Sicherheit als Privileg reicher Länder
NCAP-Crashtests. Viele Modelle, die bei uns mit fünf Sternen brillieren, erreichen in armen Ländern null Sterne
In Europa hat die Straßenverkehrssicherheit ein sehr hohes Niveau erreicht. Das zeigt sich auch in der Zahl der im Straßenverkehr Getöteten, die etwa in Österreich mit 413 noch nie so niedrig war wie 2017.
Die Basis dafür bilden die hervorragende Notfallversorgung, die vergleichsweise sehr gute Infrastruktur, aber vor allem der hohe technische Aufwand, der in die aktive und passive Sicherheit von Fahrzeugen gesteckt wird, also in Unfallvermeidung und Passagierschutz.
Das hat in Europa eine lange Tradition und ist ein Gemeinschaftserfolg, so waren etwa die Entwicklungen des Altösterreichers Bela Barenyi bei Mercedes rund um eine stabile Karosserie (Knautschzone) ebenso bahnbrechend und erfolgreich wie die Erfindung des Dreipunkt-Sicherheitsgurtes durch den Schweden Nils Bohlin bei Volvo. Auch das Antiblockiersystem (ABS) und später das Stabilisierungsprogramm (ESP) waren europäische Erfindungen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Eine Zäsur fand mit den ersten Euro-NCAP-Crashtests Mitte der1990er-Jahrestatt.Bisdahin testeten die Autohersteller selbst, die EU stand bei Crashtestnormen auch ziemlich am Anfang. Die private Plattform Euro-NCAP Zusatzartikel) dagegen sorgte mit einem besonders fordernden Frontcrashtest mit 64 km/h (die EU schrieb 50 km/h vor) für aufsehenerregende Ergebnisse. Vor allem jene Marken, die relativ weiche Frontpartien hatten, um bei einem Unfall das gegnerische Auto nicht zu stark zu schädigen, sahen sich mit schlechten Euro-NCAP-Werten konfrontiert. Sie mussten durch den großen öffentlichen Druck, den die Euro-NCAP-Ergebnisse hervorriefen, ihre Entwicklungen ändern und entsprechend anpassen.
Doch die neuen sehr steifen Fronten der Autos hatten auch Nachteile: Sie waren im Falle eines Aufpralls für schwache
– Basis –EU
Fahrzeuge, vor allem aber für ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer eine große Gefahr.
Dennoch hielt das EuroNCAP-KomiteeanderCrashtestgeschwindigkeit von 64 km/h fest. Das führte dazu, dass immer mehr Gegenmaßnahmen im Auto nötig wurden. Die Autohersteller erkannten schnell die neue Marktchance und rüsteten die Autos auf. Nur der Fußgängerschutz blieb lange ein Stiefkind. „Wir bauen Autos für Fahrer und nicht für Fußgänger“, antwortete einmal ein Sprecher eines deutschen Autokonzerns auf eine entsprechende Nachfrage des Motor-KURIER. Doch inzwischen hat das Euro-NCAPKomitee durch eine Änderung der Regeln für die Punktewertung auch hier ebenso wie beim Schutz von Kindern im Auto zu entsprechenden Verbesserungen geführt.
Die Zahl diverser piepsender und leuchtender Sicherheitssysteme ist inzwischen so groß, dass sie vielfach von Autofahrern bereits als nervend empfunden werden.
Anders sieht es in weniger entwickelten Märkten aus. NCAP versucht zusammen mit der UNO seit einigen Jahren, auch in Regionen wie Lateinamerika und Indien Autos sicherer zu machen. In Afrika
– Arme Länder
führte NCAP 2017 den ersten unabhängigen Crashtest durch. Die UNO hat zudem in einer Resolution festgelegt, welchen Mindeststandard punkto Sicherheitsausstattung jedes Auto weltweit erfüllen sollte (siehe Zusatzartikel).
Tatsächlich schneiden die meisten Autos, die seit ein paar Jahren in Lateinamerika und Indien nach den NCAPCrashtestanforderungen geprüft werden, mit null Sternen ab. Das bedeutet praktisch null Überlebenschance für Passagiere bei einem Unfall mit mehr als 50 km/h. NCAP kritisiert vor allem, dass es sich dabei oft um Modelle renommierter Autohersteller handelt, die in den USA
– Chancenlos
und Europa die höchsten Sicherheitsstandards erfüllen, in Mexiko oder Indien dagegen nicht einmal einen Airbag haben. Unterstützt werde dies durch das lasche Vorgehen mancher Regierungen, die auf die Autohersteller keinen Druck ausübten, teilweise aus Rücksicht auf deren Produktionsstätten in ihrem Land. Besonders gut sei dies in Mexiko zu beobachten.
Das Argument der Hersteller, solche Systeme würden den Preis für die Kunden zu stark in die Höhe treiben, lässt NCAP nicht gelten. Dass es anders auch geht, zeigen die Ergebnisse etwa mit dem VW Polo sowie dem Toyota Etios in Indien.
– Hoffnung