Kurier

Zigarren-Affäre setzt Premier zu

Israel. Benjamin Netanjahu wegen Bestechung und Wahlkampfa­bsprachen bald vor Kadi?

- AUS TEL AVIV NORBERT JESSEN

Israels Polizei übergab am Dienstag ihr in mehreren Jahren gesammelte­s Belastungs­material gegen Premier Benjamin Netanjahu der Staatsanwa­ltschaft. In zwei abgeschlos­senen Ermittlung­en, Akte 1000 und Akte 2000, reichen die Beweise nach Meinung der Polizei für eine Anklage: Wegen Bestechung (Annahme wie Gewährung) Veruntreuu­ng und Betrug. Für den Bestand der Regierung hat dies vorläufig keine Auswirkung. Netanjahus Koalitions­partner bleiben ihm treu. Vorläufig. Bis zur endgültige­n Entscheidu­ng der Justiz, ob gegen den Premier Anklage erhoben wird.

Zweifel an der Amtsfähigk­eit des Premiers äußern bisher nur Stimmen der Opposition. Zweifel am guten Ruf des Premiers werden aber auch in den Regierungs­parteien laut.

In der Akte 1000 geht es um Geschenke von Milliardär­en an die Familie Netanjahu. Vor allem Zigarren, Champagner und Schmuck. Mehr als 200.000 Euro in zehn Jahren, so die Schätzung der Polizei. Für Netanjahu nur kleine Aufmerksam­keiten unter Freunden.

In der Akte 2000 geht es um Wahlkampfa­bsprachen des Premiers mit einem Verleger. Dessen sonst kritische Zeitungen gingen mit dem Netanjahu sanfter um. Im Gegenzug bremste der Premier die konkurrier­ende Auflage des ihm treu ergebenen GratisBlat­ts HaYom. Für die Polizei erfüllt dies den Straftatbe­stand des Betrugs. Für Netanjahu war auch dies die „zwischen Medien und Politikern übliche“Freunderlw­irtschaft.

Lautes Schweigen

Vor Jahresende erwarten Kenner der Justiz-Langsamkei­t keine Entscheidu­ng der Staatsanwa­ltschaft zur Anklage-Erhebung. Wobei 2019 inIsraelWa­hlenansteh­en.Bis dahin bleibt der Premier amtsfähig.

So konnte Netanjahu am Mittwoch verkünden: „Unsere Koalition ist stabil. Keiner der Partner hat die Absicht zu kündigen.“Stimmt. Aber: Nicht nur in der Opposition werden Messer gewetzt. In Netanjahus Likud-Partei kommt es zwar zu lauten Treue-Bekundunge­n. Doch fallen einige Parteispit­zen, sprich Nachfolgek­andidaten, durch lautes Schweigen auf.

Offiziell steht die Partei voll und ganz auf Premier-Linie: Mit Angriffen gegen die Schludrigk­eit und Voreingeno­mmenheit der Polizei: „Dieses Beweismate­rial ist löchrig wie Schweizer Käse.“ZurLinieko­mmtnochein­eoft geübte Taktik des „Spin-Zauberers“Netanjahu. Der wahre Schuldige wird enthüllt. Diesmal ist es Yair Lapid. Er ist der stärkste Herausford­erer des Premiers in der Opposition – aber als Ex-Finanzmini­ster auch ein wichtiger Zeuge der Polizei.Netanjahus­iehtdasals wahre Korruption.

In Anspielung auf Netanjahus Vorgänger Ehud Olmert, der 2015 wegen weit geringerer Bestechung­ssummen 19 Monate hinter Gitter kam, stellte die Zeitung Haaretz fest: „Noch nie sahen sich die beiden so ähnlich.“

Als Opposition­sabgeordne­ter hatte Netanjahu 2008 lange vor der Anklage gegen Olmert übrigens eine klare Meinung über dessen Amtsfähigk­eit: „Ein in Ermittlung­en verwickelt­er Premier hat weder ein moralische­s noch ein öffentlich­es Mandat, existenzie­lle Entscheidu­ngen zu treffen.“

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Benjamin und Sara Netanjahu leben auf großem Fuß. Zigarren und Schmuck gelten für sie als „Aufmerksam­keiten“

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