Rum-Renaissance
Wilde Burschen, die mit Fässern voll Rum über die Meere fahren und sich täglich volllaufen lassen – das jahrhundertelang schlechte Image von Rum hat viel mit Mythen aus der Seefahrtsgeschichte zu tun. Nicht zuletzt wegen der Piraten im beliebten Roman „Die Schatzinsel“von Robert Louis Stevenson. Daran änderte auch wenig, dass das Destillat wichtige Zutat von CocktailKlassikern wie Mojito, Cuba Libre oder Bacardi Cola ist.
Dabei ist Rum eine der facettenreichsten Spirituosen überhaupt. „Er kann klar, golden oder schwarz sein, leicht oder schwer, aus einem einzelnen Fass stammen oder ein Verschnitt aus Produkten vieler Länder sein“, erklärt RumExperte Dave Broom.
150 Marken
Diese Vielfalt wird zunehmend geschätzt. Wer dachte früher schon daran, seine Hausbar mit einem guten Rum zu bestücken und diesen als Digestif zu genießen? Heute kann man in Österreich aus rund 150 verschiedenen Marken wählen, erzählt Jürgen Blum, der sich auf den Import hochwertigen Rums abseits von gängigen Marken spezialisiert hat.
Freilich genießt man diese hochwertigen Destillate aus Zuckerrohr, die zum Teil mehrere Jahre in Eichenfässern lagern und so ihre unterschiedlichen Geschmacksnuancen entwickeln, besser pur. Oder maximal auf Eis. Wobei wahre Connaisseurs sogar das ablehnen, da es den Geschmack verfälschen soll. Die sind in heimischen Bars allerdings noch eher selten anzutreffen, bemerkt Barkeeper Reinhard Poholec.
Dort steht eher das Gesellige im Vordergrund, nicht sich mit einem Schwenker in der Hand über unterschiedlichste Geschmacksnuancen und Aromen auszutauschen. Auf der Suche nach neuen Geschmäckern wird aber auch hochwertiger Rum stärker nachgefragt. „Es ist sicher eine spannende Spirituose. Aber Cognac, bei dem das Herstellungsgebiet viel kleiner ist, ist ebenso vielfältig.“Im Mixing-Bereich sieht auch er Rum oft missverstanden – obwohl unerlässlicher Bestandteil jeder Bar-Ausstattung.
Apropos: In der britischen Marine gehörte die tägliche Portion Rum ab dem 18. Jahrhundert zur Verpflegung der in der Karibik stationierten Matrosen. Im Gegensatz zu Wasser war der Alkohol keimfrei. Später wurde er im Verhältnis 1:4 mit Wasser gemischt und gegen Skorbut mit Limettensaft und Zucker für den Geschmack versetzt. Erst 1970 wurde die Tradition dieses Royal navy Rum abgeschafft.
Aufwendige Produktion
Schon dieser Rum war wohl kaum mit dem hierzulande beliebten „Inländer-Rum“vergleichbar. „Rum herzustellen ist sehr aufwendig“, sagt Blum. Vereinfacht gesagt wird Melasse (aus der Rohrzuckerherstellung) mit Wasser und anderen Zutaten (etwa frühere Brennrückstände) zu Maische verarbeitet, mit Hefe vergoren und destilliert. Danach lagert der frische – weiße – Rum in Fässern oder Edelstahltanks. In Kuba muss Rum etwa mindestens zwei Jahre im Fass bleiben. Manche besondere, schwere Sorten lagern sogar mehr als 20 Jahre im Fass (Rum hors d’age). Dabei nehmen sie Geschmacksstoffe und eine bräunliche Färbung an. Doch Vorsicht: Manche Produzenten helfen durchaus nach.
Blum erklärt, dass sich durch die Kolonialzeit verschiedene Stile in den meist karibischen Herstellerländern entwickelt haben: „Das sind unterschiedliche Geschmäcker, die durch die Reifung im Fass entstehen.“Rum gibt es in britischem, spanischem oder französischem Stil. Die meisten sind heute Verschnitte verschiedener Fässer, Länder oder Stile. Wie sie einen harmonischen Geschmack ergeben, obliegt den sogenannten Blendern der großen Herstellerfirmen. Doch deren komplizierte Wissenschaft ist eine andere Geschichte.