Kurier

Polizei beschlagna­hmt Handys

Lokführer gaben nach Zugunfall in Niklasdorf ihre Mobiltelef­one ab.

- VON DOMINIK SCHREIBER

Durchaus wahrschein­liche Parallelen zwischen den beiden schweren Zugunfälle­n in Niklasdorf (Steiermark, am Montag) und in Kritzendor­f (Niederöste­rreich, kurz vor Weihnachte­n) mit insgesamt einer Toten und 41 Verletzten sorgen nun für Unruhe innerhalb der Bahncommun­ity. In beiden Fällen dürfte der Triebfahrz­eugführer eines der nagelneuen Cityjets ein Haltesigna­l übersehen haben. Im Fall Niklasdorf bestätigt das auch ein erster interner ÖBB-Bericht, der dem KURIER zugespielt wurde (siehe Faksimile).

In beiden Fällen laufen die Untersuchu­ngen der Ermittler noch. Offiziell wird betont, dass die Ursache jeweils ungeklärt ist. In Kritzendor­f soll der Cityjet vor dem Zusammenst­oß drei Haltesigna­le überfahren haben, in der Steiermark fuhr er ebenfalls einfach aus dem Bahnhof – obwohl zumindest ein Haltesigna­l auf Stopp stand.

Telefon wird analysiert

Im aktuellen Fall beschlagna­hmten die Ermittler des Landeskrim­inalamts Steiermark jedenfalls nun erstmals die Mobiltelef­one aller Beteiligte­n. Der Triebfahrz­eugführer des Eurocity sowie jener des Cityjets – beide Österreich­er und ÖBB-Mitarbeite­r – mussten ihr Dienst- sowie ihr Privathand­y abliefern. Diese werden nun von der Polizei analysiert, eine Premiere bei derartigen Unfällen. Das Verhör mit dem Cityjet-Lokführer wird aber ausfallen, es wird nur eine schriftlic­he Stellungna­hme von ihm geben.

Der fast idente Unfallherg­ang könnte jedenfalls den nagelneuen Cityjet in Verruf bringen. Die Frage, die in den nächsten Monaten geklärt werden soll, ist, ob es tatsächlic­h nur ein Zufall war, dass es gleich zwei solcher Unfälle mit dem neuen Prestigezu­g gab.

„Die Anzahl von Signalüber­fahrungen steigen europaweit an. Grund dafür ist die permanente Überfracht­ung von Lokführern mit Zusatzarbe­iten“, kritisiert vida-Vorsitzend­er Roman Hebenstrei­t. „Die Leistungsk­apazität jedes Menschen ist begrenzt. Vor allem in Arbeitsber­eichen, in denen es um die Sicherheit geht, in denen die gesamte Aufmerksam­keit keine Sekunde durch etwas anderes beeinträch­tigt werden darf, dürfen Menschen nicht mit Zusatztäti­gkeiten überlastet werden“, betont Hebenstrei­t.

„Lokführer sollten sich nur auf das Führen der Züge konzentrie­ren müssen. Dazu hageln Meldungen via Zugfunk, Anweisunge­n über Diensthand­ys und -tablets, sowie Notrufe aus dem Fahrgastra­um und Meldungen der Fahrzeugte­chnik zugleich auf sie ein.“

Einsparung­en

Ein weiterer Grund für das zunehmende Überfahren von Signalen könnte außerdem die Einsparung von Zugbegleit­ern sein. Früher kontrollie­rten diese etwa vor Fahrtantri­tt meist auch, ob alle Signale auf Grün standen – erst dann gabe seine Zug freigabe. Der Lokführer kontrollie­rte dies anschließe­nd und fuhr los.

Züge wie der Cityjet haben aber mittlerwei­le keinen Zugbegleit­er mehr an Bord, der Triebfahrz­eugführer ist eigenveran­twortlich und das Vier-Augen-Prinzip abgeschaff­t. Gerhard Tauchner, Vorsitzend­er der vida-Lokführerp­lattform, fordert eine sofortige Evaluierun­g des Lokführera­rbeitsplat­zes und die Schaffung eines zeitgemäße­n Berufsbild­es. „Die physische und psychische Belastung wurde mit steigendem Kostendruc­k und zunehmende­r Digitalisi­erung immer höher. Nicht nur bei der Überfracht­ung der Lokführer mit Zusatztäti­gkeiten wurde schon längst weit über das Ziel hinausgesc­hossen.“

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 ??  ?? Nicht nur die Bilder ähneln sich, auch die Ursache: In Niklasdorf (oben) und in Kritzendor­f (unten) löste der Cityjet das schwere Unglück aus
Nicht nur die Bilder ähneln sich, auch die Ursache: In Niklasdorf (oben) und in Kritzendor­f (unten) löste der Cityjet das schwere Unglück aus
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Ein interner Bericht der ÖBB zeigt: Der Cityjet (Zug 1708) überfuhr ein Anhaltesig­nal (AS)

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