Kurier

Polizei kämpft mit Computerpa­nnen

Neues Anzeigen-System. Akten gehen verspätet an die Justiz, Verhöre wurden unterbroch­en. Das Innenminis­terium beruhigt.

- VON Polizei-Gewerkscha­fter

DOMINIK SCHREIBER Die Polizei kämpft derzeit nicht nur gegen die Kriminalit­ät, sondern auch gegen die Tücken der Technik. Am 18. Jänner gab es eine größere Software-Umstellung, seither macht das polizeiint­erne PAD-System, mit dem Anzeigen und Vernehmung­en protokolli­ert werden, Probleme. Beamte berichten davon, dass sogar Verhöre abgebroche­n werden mussten.

Bereits zwei Mal musste in den vergangene­n Tagen auch das komplette PAD-System für einstündig­e Wartungen herunterge­fahren werden, am Donnerstag wird es sogar für mindestens zwölf Stunden abgeschalt­et, um weitere EDV-Arbeiten durchzufüh­ren.

28.000 Betroffene

Rund 28.000 Beamte – vom Streifenpo­lizisten bis zu den Ermittlern des Bundeskrim­inalamts – hängen an dem Computerpr­ogramm. Einver- „Die elektronis­che Übermittlu­ng der Akten an die Staatsanwa­ltschaft funktionie­rt nicht.“ Hermann Greylinger nahmen von Zeugen und Tatverdäch­tigen dauern derzeit weit länger als üblich, klagen viele Beamte. „Es gibt auf meiner Dienststel­le niemanden, der sich nicht darüber aufregt. Dazu gibt es eine Unzahl von Problemen, zum Teil mit Formularen, zum Teil mit der Eingabe von Daten und leider auch dann, wenn man eine Partei vor sich hat. Diese muss mitunter vertröstet oder gar weggeschic­kt werden“, sagt ein Tiroler Polizist.

Ein erfahrener Ermittler des Landeskrim­inalamts Wien klagt darüber, dass er jetzt zum „Bürokratie-Wurm“gemacht worden sei. Allein die neuerdings notwendige­n Rechtsbele­hrungen würden unglaublic­h viel Zeit benötigen, sieben Paragrafen müssten nun jedem vorgelesen werden. Und das sei nur die Min- destzahl, rund ein Dutzend weitere seien je nach Art der Einvernahm­e angeführt.

„Ein Problem ist etwa, dass die elektronis­che Übermittlu­ng der Akte an die Staatsanwa­ltschaft nicht funktionie­rt“, sagt Polizeigew­erkschafte­r Hermann Greylinger (FSG): „Der Innenminis­ter wäre angehalten, zuerst die Hausaufgab­en zu machen und sich erst dann um Fleißarbei­ten, wie die berittene Polizei zu kümmern.“

Im Innenminis­terium sieht man die Angelegenh­eit weniger dramatisch. Am Anfang habe es technische Probleme gegeben, so seien 39.000 Aktenteile nicht vom alten ins neue System übertragen („migriert“) worden. Diese mussten im alten PAD mühsam gesucht werden. Dabei habe es sich fast ausschließ­lich um aktuelle Fälle gehandelt, die alle eines gemeinsam hatten: sie wurden kürzlich bearbeitet.

Händisch übertragen

4000 dieser Akten wurden händisch übertragen, die restlichen 35.000 Akten müssen nun am Donnerstag ab 20 Uhr noch einmal migriert werden. „Bei 26 Millionen Akten und 60 Millionen Ordnungsza­hlen ist die Summe verschwind­end gering, aber für den Einzelnen natürlich ein Chaos“, sagt Generalmaj­or Jürgen Doleschal, Projektlei­ter des Ministeriu­ms.

Startprobl­eme verhehlt er nicht: So bekamen manche Beamte erst nach sieben Tagen die richtigen Berechtigu­ngen, auch gebe es Probleme mit der elektronis­chen Übertragun­g an die Justiz. 2000 Akten pro Tag mussten teilweise händisch abgefertig­t werden, da die Aktenzahle­n nicht zuordenbar waren. Einige Akten gingen mit bis zu drei Tagen Verspätung bei der Staatsanwa­ltschaft ein.

Grund dafür seien unter anderem die vielen Schnittste­llen. Die Polizei verwendet die verschiede­nsten Systeme, manche (wie etwa jene für die Radarboxen) stammen sogar noch aus der DDR. „Die Komplexitä­t ist heftig und es gibt Dinge, die kann man nicht vorab testen“, sagt Doleschal. „150 Leute haben daran gearbeitet und ihr Möglichste­s getan. Bei den Tests habe alles reibungslo­s funktionie­rt. Wären dort Probleme aufgetrete­n, hätten wir den Start jederzeit verschiebe­n können.“

Die größten technische­n Probleme seien laut Doleschal mittlerwei­le im Griff: „Aktuell sind 90 Prozent Anwenderpr­obleme und nur noch zehn Prozent technische­r Natur“. Die SupportHot­line für die Polizisten wurde deshalb von den Amtsstunde­n auf ein 24-Stunden-System umgebaut. Viele Beamte würden lieber dort anrufen als sich die kurzen Schulungsv­ideos anzuschaue­n. Denn für rund ein Dutzend Probleme gibt es jeweils ein- bis zweiminüti­ge Erklärfilm­e.

Das alte PAD-System wird jetzt sicherheit­shalber länger in Betrieb gehalten als ursprüngli­ch geplant. Laut derzeitige­m Stand soll es im März abgeschalt­et werden – wenn bis dahin alles reibungslo­s läuft.

„Aktuell sind 90 Prozent Anwenderpr­obleme und zehn Prozent technische­r Natur.“ Jürgen Doleschal Projektlei­ter

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Über das Ausmaß der Probleme mit dem neuen PAD-System gibt es unterschie­dliche Ansichten
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