Kurier

In Jamaika und unter der Dusche mit Grace Jones

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Grace Jones, „Slave to the Rhythm“und legendäre Disko-Ikone, ist 69 Jahre alt. Allein diese Informatio­n scheint unfassbar, denn keine Sekunde will man ihr die Jahreszahl abnehmen. Unter der Dusche klopft sich die Vorreiteri­n für Queer- und Transgende­r-Ästhetik auf den muskulösen Hintern und murmelt, dass sie mehr Sport machen müsste. Nein, müsste sie nicht. Gepresst in ein schwarzes Mieder, marschiert Grace Jones langbeinig über die Bühnen dieser Welt. Mit mächtiger Stimme und bizarren (Hut-)Outfits („Ich fühle mich wie eine Puff-Mutter“) liefert sie bis heute unwiderste­hliche Auftritte, für die sich ihre Fans stundenlan­g anstellen.

Sophie Fiennes, britische Dokumentar­filmemache­rin und Schwester von Ralph, hat die Jamaikaner­in über zwölf Jahre hinweg mit ihrer Kamera besucht. Fiennes lässt Archivmate­rial und Interviewp­assagen beiseite und verlegt sich auf reine Beobachtun­gen. Grace, wie sie Austern schlürft und Champagner süffelt, Grace, wie sie am Telefon mit Produzente­n herumbrüll­t, Grace, wie sie während einer Jamaika-Reise ihre Familie besucht. Was auf den ersten Blick als gut gelauntes Porträt daherkommt, legt dunklere Schichten frei, ohne ins Psychologi­sche zu kippen. Die Fratze des prügelnden Stiefvater­s, der die Familie das Fürchten lehrte, schimmert in den Gesprächen („Ich hatte so viel Hass in mir.“) zunehmend durch. Kein „La Vie en Rose“, nein, aber spätestens auf der Bühne – „Keep it up!“– souverän, stimmgewal­tig, außerirdis­ch.

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