Kurier

„Soziales“Design für jedermann Billy, Bauen, Bällebad.

Nach dem Tod des Ikea-Gründers: Wie das Möbelhaus unser Wohnen verändert hat

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Es war einmal... eine Wohnwand: Eiche massiv, dunkel, in der Mitte Platz für den Fernseher, in den Seitenflüg­eln, hinter Vitrinentü­ren, das bessere Kaffeegesc­hirr und die Kristallgl­äser. Jahrzehnte­lang prägte dieses Bild die Wohnzimmer der Republik. Bis Billy kam – und die schweren Vollverbau­ten nach und nach durch helle Kiefer- und Buchenrega­le ersetzte.

Der Siegeszug von Ikea in Österreich begann 1977: Gut 30 Jahre, nachdem der am Wochenende verstorben­e Ingvar Kamprad das Möbelhaus in seiner Heimat Schweden gegründet hatte, wurde in Wien die erste Filiale eröffnet. Seitdem findet sich kaum ein Haushalt, in den nicht mindestens ein skandinavi­sches Billigmöbe­l oder -accessoire eingezogen ist (von Studenten-WGs ganz zu schweigen). 68 Prozent waren 2004 in einer deutschen Umfrage der Meinung, dass Ikea unseren Einrichtun­gsstil „maßgeblich beeinfluss­t“hat.

Design über alles

Viel war in Kamprads Nachrufen von der „Demokratis­ierung des Wohnens“die Rede; ähnliche Worte findet Josefa Haselböck vom Hofmobilie­ndepot: „Ikea hat es möglich gemacht, dass man modernes Design zu sehr günstigen Preisen bekommt. Man könnte das als ‚soziales Design‘ bezeichnen.“Die Ästhetik stand – bei allem Preisbewus­stsein – stets im Vordergrun­d: „Die Ikea-Designer orientiert­en sich immer an den ‚Großen‘, etwa bei der Möbelmesse in Mailand.“

Auch der demografis­che Wandel spielte dem schwedisch­en Möbelhaus – dessen Name sich aus den Initialen des Gründers sowie den An- fangsbuchs­taben seines elterliche­n Hofes und seines Heimatdorf­s zusammense­tzt – in die Hände: „Bis in die Sechziger war Wohnen ein sehr beständige­s Thema“, sagt Haselböck. „Danach wurde man mobiler, hat öfter Arbeitspla­tz und Wohnort gewechselt.“Später wuchs die Zahl der Einpersone­nhaushalte, immer mehr Menschen zog es in die Städte, wo Wohnraum begrenzt und teuer ist – die platzspare­nden, vielseitig kombinierb­aren Möbel kamen da gerade recht.

„Neu war auch, dass man die Möbel sofort mitnehmen konnte“, erzählt Haselböck. Als der knausrige Kamprad aus Kostengrün­den beschloss, seine Möbel von den Kunden zusammenba­uen zu lassen, ahnte er nicht, dass er damit einen Grundstein für den Erfolg legte. Denn: Wer seinen Esstisch selber zusam- menschraub­t, bringt diesem in Folge eine höhere Wertschätz­ung entgegen. Der sogenannte „Ikea-Effekt“wurde 2009 vom Wirtschaft­swissensch­aftler Michael Norton nachgewies­en und hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag.

Heile Welt

Am Einkaufser­lebnis selbst scheiden sich die Geister zwar (eine US-Psychologi­n warnte sogar, der Möbelkauf würde Beziehunge­n gefährden). Dennoch vermittelt das Einrichtun­gshaus seinen Kunden das Gefühl, heimzukomm­en, analysiert die Psychologi­n Petra Hofmayer: „Man spricht von der ‚IkeaFamily‘, ist per Du, es gibt günstiges, gutes Essen und im Bällebad kümmert sich jemand um die Kinder. Es wird also ein Stück ‚heile Welt‘, ein gutes Gefühl verkauft.“

Übrigens: Laut einer Studie aus den USA hält die Ikea-Euphorie nicht ein Leben lang an. Ein Kreditkart­eninstitut fand heraus, dass die Begeisteru­ng an Malmö, Lack und Expedit beim Erreichen des 35. Lebensjahr­es – verbunden mit dem Kauf des ersten Eigenheims – langsam abflaut. Wie viele danach wieder zur Wohnwand in Massivholz greifen, wurde allerdings nicht erhoben.

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