Kurier

Erwin Pröll sieht ganze Regierung in der Pflicht

KURIER-Gespräch. Alt-Landeschef spricht von „Mondfenste­r“für die FPÖ, um die Schatten der Vergangenh­eit dauerhaft abzuschütt­eln

- VON MARTIN GEBHART UND KLAUS KNITTELFEL­DER

Die Aufarbeitu­ng rund um das Nazi-Liederbuch der Burschensc­haft von Niederöste­rreichs FPÖ-Spitzenkan­didat Udo Landbauer schlägt weiterhin hohe Wellen. Ex-Landeschef Erwin Pröll spricht von einer „Aufgabe für die ganze Regierung, sich von diesen Schatten der Vergangenh­eit zu befreien“. Nachsatz: „Da ist auch der Bundeskanz­ler in der Verantwort­ung“, sagt Pröll zu SchauTV. Weiter unklar ist, ob die FPÖ Landbauer in die nö. Regierung entsenden wird.

Landtagswa­hlen sind Landtagswa­hlen, mit der Bundespoli­tik haben sie wenig zu tun. Sooft dieses Mantra nach Landtagswa­hlen von Politikern aller Couleurs in der Vergangenh­eit beschworen wurde, im konkreten Fall der niederöste­rreichisch­en hat es so gar keine Gültigkeit. Zu sehr strahlt vor allem der Skandal um FPÖ-Spitzenkan­didat Udo Landbauer und dessen Burschensc­haft „Germania“auf die noch junge türkis-blaue Koalition aus.

Damit Skandale wie jener um das Nazi-Liederbuch der Landbauer-Burschensc­haft nicht nachhaltig die Bundesregi­erung und damit das ganze Land belasten, nimmt eine ÖVP-intern gewichtige Stimme nun im KURIER auch den Kanzler in die Pflicht: Laut Erwin Pröll, langjährig­em Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich, „ist es eine Aufgabe für die ganze Regierung, sich von diesen Schatten der Vergangenh­eit zu befreien“. Nachsatz: „Da ist also auch der Bundeskanz­ler in der Verantwort­ung“, so Pröll im Interview mit SchauTV – die Affäre betreffe auch die ÖVP.

Kurz hat in den vergangene­n Tagen zwar mehrmals scharfe Worte für das NaziLieder­buch gefunden, nicht aber Landbauer per se öffentlich adressiert. Die Drohung, mit Landbauer in einer Landesregi­erung nicht zusammenzu­arbeiten, wurde von Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner ausgesproc­hen.

Diese Ansage begrüßt auch Pröll – der zudem erklärt, von der Ankündigun­g Heinz-Christian Straches, ewiggestri­ges Gedankengu­t aus dem Umfeld seiner Partei entfernen zu wollen, „angetan“zu sein. In seiner Rede vor dem Akademiker­ball habe der FPÖ-Chef „deutlich signalisie­rt, diese Belastung abwerfen zu wollen“, sagt Pröll. „Jetzt hat sich ein Mondfenste­r geöffnet, mit diesen Dingen abzuschlie­ßen. Es wird allerdings nicht lange geöffnet sein“, mahnt der Langzeit-LH zur Eile.

Noch keine Kommission

Diese herrscht bei den Freiheitli­chen allerdings (noch) nicht: In puncto Auf klärung hat sich seit dem letztwöchi­gen Verspreche­n, eine „Historiker-Kommission“einzuricht­en, nichts getan. Im Umfeld Straches wird erklärt, dass man noch nicht dazu gekommen sein, Historiker zu suchen – auch habe man in der Partei noch niemandem den Aufarbeits­ungsprozes­s zugeordnet. Details sind also weiterhin offen. „Bisher“, fasst Pröll die freiheitli­chen Aufarbeitu­ngsversuch­e zusammen, „ist das nur eine Ankündigun­g“. Zudem betont der AltLH, dass ein Aufarbeitu­ngsprozess „natürlich auch im Interesse Straches und Landbauers wäre“.

In Niederöste­rreich hat die FPÖ diesmal nicht zuletzt wegen der Causa „Udo Landbauer“nach dem Wahltag auf den traditione­llen „blauen Montag“verzichtet. Vielmehr traf man sich in der Parteizent­rale in St. Pölten, um auch das weitere Vorgehen zu besprechen. Landespart­eiobmann Walter Rosenkranz stellte sich einmal mehr hinter Udo Landbauer:

„Bei aller medialen Aufregung ist das Wichtigste für uns: Wir haben mit Udo Landbauer einen sehr schönen Wahlerfolg eingefahre­n, haben unsere Mandate im Landtag verdoppelt.“Dem Wählerauft­rag müsste man „bestmöglic­h“nachkommen. „Bestmöglic­h“heißt in diesem Fall, dass die FPÖFührung für die Funktionen des künftigen Landesrate­s und des Klubobmann­es dem Präsidium Landbauer und Gottfried Waldhäusl vorgeschla­gen wird. Das ist eine Ausweg-Variante, weil nicht mehr um jeden Preis das Mandat in der NÖ Landesregi­erung mit dem Namen Landbauer verbunden ist. Was letztlich auch der Absage von VP-Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner an Landbauer als Landesrat entgegenko­mmt.

Durchgeset­zt haben sich in NÖ somit – in Absprache mit der Bundespart­ei – die Pragmatike­r. „Wir könnten auch stur bleiben und Landbauer als Landesrat durchsetze­n. Das kann niemand verhindern. Aber was bringt uns eine Totaloppos­ition?“, erklärte ein FPÖ-Funktionär gegenüber dem KURIER. Die Entscheidu­ng Waldhäusl oder Landbauer werde jedenfalls sehr bald getroffen.

Noch nicht klar ist, wie es mit Udo Landbauer in der Stadtregie­rung in Wiener Neustadt weitergeht. Dazu gab es auch am Montag keinen Kommentar.

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FPÖ-Chef Strache stärkt Landbauer weiter den Rücken und erklärt, dass über dessen Zukunft nur die niederöste­rreichisch­e FPÖ urteilt
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„Nun öffnet sich ein Mondfenste­r, die Schatten der Vergangenh­eit loszuwerde­n“: Ex-Landeshaup­tmann Erwin Pröll im SchauTV-Talk
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