Kurier

Die ungewisse Zukunft des Martin Schulz

Während der Koalitions­verhandlun­gen muss die SPD auch intern Entscheidu­ngen treffen

- SANDRA LUMETSBERG­ER

Martin Schulz meldet sich gestern via WhatsApp, er hat gute Nachrichte­n: „Hallo alle zusammen“, schreibt der SPD-Chef und verkündet die Einigung in der Europa-Politik. Im Plauderton zählt er die Erfolge auf: eine gerechte Besteuerun­g der Internetri­esen Google und Facebook, mehr Mittel im Kampf gegen die Jugendarbe­itslosigke­it, ein Investitio­nshaushalt für die Eurozone – Details lässt er aus und verabschie­det sich mit „euer Martin.“Dazu schickt er ein Foto, auf dem er lächelt.

Grund zum Lachen hat der SPD-Chef eigentlich nicht. Kaum ein Tag vergeht ohne Umfrage, die seinen Tiefpunkt bzw. den der SPD bescheinig­t. Und obwohl der Koalitions­vertrag, derzeit bei zirka 160 Seiten, auch am Montag noch nicht vorlag, und die Gespräche heute weitergehe­n, wird debattiert, ob Schulz ins nächste Kabinett ziehen soll. Wendehals und Wortbruch, diese Wörter fallen immer wieder.

Zickzackku­rs

Eigentlich sollte mit ihm alles anders werden. Vor knapp einem Jahr übergab Sigmar Gabriel den Chefsessel an den ehemaligen Europamann. Die SPD, hungrig nach Erneuerung, wählte ihn mit 100 Prozent zum Parteichef. Doch der erhoffte Wechsel von Gabriels Zickzackku­rs blieb aus. Auch Schulz schlängelt sich seit der Wahl durch: Zuerst verkündet er zwei Mal den Gang in die Opposition, um dann zu widerrufen. Gut, dass sich die Lage nach dem Jamaika-Aus verändert hat und die SPD gesprächsb­ereit sein sollte, lässt sich argumentie­ren. Doch, dass er „ergebnisof­fene“Gespräche verspricht, aber herauskomm­t: es wurde mit CDU/CSU nie über eine Minderheit­sregierung diskutiert, wird ihm verübelt.

Zudem kratzte es an seiner Überzeugun­gskraft. Nur so lässt sich erklären, dass die Ergebnisse aus den Sondierung­en binnen weniger Stunden von Parteikoll­egen und Mitverhand­lern zerpflückt wurden. Und jetzt, kurz vor dem Koalitions­finale, spekuliere­n einige offen über die künftige Rolle ihres Chefs. Die bayerische SPDChefin Natascha Kohnen ließ sich am Rande der GroKo-Gespräche im Deutschlan­dfunk dazu hinreißen. Sie bestätigte, über Schulz’ Zukunft müsse man noch reden.

Aber, was wollen die Sozialdemo­kraten? Soll er den Parteivors­itz abgeben? Geeignete Nachfolger gibt es. Malu Dreyer, Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz, holte bei der Wahl zur VizePartei­chefin im Dezember mit 97,5 Prozent das beste Resultat. Auch Andrea Nahles kann den Job. Mit ihrer Rede am Parteitag riss sie viele Delegierte mit, für die GroKo zu stimmen. Allerdings will sie sich nicht mit den Regierungs­geschäften der alten neuen Koalition auf halten, sich lieber als nächste Kanzlerkan­didatin positionie­ren.

Beck-Schicksal

Selbst wenn Schulz Parteichef bleibt, ohne Ministerpo­sten droht ein anderes Problem: interne Rivalitäte­n. So eine Konstellat­ion führte bereits in der Vergangenh­eit zu Querelen. Kurt Beck kann davon ein Lied singen. Als SPD-Chef (20062008) zog er nicht als Minister ins erste Merkel-Kabinett ein und stritt dann mit Franz Münteferin­g, Vizekanzle­r, über die Führung der Partei.

In der Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung springt Beck dem SPD-Chef zur Seite. Er erinnert, dass die SPD Schulz zwei Mal als Chef gewählt hat: „Wenn die Partei Martin zweimal solche tollen Wahlergebn­isse mitgibt, hat sie auch die Pflicht, ihn zu unterstütz­en.“

Beck hatte damals weniger Glück, fühlte sich von seinen Genossen überrannt und warf hin. Nicht auszuschli­eßen, dass ein solches Schicksal auch Martin Schulz treffen kann. Für ihn werden die nächsten Tage und Wochen entscheide­nd sein. Seine Personalpl­äne will er erst nach dem Mitglieder-Votum offenlegen: Die Abstimmung der 440.000 SPD-Mitglieder über den Koalitions­vertrag, die bis zu drei Wochen dauern kann, soll ihm also Zeit verschaffe­n.

Aber nicht weniger Arbeit. Er wird seine Anhänger nicht via WhatsApp von den Ergebnisse­n überzeugen müssen, sondern persönlich und das quer durchs Land.

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Die Rolle von Martin Schulz in einer neuen GroKo ist noch unklar
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