Die Zeit nach dem „Happy End“
Nach dem Happy End
Erfolgsautor Glattauer zur Kinoversion von „Wunderübung“
Joana gegen Valentin. Das ist Brutalität. Da kann auch ein Paartherapeut als Schiedsrichter nur wenig ausrichten.
In der Verfilmung der Boulevard-Komödie „Die Wunderübung“liefern Aglaia Szyskowitz und Devid Striesow einander einen polemischen Kleinkrieg. Joana weiß immer schon vorher, was ihr Ehemann sagen will, und lässt ihn deshalb gar nicht erst zu Wort kommen. Valentin straft sie dafür mit stillem Zynismus, hinter dem sie Gefühlskälte vermutet.
Erwin Steinhauer gibt im Film den Paartherapeuten, dessen Schnürlsamt-Hose ähnlich knautschig-salopp wirkt wie sein Mienenspiel. Regisseur Michael Kreihsl, der die Komödie schon an der Wiener Josefstadt inszenierte, bringt nun den geistreichen Schlagabtausch des zerstrittenen Ehepaares auf die Leinwand. Das Boulevardstück besticht mit witzigen Dialogen und plausibler, wenngleich nicht immer klischeefreier Psychologie.
Scheidungssachen
Der international erfolgreiche Autor Daniel Glattauer war es, der dieses zerstrittene Ehepaar mittleren Alters in eine ebenso bühnen- wie filmreife Paartherapie schickte. Inspirieren ließ er sich dabei von seiner eigenen Ausbildung als psychosozialer Berater.
Liebesgeschichten, in denen die Heirats- und Scheidungssachen nicht nur zwischen den Zeilen mitschwingen, sind seine Spezialität. Den seelischen Verwicklungen zwischenmenschlicher Beziehungen kann er witzige, aber auch nachdenklich stim- mende Ansichten und Einsichten abgewinnen. Wie etwa in seinen Roman-Bestsellern „Gut gegen Nordwind“, „Alle sieben Wellen“, „Ewig Dein“oder „Geschenkt“.
Daniel Glattauer, der seit mehr als dreißig Jahren mit der Frau zusammenlebt, die er vor einigen Jahren auch geheiratet hat, legt Wert darauf, dass seine Romane und Theaterstücke nicht (nur) autobiographisch zu lesen sind. KURIER: Sie haben als Schriftsteller einen sehr ähnlichen Werdegang wie Ihr Vater (Herbert O. Glattauer war einst langjähriger Redakteur des KURIER) und Ihr Bruder (Niki Glattauer schreibt derzeit eine Bildungskolumne im KURIER). Trotz der familiären Bande gibt es viele stilistische Unterschiede in Ihrem literarischen Schaffen. Wie kam es dazu? Daniel Glattauer: Es stimmt, dass wir alle drei vom Journalismus kommen, aber Niki ist da einen völlig anderen Weg gegangen. Er hat für so unterschiedliche Medien wie Die Presse, die Kronen Zeitung, Arbeiter-Zeitung und für News geschrieben, weil er auf unsere Gesellschaft aus unterschiedlichen Perspektiven reagieren wollte. Mein Weg war geradliniger. Ich war bei der Gründungsmannschaft der Zeitung Der Standard dabei und konnte dort einen eigenen Stil entwickeln. Dabei war es mir immer wichtig, dass ich von den Lesern verstanden werde. Das ist mir auch bei meinen Büchern wichtig. Ich schreibe nie allein für mich, sondern habe immer ein Publikum vor Augen. Der Schriftsteller T.C. Boyle, der an amerikanischen Universitäten auch Workshops für angehende Autoren leitet, meinte einmal, dass Journalisten oft zur Literatur wechseln, weil sie die Nase voll haben, hauptsächlich über die Missstände dieser Welt zu schreiben. War das bei Ihnen auch so?
Da ist auf jeden Fall etwas dran. Ich habe als Journalist auch Gerichtssaal-Reportagen geschrieben und das waren meistens sehr triste Geschichten. Ich kann mir schon vorstellen, dass meine Romane und Theaterstücke im Gegenzug dazu einen positiveren Touch bekommen haben. Jedenfalls suche ich seither in menschlichen Problemen immer auch die komischen Aspekte. Aber das Journalisten-Dasein hängt mir immer noch nach. Wenn ich mich jetzt hinsetze, um mir Themen für einen neuen Roman zu überlegen, fallen mir zwanzig tragische Storys ein und vielleicht eine, bei der ich mir vorstellen kann, sie humorvoll zu schreiben. Sie wurden für „Die Wunderübung“bereits mit Neil Simon verglichen – einem der Meister des amerikanischen Boulevards. Er hat einmal gesagt, dass das Schreiben einer Komödie eine mühevolle Königsdisziplin ist. Viel leichter wäre es, mit Kriminalromanen viel Geld zu verdienen. Würden Ihnen als einstiger Gerichtsreporter Krimis nicht viel leichter?
