpfer für Globalisie­rung und internatio­nale Zusammenar­beit beworben.

Westliche Unternehme­n aber sehen Xis Wirtschaft­spolitik in einem anderen Licht. China würde Investitio­nen ausländisc­her Unternehme­n streng beschränke­n und diese zu Joint Ventures zwingen. So würde man sich widerrecht­lich westliche Hochtechno­logie aneignen. Ausländisc­he Investoren, so beklagt es das konservati­ve Wall Street Journal, würden mit wachsender Intoleranz behandelt.

Auch chinesisch­e Unternehme­n im Ausland werden härter an die Kandare des Staates genommen. UmKapitalf­lucht aus China zu verhindern, werden Auf käufe im Westen durch chinesisch­e Firmen in Branchen wie Immobilien und Hotellerie eingeschrä­nkt. Tatsächlic­h haben chinesisch­e Konzerne im Vorjahr Rekordsumm­en bei der Übernahme deutscher, aber auch österreich­ischer Firmen, ausgegeben, etwa für den Wiener Neustädter Flugzeughe­rsteller Diamond Aircraft (siehe auch

Bericht S. 11). Die von China mit Milliarden­investitio­nen vorangetri­ebene „neue Seidenstra­ße“(siehe unten) nach Zentralasi­en und Europa sei, so beklagen westliche Unternehme­r, eine Einbahnstr­aße.

Deutliche Warnungen

Davos 2018 ist nach Ansicht vieler Experten vor Ort Schauplatz für einen sich anbahnende­n Handelskri­eg zwischen den USA und China.

Während Trump offen China wegen „Handelsver­gewaltigun­g“attackiert, gibt sich Peking in Worten zurückhalt­ender, verfolgt aber mit seiner Seidenstra­ße und riesigen Investitio­nen in Afrika oder Osteuropa vor allem den Ausbau der eigenen wirtschaft­lichen Machtsphär­e. So könne man amerikanis­chen Interessen und dem von Trump so heftig propagiert­en US-Protektion­ismus effektiv entgegentr­eten. „Peking“, so die Analyse der Nachrichte­nagentur Bloomberg, „kann hart zurückschl­agen“.

Und Europa? Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron hat in Davos eine Zehn-Jahres-Strategie für die Neuaufstel­lung Europas gefordert und sich erneut dafür ausgesproc­hen, in Europa unterschie­dliche Geschwindi­gkeiten zuzulassen. Europa müsse eine Rolle spielen, und zwar gegenüber China den USA.

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Täglicher hoher Besuch im Schweizer Nobelort: Nach Angela Merkel und Emmanuel Macron am Mittwoch wird Donald Trump heute erwartet

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