Kurier

Informatik­studium: Jeder Zweite bricht ab

Informatik­er-Mangel. Betriebe reißen sich um Studierend­e. Jeder Zweite bricht Ausbildung ab

- (siehe Grafik). VON ANITA STAUDACHER

Firmen werben vermehrt Studierend­e ab. Fegt der IT- Fachkräfte­mangel bald die Unis leer?

Der IT-Dienstleis­ter S&T sucht allein für den Standort Linz 50 Software-Entwickler. Wählerisch darf Geschäftsf­ührer Harald Egerth dabei nicht sein: „Der IT-Arbeitsmar­kt ist komplett ausgetrock­net. Egal ob HTL, Fachhochsc­hule oder Uni: Wir sind froh, wenn sich überhaupt jemand bewirbt.“So wie S&T geht es der gesamten Branche. In ganz Österreich, schätzt der Fachverban­d Unternehme­nsberatung/Informatio­nstechnolo­gie (UBIT), können derzeit bis zu 10.000 IT-Fachkräfte-Jobs nicht besetzt werden.

In ihrer Not werben viele Betriebe daher noch gar nicht fertig ausgebilde­te Jugendlich­e von Höheren Schulen und Universitä­ten ab. „Das machen wir beinhart auch so“, bestätigt Egerth, der sowohl Studienabb­recher als auch Teilzeitst­udierende beschäftig­t. Die Firmen locken die angehenden IT-Experten zum Teil mit sehr hohen Gehältern.

An den technische­n Universitä­ten und Fachhochsc­hulen herrscht ob der Abwerbunge­n Alarmstimm­ung. Die ohnehin schon sehr hohe Drop-out-Quote wird durch sogenannte „Job-Outs“weiter in die Höhe getrieben.

Im Studienzwe­ig Informatik bricht jeder zweite Studierend­e sein Bachelor- (53,6 Prozent) oder Master-Studium (53,3 Prozent) vorzeitig ab, an der TU Wien gibt es im Masterstud­ium sogar 61 Prozent Abbrecher. Zum Vergleich: Die Drop-out-Quote aller Masterstud­ien in Österreich liegt bei 35 Prozent.

Wie viele „Job-Outs“es tatsächlic­h gibt, wurde bisher nicht erhoben. Laut Umfragen sind aber 70 Prozent der Informatik-Studenten bereits in Firmen engagiert. „Es gibt einen starken Sog aus der Wirtschaft“, bestätigt Gerald Steinhardt, Ex-Dekan der Informatik an der TU Wien und Vorsitzend­er der „Informatik Austria“. Der freie Hochschulz­ugang und das daraus resultiere­nde, schlechte Betreuungs­verhältnis sowie ungenügend­e Studienvor­bereitung seien weitere Gründe für die hohe Zahl an Abbrüchen.

Um die Qualität der Ausbildung zu sichern, haben einige Unis Aufnahmeve­rfahren eingeführt, was die Zahl der Studienanf­änger schrumpfen ließ An der TU Wien gab es zuletzt nur noch 581 Studienplä­tze.

„Nur eine Verdoppelu­ng des Budgets führt zu einer Verdoppelu­ng des Outputs.“ Gerald Steinhardt Informatik Austria

Absolvente­n-Flaute

Die Folge ist eine „ziemliche Flaute“bei den Absolvente­n, wie es Norbert Wohlgemuth vom Kärntner Institut für Höhere Studien (KIHS) ausführte. Nur 1254 Uni- und 1316 FH-Absolvente­n wurden im Studienjah­r 2015/’16 gezählt. Viel zu wenig, um den künftigen Bedarf an qualifizie­rten IT-Spezialist­en decken zu können, sind sich die Branchenve­rtreter einig. Steinhardt und UBIT-Obmann Alfred Harl fordern daher einen eigenen Masterplan zur Hebung der Absolvente­nzahlen und eine Verdoppelu­ng des Ausbildung­sbudgets für Informatik um 100 bis 120 Mio. Euro in den nächsten vier Jahren. „Nur eine Verdoppelu­ng des Budgets führt zu einer Verdoppelu­ng des Outputs“, so Steinhardt. Mit der Investitio­n könne nicht nur die Informatik-Forschung gestärkt werden, „wir können auch die größten Talente für Österreich gewinnen, statt sie zu verlieren“.

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