Auslandspolen zum Denunzieren aufgerufen
Die Regierung in Warschau fordert polnische Verbände auf, „Verleumdungen“zu melden
Polen im Ausland sollen den guten Namen ihres Heimatlandes bewachen und Schmähungen melden. Das ist die Idee von Stanislaw Karczewski, Mitglied der rechts nationalen Regierung spart ei Pi S sowie Präsidentder Zweiten Parlaments kammer .„ Aussagen, die den guten Ruf Polens verletzen“, sollen an diplomatische Vertretungen weitergegeben werden, heißt es in einem von Karczewski unterzeichneten Brief an Organisationen von Auslandspolen, „Polonia“genannt. Das Schreiben wurde u.a.aufd er Homepage der polnischen Botschaft in Wien veröffentlicht.
Hintergrunds ind Gesetzesänderungen, die seit EndeJänn er international für Wirbel sorgen. Demnach kann die Verwendung des Ausdrucks„ polnische Todes lager“für NS-Konzentrationslager wie Auschwitz mit drei Jahren Haft geahndet werden. Zudem darf dem polnischen Volk keine Teil schuld am Holocaust angelastet werden, wogegen Israel scharf protestiert. Das Gesetz tritt Ende Februar in Kraft.
Große Diaspora
Die Polonia wird auf etwa 18 bis 20 Millionen Menschen in aller Welt geschätzt, in Österreich leben rund 60.000 Personen polnischer Herkunft (in Polen selbst leben knapp 40 Millionen Menschen). Von besonderer Bedeutung ist die Polonia in den USA (neun Millionen), welche als besonders konservativ gelten. Sie werden oft von Politikern des konser vativen bis rechten Spektrums aktiviert, wenn es um eine nationale Frage geht – wie eben jetzt.
DochvieleAuslandspolen wollen sich nicht instrumentalisieren lassen. In einem offenen Brief lehnen es mehr als 20 polnische Gruppen, etwa in den USA und Deutschland, ab, Karczewskis Aufforderung Folge zu leisten.
„Mich entsetzt es, aber es überrascht mich nicht mehr“, kommentiert der seit 2007 in Wien lebende Pawel Kaminski den Brief und spricht von „national-konservativer Paranoia“. Mit dem Schreiben würden die Gräben zwischen Polen und der EU bzw. weiteren Ländern wie USA, Ukraine oder Israel noch tiefer, sagt der polnische-stämmige Programm koordinator von Radio Orange 94.0 zum KURIER .„ Dass man die jahrelang aufgebautenBeziehungen so fahrlässig ruiniert, macht mir Sorgen.“
Die polnische Gesellschaft sieht Kaminski als „alles andere als vereint. Viele Beobachter sprechen mittlerweile von zwei Stämmen, die ein Land bewohnen und zufällig die gleiche Sprache sprechen“.
Deutungshoheit
Die Regierung in Warschau sieht in dem Ausdruck „polnische Todeslager“eine böswillige Kampagne, die gegen Polen gerichtet sei. Dabei ist die in Medien genutzte Wendung meistens geografisch, nicht politisch gemeint.
Der auch im Internet geführte „Kampf um die Wahrheit“führt mittlerweile dazu, dass man in polnischen Geschäften T-Shirts mit dem Tor von Auschwitz und der Aufschrift „German Death Camps“(Deutsche Todeslager) kaufen kann.
Die Kampagne richtet sich jedoch nicht allein gegen ausländische Medien. Wie Senatspräsident Karczewski Anfang Februar erklärte, ist die Aktion auch ein „getarnter Appell an die Opposition“. Will heißen: Die Opposition sparteienha ben angesichts der Bedrohungaus dem Ausland die Regierung zu unterstützen.
Um die Dimension des polnischen Antisemitismus während des Zweiten Weltkrieges einzuordnen, will Premierminister Mateusz Morawiecki nun die Fälle zählen lassen, in denen Polen Juden im Zweiten Weltkrieg beiden deutschen Besatzern denunziert hatten. Das kündigte er gestern gegenüber der deutschen Zeitung Die Welt an.