Manipulation und andere Sorgen: Börsianer kommen kaum zur Ruhe Wie die Politik den Anlegern helfen kann
Aktien-Turbulenzen. War Kurssturz mit Absicht ausgelöst? Hedgefonds wettet 22 Mrd. Dollar gegen Europas Firmen. Forderungen. Weniger Steuern, mehr Wissen
Wurde der Börsen-Ausverkauf in den USA, der weltweit die Aktienkurse ins Rote drehte, durch Manipulation ausgelöst? Das behauptet ein US-Whistleblower. Das „Angstbarometer“VIX der Börse Chicago, das Kursschwankungen misst, könne von Händlern mit komplexen Algorithmen rauf oder runter dirigiert werden.
„Die Turbulenzen an den Finanzmärkten, die amerikanische und ausländische Investoren in der Vorwoche einige Billionen gekostet haben, stammen von einem Fehler in der Marktstruktur, den die gewieftesten Akteure kennen“, heißt es in dem anonymen Schreiben an die US-Börsenaufsicht. Damit würden pro Jahr zwei Milliarden Dollar Gewinne und Verluste verursacht. Durch die dadurch ausgelöste Panik seien die Verluste vervielfacht worden. Eine Sprecherin der Chicagoer Börse ortete in dem Brief „Widersprüchlichkeiten“und Irrtümer über die Funktionsweise des VIX. Die Aufsichtsbehörden kündigten eine Untersuchung an.
Wette gegen Europa
Am Mittwoch setzte es für Anleger weitere schlechte Nachrichten: Die mit Spannung erwartete US-Inflation für Jänner fiel höher aus als prognostiziert. Das schürte Befürchtungen, dass die Notenbank die Zinsen rascher anhebt – was Kredite verteuern und dieKonjunkturdämpfenwürde. Obendrein hatte der USHandel im Jänner überraschendwenigverkauft.Sogar Wiens Leitindex ATX und deutsche DAX sackten kurzzeitig um ein Prozent ab, drehten aber rasch ins Plus.
Ein Profiteur der Turbulenzen dürfte der US-Hedgefonds Bridgewater Associates sein, der offenbar weitere Einbrüche speziell im Euroraum erwartet. Die weltgrößte „Zockerbude“wettet seit Ende Jänner massiv auf fallende Kurse. Alles in allem hat Bridgewater-Gründer Ray Dalio Leerverkäufe (das sind Wetten auf fallende Kurse) um17,6MilliardenEuroplatziert. Und zwar gegen fast 60 Werte, darunter Schwergewichte wie Unilever, Deutsche Bank, Allianz, BASF, Siemens, Unicredit oder Total. In den vergangenen Jahren haben die Regierungen das Thema Kapitalmarkt nicht nur stiefmütterlich behandelt. Mit der Anhebung der Kapitalertragsteuer auf Kursgewinne und Dividenden von 25 auf 27,5 Prozent wurde den Anlegern auch das kleine bisschen Appetit auf Wertpapiere vergällt. Wenn man das Programm der jetzigen Regierung lese, habe man immerhin das Gefühl, „dass Aktien nicht zwingend des Teufels sind“, sagt Christoph Neumayer, Chef der Industriellenvereinigung (IV). Es sollten konkrete Schritte folgen. Dazu haben der IV-Boss und Robert Ottel, Finanzvorstand der Voest und Präsident des Aktienforums, einige Forderungen.
Steuererleichterungen oder Förderungen seien für Anleger wie auch Emittenten Anreize, weiß Ottel. Er tritt daher dafür ein, dass die Erhöhung der Kapitalertragsteuer wieder zurückgenommen wird. Und dass die Spekulationsfrist wieder eingeführt wird. Zur Erinnerung: Früher waren Kursgewinne steuerfrei, wenn zwischen Kauf und Verkauf des Papiers mehr als ein Jahr lag. Jetzt fällt Steuer an, auch wenn das Papier Jahrzehnte gehalten wird. Zumindest für die Pensionsvorsorge sollte es wieder eine Spekulationsfrist geben, meint Ottel. Unternehmen könnte der Staat bei den Kosten helfen, die beim Gang an die Börse entstehen.
Finanzwissen
Anreize sind das eine, Anleger werden sich aber nur locken lassen, wenn es um das Finanzwissen in Österreich besser bestellt ist. „Was helfen die Aufklärungsvorschriften, die die Banken haben, wenn es der Kunde nicht versteht“, so Ottel. Eine Umfrage der Peter Hajek Public Opinion Strategies zeigt einmal mehr: Die Österreicher schätzen ihre Kenntnisse über Veranlagungen an der Börse äußerst mager ein. Jeder Schüler sollte ein Basiswissen in Sachen Wirtschaft und Finanzen vermittelt bekommen, fordern IV-Chef Neumayer und AktienforumPräsident Ottel.