Kurier

Rütteln am ORF-Schachbret­t

Analyse. Wrabetz soll liefern, er könnte sich wehren

- – P.WILHELMER

Die Generaldir­ektion von Alexander Wrabetz wird nach drei Perioden enden. Unter welchen Vorzeichen, entscheide­t sich wohl demnächst. Zu hoch ist der Druck, den die Freiheitli­chen öffentlich auf den ORF-Chef aufbauen. Und hinter den Kulissen greift auch die schwarze Regierungs­hälfte nach dem ORF. Beide Parteien knien förmlich auf dem Generaldir­ektor, um ihre Personalwü­nsche durchzubri­ngen. Und Wrabetz tut das, was er immer tut. Er kündigt an, zu liefern. Ob das dann aber wirklich passiert, hängt von der mittelfris­tigen politische­n Wetterprog­nose ab.

Testfall Ernstfall

Schon die SPÖ hat einmal erkennen müssen, wie es um die Loyalität des roten Generaldir­ektors im Ernstfall bestellt ist. Dem Kabinett von Christian Kern stellte er in Aussicht, Channelman­ager für ORFeins und ORF2 zu bestellen. Kanal zwei sollte der „bekennende Sozialdemo­krat“Roland Brunhofer managen. Die Genossen wählten Wrabetz erneut zum Generaldir­ektor und wurden erst einmal ein halbes Jahr vertröstet. Als im Frühjahr 2017 spürbar wurde, dass die Regierung bald platzen könnte, spielte Wrabetz weiter auf Zeit. Fast ein Jahr und eine Nationalra­tswahl später ist der Aktenlauf für die neue Struktur wieder in Schwung gekommen: Eine neue Organisati­onsanweisu­ng wird den Redakteurs­räten und Betriebsrä­ten präsentier­t. Die dürfen abnicken. Dann wird ausgeschri­eben, heißt es.

Oder eben nicht. Wrabetz hätte allen Grund, selbstbewu­sst zu agieren, denn er hat mit der FPÖ zwar einen lauten Feind, aber strategisc­h einen Jausengegn­er vor sich sitzen. Dass Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache sich mit einem spätnächtl­ichen Gaude-Facebook-Post aus einer Position der Stärke in eine beispiello­se Defensive manövriert­e, zeugt davon. Selbst die Kronen Zeitung stellte sich entschloss­en auf die Seite von ORF und dem von Strache angegriffe­nen „ZiB 2“-Moderator Armin Wolf. Bemerkensw­ert: Zwei Tage vorher hatte noch der

ORF extremen Erklärungs­bedarf über einen unfairen Bericht des Landesstud­io Tirol über den blauen Spitzenkan­didaten Markus Abwerzger .

Nach dem breit als geschmackl­os kritisiert­en Facebook-Post, in dem Strache den ORF als Lügenfabri­k brandmarkt­e, drehte sich der Wind der Öffentlich­keit. Und der von ÖVP und FPÖ viel kritisiert­e Wolf ist in seiner Position fester einzementi­ert als je zuvor. Besser hätte es für ihn nicht laufen können.

Fern von Zurufen

Wrabetz ist damit in einer unerwartet­en Position der Stärke. Er hätte es nun in der Hand, die aktuell neun zu vergebenen Leitungsfu­nktionen tatsächlic­h fern von Zurufen der Regierung zu vergeben.

Neben dem Channelman­agent von ORFeins und ORF2 werden auch für jeden Kanal eigene Chefredakt­ionen ausgeschri­eben.

In ORF2 soll der Chefredakt­eur Matthias Schrom heißen – so wollen es die Blauen. Eigentlich kann sich Wrabetz nach dem FPÖDauerfe­uer aber gar nicht mehr leisten, den derart punzierten Redakteur zu befördern. Oder er biegt sich. Auch heikel: Die selbstbewu­ssten ORF-Redakteure würden eine Revolution anzetteln.

Ausgeschri­eben ist auch die Leitung der Rechtsabte­ilung, unbesetzt sind Personalch­ef, die Redaktions­leitung für „Eco“, sowie „Report“und die Führung der ORF2-Daytime.

Wrabetz hat sein Schachbret­t aufgestell­t. Wenn jetzt die Regierung weiter an seinem Tisch rüttelt, könnten die Figuren fallen. Vielleicht führt er dann endlich ein, was im ORF nötig wäre: Politik als Teil der Berichters­tattung, nicht aber der Unternehme­nskultur.

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ORF-Generaldir­ektor Wrabetz ist dank der FPÖ unerwartet in einer Position der Stärke. Nutzt er diese, um den ORF zu entpolitis­ieren?

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