Falscher Geniekult und fehlende Strukturen
Hier hängt die Kultur anderen Bereichen auch fatal hinterher: Das Auftreten als übermächtiger Manager, der sein Team zum Erfolg tyrannisiert, würde in weiten Bereichen des Wirtschaftslebens schlicht als Inkompetenz gewertet werden. In der Kultur, bei Regisseuren, Dirigenten, Starkünstlern, aber vermeint man in derartigem cholerischen Mikromanagement immer noch Spuren von besonderer Genialität zu orten, in denen sich die Gegenüber – Kulturpolitiker, aber auch Schauspieler – gerne sonnen.
Die Debatte zu führen, wie man Kulturproduktion und moderne Menschenführung in Einklang bringt, würde der Kulturwelt überaus guttun. Das könnte sich durchaus auch an künftige Bühnenchefs richten – wird aber hier in der Koppelung an Hartmann unterspielt.
Eine Neuverhandlung der Machtverhältnisse, und insbesondere auch der Frage, wie diese Machtausübung in einem produktiven künstlerischen Prozess aussehen könnte, ist hochaktuell. Hierfür braucht es vor allem auch moderne Strukturen in den Institutionen: Etwa Ansprechpartner, die sich bei Machtmissbrauch rasch an die Seite der Schwächeren stellen können. Erstaunlich in der Burgtheaterdiskussion bleibt, dass sich insbesondere der mächtige und jeden Rückhalts des Publikums sichere Burgadel dem Direktor so unterlegen gefühlt hat, dass erst Jahre später ein Aufbegehren möglich scheint.
Neger sagt man nicht
Der Kulturwelt – und uns allen – wird aber niemand ersparen können, sich auf eine gemeinsame verbale Ebene zu einigen. Was man sagen kann und welche Zoten man reißen sollte, ist vom Gegenüber abhängig und daher auch etwas, das immer wieder neu bedacht werden muss.
Dabei ist es prinzipiell ganz einfach: Sexwitze sind in Ordnung, wenn sie fürs Gegenüber in Ordnung sind; wenn sie kein verbaler Übergriff, sondern eine Pointe sind. Das ist weit weniger schwierig festzustellen, als alle in der beidseitig hysterisch geführten Debatte über politische Korrektheit tun.
Und ja, wenn sich ein Choreograf „Tanzneger“nennt, das lehrte die US-Diskussion über die Selbstaneignung rassistischer Begriffe durch Minderheiten, kann es trotzdem daneben sein, wenn ein nicht Betroffener diese Diktion übernimmt. Kompliziert? Ja. Aber zumutbar.