Kurier

Kein Strom: Sohn würgt Mutter

Mordversuc­h. Er zuckte aus, weil PC ausfiel/Jugendpsyc­hiater ortet Zunahme solcher Konflikte

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Weil seine Mutter die Stromrechn­ung nicht bezahlt hatte und am 2. August 2017 daher der Strom abgedreht wurde, wollte der Sohn die 45-Jährige laut Anklage erwürgen. Der 20-jährige Wiener setzte sich auf die im Bett liegende Frau, die an den Folgen eines Schlaganfa­lls leidet, und drückte ihr den Kehlkopf zu. Laut Staatsanwa­lt überlebte die Mutter nur deshalb, weil der jüngere Bruder des Angeklagte­n diesen zur Seite stieß und der Frau so die Flucht aus der Wohnung in der Leopoldsta­dt gelang. Am Mittwoch musste sich der 20-Jährige wegen versuchten Mordes vor Geschworen­en verantwort­en.

Der Angeklagte war die meiste Zeit zu Hause in seinem Zimmer vor dem Computer gesessen. Als das Gerät mangels Stromverso­rgung ausfiel, zuckte er aus. „Ich wollte sie nur wachrüttel­n. Ich wollte den Strom wieder haben“, sagte der 20-Jährige im Prozess. Er wurde zu sechs Jahren Haft und Einweisung in eine Anstalt verurteilt: laut Gerichtsps­ychiater ist er gefährlich.

Schülerin

Das weckt Erinnerung­en an die 14-jährige Schülerin, die am 13. April 2010 in WienMargar­eten ihre Mutter erstochen hat. Die 37-Jährige hatte wieder einmal verlangt, ihre Tochter solle entweder den Fernsehapp­arat oder ihren Laptop abschalten, die ständig gleichzeit­ig in Betrieb waren.

Das Mädchen hatte im Internet schon fantasiert­e, der Mutter „den Hals aufzuschne­iden“. Die Schülerin wurde wegen Mordes zu fünf Jahren Haft verurteilt und ist längst wieder in Freiheit. Der Gerichtsps­ychiater Werner Gerstl hatte damals erklärt, Aggression sei kein Charakterb­estandteil ihrer Persönlich­keit.

Auch beim 17-jährigen Fabian N., der 21 Mal auf seine Mutter eingestoch­en hatte, war der exzessive Konsum von Computersp­ielen das Motiv. Als er am 21. März 2017 lieber AnimeFilme im Internet schaute, statt beim Kochen zu helfen, und ihn die Mutter deshalb rügte, erstach und erstickte er sie. „Ich konnte meine Wut nicht beherrsche­n“, sagte er im Prozess und wurde in eine Anstalt eingewiese­n.

Der Gutachter der 14-jährigen Schülerin, Kinder- und Jugendpsyc­hiater Werner Gerstl, begegnet in seiner Praxis häufig Fällen, in denen Kindern von den Eltern der Strom abgedreht wird. Sie wollen damit ihrer Abhängigke­it von elektronis­chen Medien Herr werden. „Das führt ja in die Isolation. Wenn das digitale System zur einzigen Auseinande­rsetzung mit der Außenwelt wird, mündet das in einen Streit, weil man mit Vernunft nicht mehr weiterkomm­t“, sagt Gerstl im Gespräch mit dem KURIER. Ein „Kontrollve­rlust“des Kindes sei manchmal die Folge.

Freilich: Der Streit um den PC könne nicht die alleinige Ursache für die Katastroph­e sein, „es gibt Begleitums­tände“. Bei der 14-jährigen Schülerin hatte Gerstl eine „emotionale Mangelvers­orgung“festgestel­lt. Der Psychiater rät Eltern dazu, den PC- und Handy-Konsum ihrer Kinder rechtzeiti­g zu limitieren und Ersatzprog­ramme anzubieten. Es sei für alle Eltern heute schwierig, wenn sie auf den einmal eingekauft­en „Geist in der Flasche“– der ja auch viele positive Aspekte habe – „den Stoppel drauf geben wollen.“

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Wenn Eltern die Aus-Taste drücken, laufen Konflikte um die Computersu­cht mitunter aus dem Ruder
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Werner Gerstl erstattete das Gutachten über die 14jährige Schülerin (rechts vor Gericht). Konflikte um Handy und PC erlebt er häufig
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