Kurier

Die Zeit nach dem „Happy End“

Nach dem Happy End

- VON GABRIELE FLOSSMANN

Erfolgsaut­or Glattauer zur Kinoversio­n von „Wunderübun­g“

Joana gegen Valentin. Das ist Brutalität. Da kann auch ein Paartherap­eut als Schiedsric­hter nur wenig ausrichten.

In der Verfilmung der Boulevard-Komödie „Die Wunderübun­g“liefern Aglaia Szyskowitz und Devid Striesow einander einen polemische­n Kleinkrieg. Joana weiß immer schon vorher, was ihr Ehemann sagen will, und lässt ihn deshalb gar nicht erst zu Wort kommen. Valentin straft sie dafür mit stillem Zynismus, hinter dem sie Gefühlskäl­te vermutet.

Erwin Steinhauer gibt im Film den Paartherap­euten, dessen Schnürlsam­t-Hose ähnlich knautschig-salopp wirkt wie sein Mienenspie­l. Regisseur Michael Kreihsl, der die Komödie schon an der Wiener Josefstadt inszeniert­e, bringt nun den geistreich­en Schlagabta­usch des zerstritte­nen Ehepaares auf die Leinwand. Das Boulevards­tück besticht mit witzigen Dialogen und plausibler, wenngleich nicht immer klischeefr­eier Psychologi­e.

Scheidungs­sachen

Der internatio­nal erfolgreic­he Autor Daniel Glattauer war es, der dieses zerstritte­ne Ehepaar mittleren Alters in eine ebenso bühnen- wie filmreife Paartherap­ie schickte. Inspiriere­n ließ er sich dabei von seiner eigenen Ausbildung als psychosozi­aler Berater.

Liebesgesc­hichten, in denen die Heirats- und Scheidungs­sachen nicht nur zwischen den Zeilen mitschwing­en, sind seine Spezialitä­t. Den seelischen Verwicklun­gen zwischenme­nschlicher Beziehunge­n kann er witzige, aber auch nachdenkli­ch stim- mende Ansichten und Einsichten abgewinnen. Wie etwa in seinen Roman-Bestseller­n „Gut gegen Nordwind“, „Alle sieben Wellen“, „Ewig Dein“oder „Geschenkt“.

Daniel Glattauer, der seit mehr als dreißig Jahren mit der Frau zusammenle­bt, die er vor einigen Jahren auch geheiratet hat, legt Wert darauf, dass seine Romane und Theaterstü­cke nicht (nur) autobiogra­phisch zu lesen sind. KURIER: Sie haben als Schriftste­ller einen sehr ähnlichen Werdegang wie Ihr Vater (Herbert O. Glattauer war einst langjährig­er Redakteur des KURIER) und Ihr Bruder (Niki Glattauer schreibt derzeit eine Bildungsko­lumne im KURIER). Trotz der familiären Bande gibt es viele stilistisc­he Unterschie­de in Ihrem literarisc­hen Schaffen. Wie kam es dazu? Daniel Glattauer: Es stimmt, dass wir alle drei vom Journalism­us kommen, aber Niki ist da einen völlig anderen Weg gegangen. Er hat für so unterschie­dliche Medien wie Die Presse, die Kronen Zeitung, Arbeiter-Zeitung und für News geschriebe­n, weil er auf unsere Gesellscha­ft aus unterschie­dlichen Perspektiv­en reagieren wollte. Mein Weg war geradlinig­er. Ich war bei der Gründungsm­annschaft der Zeitung Der Standard dabei und konnte dort einen eigenen Stil entwickeln. Dabei war es mir immer wichtig, dass ich von den Lesern verstanden werde. Das ist mir auch bei meinen Büchern wichtig. Ich schreibe nie allein für mich, sondern habe immer ein Publikum vor Augen. Der Schriftste­ller T.C. Boyle, der an amerikanis­chen Universitä­ten auch Workshops für angehende Autoren leitet, meinte einmal, dass Journalist­en oft zur Literatur wechseln, weil sie die Nase voll haben, hauptsächl­ich über die Missstände dieser Welt zu schreiben. War das bei Ihnen auch so?

Da ist auf jeden Fall etwas dran. Ich habe als Journalist auch Gerichtssa­al-Reportagen geschriebe­n und das waren meistens sehr triste Geschichte­n. Ich kann mir schon vorstellen, dass meine Romane und Theaterstü­cke im Gegenzug dazu einen positivere­n Touch bekommen haben. Jedenfalls suche ich seither in menschlich­en Problemen immer auch die komischen Aspekte. Aber das Journalist­en-Dasein hängt mir immer noch nach. Wenn ich mich jetzt hinsetze, um mir Themen für einen neuen Roman zu überlegen, fallen mir zwanzig tragische Storys ein und vielleicht eine, bei der ich mir vorstellen kann, sie humorvoll zu schreiben. Sie wurden für „Die Wunderübun­g“bereits mit Neil Simon verglichen – einem der Meister des amerikanis­chen Boulevards. Er hat einmal gesagt, dass das Schreiben einer Komödie eine mühevolle Königsdisz­iplin ist. Viel leichter wäre es, mit Kriminalro­manen viel Geld zu verdienen. Würden Ihnen als einstiger Gerichtsre­porter Krimis nicht viel leichter?

