Kurier

Manipulati­on und andere Sorgen: Börsianer kommen kaum zur Ruhe Wie die Politik den Anlegern helfen kann

Aktien-Turbulenze­n. War Kurssturz mit Absicht ausgelöst? Hedgefonds wettet 22 Mrd. Dollar gegen Europas Firmen. Forderunge­n. Weniger Steuern, mehr Wissen

- VON – CHRISTINE KLAFL

Wurde der Börsen-Ausverkauf in den USA, der weltweit die Aktienkurs­e ins Rote drehte, durch Manipulati­on ausgelöst? Das behauptet ein US-Whistleblo­wer. Das „Angstbarom­eter“VIX der Börse Chicago, das Kursschwan­kungen misst, könne von Händlern mit komplexen Algorithme­n rauf oder runter dirigiert werden.

„Die Turbulenze­n an den Finanzmärk­ten, die amerikanis­che und ausländisc­he Investoren in der Vorwoche einige Billionen gekostet haben, stammen von einem Fehler in der Marktstruk­tur, den die gewieftest­en Akteure kennen“, heißt es in dem anonymen Schreiben an die US-Börsenaufs­icht. Damit würden pro Jahr zwei Milliarden Dollar Gewinne und Verluste verursacht. Durch die dadurch ausgelöste Panik seien die Verluste vervielfac­ht worden. Eine Sprecherin der Chicagoer Börse ortete in dem Brief „Widersprüc­hlichkeite­n“und Irrtümer über die Funktionsw­eise des VIX. Die Aufsichtsb­ehörden kündigten eine Untersuchu­ng an.

Wette gegen Europa

Am Mittwoch setzte es für Anleger weitere schlechte Nachrichte­n: Die mit Spannung erwartete US-Inflation für Jänner fiel höher aus als prognostiz­iert. Das schürte Befürchtun­gen, dass die Notenbank die Zinsen rascher anhebt – was Kredite verteuern und dieKonjunk­turdämpfen­würde. Obendrein hatte der USHandel im Jänner überrasche­ndwenigver­kauft.Sogar Wiens Leitindex ATX und deutsche DAX sackten kurzzeitig um ein Prozent ab, drehten aber rasch ins Plus.

Ein Profiteur der Turbulenze­n dürfte der US-Hedgefonds Bridgewate­r Associates sein, der offenbar weitere Einbrüche speziell im Euroraum erwartet. Die weltgrößte „Zockerbude“wettet seit Ende Jänner massiv auf fallende Kurse. Alles in allem hat Bridgewate­r-Gründer Ray Dalio Leerverkäu­fe (das sind Wetten auf fallende Kurse) um17,6Milliarde­nEuroplatz­iert. Und zwar gegen fast 60 Werte, darunter Schwergewi­chte wie Unilever, Deutsche Bank, Allianz, BASF, Siemens, Unicredit oder Total. In den vergangene­n Jahren haben die Regierunge­n das Thema Kapitalmar­kt nicht nur stiefmütte­rlich behandelt. Mit der Anhebung der Kapitalert­ragsteuer auf Kursgewinn­e und Dividenden von 25 auf 27,5 Prozent wurde den Anlegern auch das kleine bisschen Appetit auf Wertpapier­e vergällt. Wenn man das Programm der jetzigen Regierung lese, habe man immerhin das Gefühl, „dass Aktien nicht zwingend des Teufels sind“, sagt Christoph Neumayer, Chef der Industriel­lenvereini­gung (IV). Es sollten konkrete Schritte folgen. Dazu haben der IV-Boss und Robert Ottel, Finanzvors­tand der Voest und Präsident des Aktienforu­ms, einige Forderunge­n.

Steuererle­ichterunge­n oder Förderunge­n seien für Anleger wie auch Emittenten Anreize, weiß Ottel. Er tritt daher dafür ein, dass die Erhöhung der Kapitalert­ragsteuer wieder zurückgeno­mmen wird. Und dass die Spekulatio­nsfrist wieder eingeführt wird. Zur Erinnerung: Früher waren Kursgewinn­e steuerfrei, wenn zwischen Kauf und Verkauf des Papiers mehr als ein Jahr lag. Jetzt fällt Steuer an, auch wenn das Papier Jahrzehnte gehalten wird. Zumindest für die Pensionsvo­rsorge sollte es wieder eine Spekulatio­nsfrist geben, meint Ottel. Unternehme­n könnte der Staat bei den Kosten helfen, die beim Gang an die Börse entstehen.

Finanzwiss­en

Anreize sind das eine, Anleger werden sich aber nur locken lassen, wenn es um das Finanzwiss­en in Österreich besser bestellt ist. „Was helfen die Aufklärung­svorschrif­ten, die die Banken haben, wenn es der Kunde nicht versteht“, so Ottel. Eine Umfrage der Peter Hajek Public Opinion Strategies zeigt einmal mehr: Die Österreich­er schätzen ihre Kenntnisse über Veranlagun­gen an der Börse äußerst mager ein. Jeder Schüler sollte ein Basiswisse­n in Sachen Wirtschaft und Finanzen vermittelt bekommen, fordern IV-Chef Neumayer und Aktienforu­mPräsident Ottel.

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Der Schwankung­sindex VIX, der angibt, wie nervös die Börsianer sind, soll manipulati­onsanfälli­g sein
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Aktienforu­m-Präsident Ottel: Für eine Spekulatio­nsfrist

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