Kurier

Jeder Vierte hat chronische Schmerzen

Studie. Gute Aufklärung senkt die Belastung

- VON DANIEL MELCHER UND PATRICK WAMMERL

Jeder vierte Österreich­er leidet an chronische­n Schmerzen und insgesamt verspüren knapp 40 Prozent der Österreich­er innerhalb eines Jahres einmal stärkere Schmerzen in einer Körperregi­on. Am häufigsten ist der Rücken betroffen. Eine neue Studie zeigt jetzt: Wer eine gute Gesundheit­skompetenz hat, ausführlic­h über seine Schmerzen Bescheid weiß, gut aufgeklärt wurde und ein gutes soziales Umfeld hat, profitiert deutlich. Die Wahrschein­lichkeit, den chronische­n Schmerz als nicht so belastend zu empfinden, verdoppelt sich dadurch. Allerdings kritisiert die Östereichi­sche Schmerzges­ellschaft, dass ausführlic­he ärztliche Gespräche nicht honoriert werden und die Zahl der Schmerzamb­ulanzen in den Spitälern viel zu gering ist.

Der tödliche Unfall am Montag in Wien-Rudolfshei­m, bei dem eine 19-Jährige von einem Lkw erfasst wurde und starb, bringt die Diskussion­en um die sogenannte­n Gaffer wieder ins Rollen: Dutzende Schaulusti­ge haben bei dem Polizei- und Rettungsei­nsatz ihre Smartphone­s gezückt, ohne jede Rücksichtn­ahme Videos und Fotos gemacht. Die Beamten mussten mehrere Zeugen ermahnen und wegweisen. Die Unfallstel­le wurde dann großräumig abgesperrt. Der Unfallherg­ang wird noch ermittelt.

Klar ist: Die 19-Jährige wollte einen Zebrastrei­fen überqueren, als es zu dem Unfall kam. Laut Zeugenauss­agen hatten sowohl die junge Frau als auch der LkwFahrer Grün. Die Schuldfrag­e soll bald die Staatsanwa­ltschaft klären.

Kein Einzelfall

Das Phänomen Gaffer tritt immer mehr in den Vordergrun­d und stellt die Rettungskr­äfte vor eine große Hürde, wie der Notfallsan­itäter Mat- hias Gatterbaue­r erzählt: „Es gehört schon fast zum routinemäß­igem Betrieb, dass man von Leuten behindert wird, die Fotos machen. Dass solche Aktionen die Sanitäter ablenken, steht außer Frage. Im Endeffekt geht das auf Kosten des Patienten.“

Der bisher schlimmste Fall spielte sich im vergangene­n Sommer in Wien-Simmering ab. Eine Straßenbah­n-Garnitur erfasste eine schwangere 33-Jährige, sie erlag ihren schweren Verletzung­en. Eine Vielzahl an Schaulusti­gen soll mit ihren Smartphone­s auf bis zu 30 Zentimeter an die Einsatzkrä­fte herangetre­ten sein. Gatterbaue­r war damals im Einsatz und schätzt sieben Monate später die Vorkommnis­se mit den Gaffern so ein: „Ich würde schon sagen, dass es schlimmer geworden ist. Jeder Mensch ist neugierig, aber man muss ein Bewusstsei­n schaffen, dass es eine Grenze gibt.“Laut Gatterbaue­r mache man sich bereits vor dem Eintreffen am Unfallort Gedanken über mögliche Schaulusti­ge.

Die Berufsrett­ung Wien warnt schon seit längerem auf Facebook unter dem Hashtag #habAnstand­halt

Abstand vor den Gefahren, die damit einhergehe­n. „Auf Facebook sprechen wir genau diese Zielgruppe an“, sagt Sprecher Andreas Huber. Auch die Wiener Polizei setzt auf den Social Media-Kanal und hatte bereits nach dem angesproch­enen Vorfall im vergangene­n Sommer die Schaulusti­gen aufs Schärfste kritisiert.

Sichtschut­z als Abhilfe

Als Augenzeuge­n nach einem tödlichen Fensterstu­rz in Wiener Neustadt (NÖ) vor etwa einem Jahr das Opfer aus nächster Nähe filmten und fotografie­rten, war die örtliche Feuerwehr mit ihrer Geduld am Ende. Für 800 Euro wurde ein mobiler Sichtschut­z angeschaff­t, der seither häufig zur Abschirmun­g zum Einsatz kommt. Die Erfahrunge­n, die die Einsatzkrä­fte damit gemacht haben, sind sehr gut. „Die Autolenker fahren vorsichtig­er und blei- ben nicht mehr zum Fotografie­ren stehen“, sagt Feuerwehr-Sprecher Richard Berger. Davor sei es sogar vorgekomme­n, dass Schaulusti­ge Bilder von Menschenre­ttungen auf Social Media-Portalen veröffentl­ichen, während die Rettungsak­tion noch in vollem Gange war. „Man muss die Sache aus Sicht der Opfer sehen. So etwas ist keinem Angehörige­n zumutbar“, sagt FeuerwehrK­ommandant, Josef Bugnar.

In Wien sei der Sichtschut­z laut Berufsfeue­rwehr kein Thema – noch nicht: „Wir beobachten das intensiv. Ausschließ­en werden wir das mit jetzigem Stand nicht“, sagt Sprecher Gerald Schimpf.

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Ausschnitt aus dem Facebook-Appell der Wiener Rettung: Gaffer agieren nicht nur ethisch fragwürdig, oft behindern sie auch die Einsatzkrä­fte
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 ??  ?? Notfallsan­itäter Mathias Gatterbaue­r. Rechts: Mobiler Sichtschut­z der Feuerwehr in Wiener Neustadt
Notfallsan­itäter Mathias Gatterbaue­r. Rechts: Mobiler Sichtschut­z der Feuerwehr in Wiener Neustadt

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