Der Swing der klassischen Bigband-Ära und ein Superstar als Hinterbänkler
Kritik. Eine Formation wie aus der Dinosaurierzeit des Jazz, als Duke Ellington und Count Basie den Takt zum Fingerschnippen und Fußwippen vorgaben. Dass es sowas überhaupt noch gibt: Das Jazz at Lincoln Center Orchestra, sozusagen die Vielharmoniker des Jazz aus New York, waren am Dienstag im Wiener Konzerthaus mit einer Hommage an „Benny Goodman: King of Swing“.
Es war ein Besuch im Musikmuseum mit hohem Spaßfaktor und brillanten Solisten. Seltsam nur: Soviel Understatement von einem Superstar wie Wynton Marsalis erlebt man selten. Der Lordsiegelbewahrer des traditionellen Jazz agierte aus der letzten Reihe als einer von vier Trompetern, kam erst nach 40 Minuten nur für „Life Goes To A Party“von Harry James als Solist und im Trio für das traumverloren präsentierte „Goodbye“von Gordon Jenkins nach vorn – und überließ sonst Victor Goines, Sax und Klarinette, die Rolle des Zeremonienmeisters an der Front.
Superbreitwandsound
Das Intro mit „Don’t Be That Way“stellt von Anfang an klar: Dieser Klangkörper konserviert im Superbreitwandsound mit Präzision und Drive, was in den 30er-Jahren in den USA Furore gemacht hat, als der Jazz den Konzertsaal erobert hat und Benny Goodman 1938 den Swing in die Carnegie Hall brachte.
In kleinerer Besetzung ist u.a. „Sometimes I’m Happy“ und „The Man I Love“in exquisiten Arrangements mit dem großartigen Klarinettisten Ted Nash zu hören. Dann wieder Power-Swing mit Basies „One O’Clock Jump“und Ellingtons g’fühlig präsentiertes „Blue Reverie“.
Weiter geht’s wie beim Wunschkonzert der SwingJazz-Aficionados u. a. mit Goodmans „I’m Coming Virginia“, Ellingtons „Blue Skies“, Jelly Roll Mortons „King Porter Stomp“und – zum Abschluss – Louis Primas „Sing, Sing, Sing“, als Cover von Goodman zum Standard geworden. Eine Überraschung, als Marsalis bei der Zugabe weiter im Hintergrund bleibt und dafür Thomas Gansch ins Rampenlicht holt.