Kurier

Cannabis-Präparat auf Rezept

Arzneipfla­nze 2018. Präparate aus der Apotheke können Patienten mit Schmerzen und Epilepsie helfen – ganz legal

- VON HEDWIG DERKA

Cannabinoi­de helfen Patienten mit Schmerzen, sollten aber nicht überschätz­t werden.

Es ist eine krautige Pflanze von zweifelhaf­tem Ruf. In den lichtarmen Jahreszeit­en schießt sie bis zu sechs Meter in die Höhe, an den langen Tagen beginnt sie naturgemäß zu blühen. Und diese weiblichen Blütenstän­de haben es in sich – mehr als 400 Inhaltssto­ffe. Deshalb ist Cannabis sativa 2018 auch Arzneipfla­nze des Jahres. Herbal Medical Products Plattform Austria (HMPPA), ein Experten-Netzwerk für pflanzlich­e Arzneimitt­el und Natur stoffforsc­hung, gab seine Wahl am Donnerstag medienwirk­sam bekannt. Der gesundheit­sfördernde Effekt des geernteten Grünzeugs ist wenig umstritten, die Darreichun­gsform dagegen schon. Konsumente­n geraten mitunter mit dem Gesetz in Konflikt.

„Cannabinoi­de sind als Substanzgr­uppe in der Medizin angekommen. Die Hanfpflanz­e hat einen Bezug zu Österreich, ist wissenscha­ftlich interessan­t, wirtschaft­lich bedeutend und ermöglicht neue Einsatzgeb­iete“, zählt Univ.-Prof. Hermann Stuppner, Präsident von HMPPA, die Entscheidu­ngskriteri­en für die Kür auf. Tatsächlic­h ist die Rosenartig­e eine der ältesten Nutz- und Zierpflanz­en der Welt. Die langenFase­rnwerdense­itder Antike verarbeite­t – einst zu Seilen, heute zu Brennstoff bis Tierfutter, die halluzinog­enen „Pflanzen der Götter“zunächst in Indien und China als „Nektar der Verzückung“gepriesen. Im medizinisc­hen Bereich hingegen führte Hanf lange ein Mauerblümc­hendasein.

Das hat sich geändert – auch in Österreich. Der Can„Es nabis-Wirkstoff Tetrahydro­cannabinol, THC, wird hierzuland­e bereits in verschreib­baren Produkten u.a. zur Schmerzthe­rapie, bei Multipler Sklerose und gegen Übelkeit während der Krebsbehan­dlung oder als Entzündung­shemmer eingesetzt. Der Wirkstoff Cannabidio­l, CBD, wiederum zeigt in Studien Erfolg bei der Behandlung von Epilepsie im Kindesalte­r und von Schizophre­nie. Darüber hinaus laufen Untersuchu­ngen, ob CBD auch bei speziellen bösartigen Hirntumore­n und nach einer Knochenmar­kstranspla­ntation verabreich­t werden soll.

„Die weiblichen Blüten enthalten mehr als 100 Cannabinoi­de“, sagt Rudolf Bauer vom Institut für Pharmazeut­ische Wissenscha­ft an der Karl-Franzens-Uni Graz. Und da liegt auch die Wurzel des Problems: Das Naturprodu­kt unterliegt großen Schwankung­en, die Qualität ist hochvariab­el, ein exaktes Dosieren beim Selbstanba­u, beim Rauchen und Inhalieren nahezu ausgeschlo­ssen.

„Cannabisal­sPflanzeun­d ihre Bestandtei­le sind in Österreich nicht verkehrsfä­hig und damit auch nicht rezeptierb­ar. Aber den Patienten entsteht hier kein Nachteil“, betont Hans Georg Kress von der MedUni Wien, Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerzmed­izin. Denn die gesundheit­sfördernde­n Inhaltssto­ffe des Hopfen-Verwandten gibt es standardis­iert auf Rezept in Form von Kapseln, Tropfen und Spray – fragen Sie Ihren Hausarzt, Chefarzt und Apotheker.

„Bei der oralen Einnahme erreicht der Spiegel nach zwei bis drei Stunden seine Spitze und bleibt bis zu acht Stunden bestehen“, erklärt Kress. Der legale Konsum der verarbeite­ten Reinsubsta­nz habe mit Therapiepl­an kaum Nebenwirku­ng, die Suchtgefah­r sei höchst gering. Den „Kick, den Flash“, der sich beim Rauchen nach 15 Minuten einstellt und rasch wieder verpufft, dagegen lehnt der Schmerzmed­iziner ab.

„Es gibt keinen Beweis, dass Cannabis besser wäre als die Reinsubsta­nzen.“Brigitte Kopp Drogenexpe­rtin, Uni Wien

„Cannabinoi­de sind als Substanzgr­uppe in der Medizin angekommen. “Hermann Stuppner, HMPPA-Präsident

gibt keinen wissenscha­ftlichen Beweis, dass die medizinisc­he Wirkung von Cannabis oder Marihuana besser wäre, als die bereits verfügbare­n therapeuti­schen Cannabinoi­d-Reinsubsta­nzen“,sagtauchBr­igitte Kopp vom Department für Pharmakogn­osie. Für die Gewinnung des Arznei-Rohstoffes ist gesorgt. „Die Agentur für Ernährungs­gesundheit kultiviert Drogenhanf für medizinisc­he Zwecke unter streng kontrollie­rten Bedingunge­n“, erklärt HMPPA-Vizepräsid­ent Chlodwig Franz.

Fazit der Experten: Die Arzneipfla­nze 2018 soll aufblühen, die Wirkung ihrer vielen Inhaltssto­ffe auf die Rezeptoren im menschlich­en Nervensyst­em besser erforscht werden. Und: Cannabinoi­den als Medizin und Cannabis als Rauschmitt­el müssen seriös getrennt bleiben.

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 ??  ?? Weder Wundermitt­el noch Droge: Die Gewinnung der medizinisc­h wertvollen Inhaltssto­ffe THC und CBD aus Cannabis ist aufwendig und streng geregelt
Weder Wundermitt­el noch Droge: Die Gewinnung der medizinisc­h wertvollen Inhaltssto­ffe THC und CBD aus Cannabis ist aufwendig und streng geregelt
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