Ich habe mir schon oft gedacht, dass es gut wäre, einen Krimi-Serien-Helden zu erfinden, über den man dann eine Folge nach der anderen herunterklopfen kann. Aber mir geht es beim Schreiben nicht nur um Geld. Mich interessieren mehr die zwischenmenschlichen Beziehungen, die hoffentlich nicht kriminell enden. Vielmehr interessieren mich Liebesgeschichten, aber inzwischen bin ich in einem Alter, in dem ich nicht mehr mit einem sogenannten „Happy End“auf hören will, sondern das erzähle, was danach kommt. „Die Wunderübung“ist ein gutes Beispiel dafür: Ein Ehekrieg, der trotz angewandter (Hinter-)List nicht als Vernichtungskrieg geführt wird. Man sagt oft, dass Komiker privat eher grantige und manchmal sogar unleidliche Menschen sind. Wie ist das mit Komödien-Autoren?
Ich hoffe, dass ich privat ein umgänglicher Mensch bin. Aber es ist schon was Wahres dran, dass BerufsHumor auch zu einem Zwang werden kann. Als ich noch Kolumnen auf der Titelseite schrieb, war ich immer darauf fixiert, dem politischen Tagesgeschehen lustige Seite abzugewinnen. Damit bin ich meiner Frau oft ziemlich auf die Nerven gegangen. Kabarettisten geht das sicher ähnlich. Die ständige Suche nach dem Lustigen macht ernst und grantig. Gemeinsam ist Kabarettisten und Kolumnisten unter anderem das Aufspüren der innersten Struktur der Gesellschaft und die daraus erfolgende Klage, dass zu wenig „anständige Menschen“in die Politik gehen. Haben Sie je überlegt, selbst politisch tätig zu werden?
Es gibt ja verschiedene Wege, auf die Gesellschaft einzuwirken. Der eine ist „von oben herab“, als Politiker, und ein anderer von „unten hinauf “, als Sozialarbeiter oder Kulturschaffender. Da ich absolut kein Machtmensch und auch kein Kämpfer bin, bin ich lieber ein Autor, der Dinge anbietet und hofft, dass sie angenommen werden. Daneben kann ich mich in meinem Privatbereich sozial engagieren. Aber natürlich wären Politiker wichtig, die sich hinstel- len und sagen: Ich will etwas für unsere Gesellschaft tun und übernehme die Verantwortung. Diese Power traue ich meinem Bruder Niki eher zu als mir. Ich habe ihn ja in Verdacht, dass er einmal in die Politik gehen könnte. Haben Sie eine Erklärung für die um sich greifende PolitikVerdrossenheit?
Das liegt meiner Ansicht nach vor allem daran, dass niemand mehr annimmt, dass Politiker die Wahrheit sagen. Man hört einen Politiker reden und denkt sich bestenfalls: Er meint sicher nicht, was er sagt, aber dafür sagt er es ganz gut. Damit schlägt die Stunde der Populisten. Das ist bei Donald Trump so und von Österreich will ich erst gar nicht reden. Politiker können mit Kritik sowieso nicht souverän umgehen. Und wie geht es Ihnen, wenn Ihre Bücher, ein Stück oder dieser Film kritisiert werden?
Sich den Kulturkritikern zu stellen, ist nie „a gmahte Wiesn“. Aber was den Film „Die Wunderübung“betrifft, so finde ich: er ist gelungen und er gefällt mir! In Berlin wird gerade eine weiteres Buch von mir verfilmt: „Gut gegen Nordwind“– darauf freue ich mich auch schon. Hätten Sie Lust, auch einmal Drehbücher zu schreiben?
Ich würde gerne einmal bei einem Drehbuch mitarbeiten, damit ich lerne, wie man mit den Bildern im Kopf umgeht. Ich schreibe gerne Dialoge und ich liebe die direkte Rede auch in meinen Romanen. Gerade beginne ich einen neuen Roman zu schreiben, in dem wieder viel geredet wird. Aber mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Und im nächsten Herbst kommt ein neues Stück von mir in die Kammerspiele.