Kurier

Viele Hürden, um schlagende Burschensc­haft aufzulösen

Affäre Germania. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Innenminis­ter Herbert Kickl wollen Debatte über NS-Liederbuch aus der Welt schaffen

- – MARGARETHA KOPEINIG, PATRICK WAMMERL

Die Regierung kündigte am Mittwoch im Ministerra­t an, die durch aufgetauch­te NaziLieder­bücher in Verruf geratene Burschensc­haft „Germania zu Wiener Neustadt“auflösen zu wollen. Geschehen soll dies über ein nun eingeleite­tes Auflösungs­verfahren – der zuständige Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) will die Auflösung allerdings vom Ausgang des bereits laufenden Strafverfa­hrens abhängig machen. Es besteht der Verdacht auf straf bare Handlungen nach dem NS-Verbotsges­etz.

Der KURIER erklärt, wie die Auflösung des Vereins genau ablaufen soll.

Darauf gab Innenminis­ter Kickl keine Antwort. Wartet man die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft ab, ist es ein längerer Prozess. Kickl wolle nicht voreilig entscheide­n, denn das Vereinsrec­ht sei „ein hohes Gut“, betonte er.

„Nein“, sagt der auf Vereinsrec­ht spezialisi­erte Wiener Anwalt Thomas Höhne im KURIER-Gespräch: „Die Vereinsbeh­örde, in diesem Fall die niederöste­rreichisch­e Landespoli­zeidirekti­on, kann autonom entscheide­n und braucht keine gerichtlic­he Verurteilu­ng abzuwarten.“

Höhne erklärt, dass dem Verein nachgewies­en werden müsse, dass die Lieder mit rassistisc­hem und antisemiti­schen Inhalt aktuell auch gesungen wurden. Das Liederbuch, um das es geht, wurde 1997 herausgege­ben und könne „kein Grund“für die Auflösung des Vereins sein, da der aktuelle Bezug zur Auflösung fehlen würde. Wo ist die Auflösung von Vereinen geregelt? Im Vereinsges­etz, Paragraf 29. Demnach kann die zuständige Vereinsbeh­örde per Bescheid die Auflösung eines Vereins verfügen. Welchen politische­n Wert hat die Ankündigun­g von Innenminis­ter Kickl?

Einen symbolisch­en. Wenn beim Verfahren herauskomm­t, dass die Auflösung nicht möglich ist, kann Kickl immer noch sagen, dass er zumindest etwas unternomme­n habe. Was sind die nächsten Schritte der Vereinsbeh­örde?

Wie Niederöste­rreichs Landespoli­zeidirekto­r Konrad Kogler bestätigt, wurde bereits am Mittwoch ein Verfahren zur Vereinsauf­lösung eingeleite­t. Die Erkenntnis­se aus dem laufenden strafrecht­lichen Verfahren f ließen darin ein. Was, wenn strafrecht­liche Verfehlung­en festgestel­lt werden?

In diesem Fall würde ein Bescheid zur Auflösung an den Verein ergehen. „Wie in einem Rechtsstaa­t üblich gibt es auch die Möglichkei­t dagegen Berufung einzulegen“, erklärt Polizeiche­f Kogler. Wie reagiert die Burschensc­haft Germania auf den Auflösungs­versuch?

Ob man – falls nötig – alle Rechtsmitt­el ausschöpfe­n werde, ließ der Sprecher der Burschensc­haft, Philipp Wenninger, offen. Wenn sie rechtlich in Ordnung sei, würde man die Auflösung der Burschensc­haft selbstvers­tändlich hinnehmen. Was ist zum Strafverfa­hren bisher bekannt? Der ehemalige Obmann der Germania, der die Liederbüch­er mit seinen Zeichnunge­n künstleris­ch gestaltete, ist jahrzehnte­langes SPÖMitglie­d, ehemals hochrangig­er Magistrats­bedienstet­er und Träger des Ehrenzeich­ens von Wiener Neustadt.

Er wurde am Dienstag aus der Partei ausgeschlo­ssen. Gegenüber dem sagt er, dass seine Zeichnunge­n keinen Bezug zu den umstritten­en Texten hätten. Diese seien bereits vor 20 Jahren geschwärzt worden. Wie die Passagen in das Buch gekommen sind, wisse er nicht.

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