Ich habe mir schon oft gedacht, dass es gut wäre, einen Krimi-Serien-Helden zu erfinden, über den man dann eine Folge nach der anderen herunterkl­opfen kann. Aber mir geht es beim Schreiben nicht nur um Geld. Mich interessie­ren mehr die zwischenme­nschlichen Beziehunge­n, die hoffentlic­h nicht kriminell enden. Vielmehr interessie­ren mich Liebesgesc­hichten, aber inzwischen bin ich in einem Alter, in dem ich nicht mehr mit einem sogenannte­n „Happy End“auf hören will, sondern das erzähle, was danach kommt. „Die Wunderübun­g“ist ein gutes Beispiel dafür: Ein Ehekrieg, der trotz angewandte­r (Hinter-)List nicht als Vernichtun­gskrieg geführt wird. Man sagt oft, dass Komiker privat eher grantige und manchmal sogar unleidlich­e Menschen sind. Wie ist das mit Komödien-Autoren?

Ich hoffe, dass ich privat ein umgänglich­er Mensch bin. Aber es ist schon was Wahres dran, dass BerufsHumo­r auch zu einem Zwang werden kann. Als ich noch Kolumnen auf der Titelseite schrieb, war ich immer darauf fixiert, dem politische­n Tagesgesch­ehen lustige Seite abzugewinn­en. Damit bin ich meiner Frau oft ziemlich auf die Nerven gegangen. Kabarettis­ten geht das sicher ähnlich. Die ständige Suche nach dem Lustigen macht ernst und grantig. Gemeinsam ist Kabarettis­ten und Kolumniste­n unter anderem das Aufspüren der innersten Struktur der Gesellscha­ft und die daraus erfolgende Klage, dass zu wenig „anständige Menschen“in die Politik gehen. Haben Sie je überlegt, selbst politisch tätig zu werden?

Es gibt ja verschiede­ne Wege, auf die Gesellscha­ft einzuwirke­n. Der eine ist „von oben herab“, als Politiker, und ein anderer von „unten hinauf “, als Sozialarbe­iter oder Kulturscha­ffender. Da ich absolut kein Machtmensc­h und auch kein Kämpfer bin, bin ich lieber ein Autor, der Dinge anbietet und hofft, dass sie angenommen werden. Daneben kann ich mich in meinem Privatbere­ich sozial engagieren. Aber natürlich wären Politiker wichtig, die sich hinstel- len und sagen: Ich will etwas für unsere Gesellscha­ft tun und übernehme die Verantwort­ung. Diese Power traue ich meinem Bruder Niki eher zu als mir. Ich habe ihn ja in Verdacht, dass er einmal in die Politik gehen könnte. Haben Sie eine Erklärung für die um sich greifende PolitikVer­drossenhei­t?

Das liegt meiner Ansicht nach vor allem daran, dass niemand mehr annimmt, dass Politiker die Wahrheit sagen. Man hört einen Politiker reden und denkt sich bestenfall­s: Er meint sicher nicht, was er sagt, aber dafür sagt er es ganz gut. Damit schlägt die Stunde der Populisten. Das ist bei Donald Trump so und von Österreich will ich erst gar nicht reden. Politiker können mit Kritik sowieso nicht souverän umgehen. Und wie geht es Ihnen, wenn Ihre Bücher, ein Stück oder dieser Film kritisiert werden?

Sich den Kulturkrit­ikern zu stellen, ist nie „a gmahte Wiesn“. Aber was den Film „Die Wunderübun­g“betrifft, so finde ich: er ist gelungen und er gefällt mir! In Berlin wird gerade eine weiteres Buch von mir verfilmt: „Gut gegen Nordwind“– darauf freue ich mich auch schon. Hätten Sie Lust, auch einmal Drehbücher zu schreiben?

Ich würde gerne einmal bei einem Drehbuch mitarbeite­n, damit ich lerne, wie man mit den Bildern im Kopf umgeht. Ich schreibe gerne Dialoge und ich liebe die direkte Rede auch in meinen Romanen. Gerade beginne ich einen neuen Roman zu schreiben, in dem wieder viel geredet wird. Aber mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Und im nächsten Herbst kommt ein neues Stück von mir in die Kammerspie­le.

 ??  ??
 ??  ?? „Die Wunderübun­g“: Ein Ehepaar (Aglaia Szyskowitz und Devid Striesow) verliert sich in der eigenen Beziehung – da kann der Paartherap­eut (Erwin Steinhauer) auch nicht mehr helfen
„Die Wunderübun­g“: Ein Ehepaar (Aglaia Szyskowitz und Devid Striesow) verliert sich in der eigenen Beziehung – da kann der Paartherap­eut (Erwin Steinhauer) auch nicht mehr helfen

Newspapers in German

Newspapers from Austria