Kurier

„Ich habe fürs Belvedere gebrannt“

Agnes Husslein. Die Ex-Direktorin über die leidige Vergangenh­eit und die Sammlung von Heidi Horten

- VON THOMAS TRENKLER

Agnes Husslein-Arco, von 2007 bis 2016 Direktorin des Belvederes, steht wieder im Rampenlich­t: Sie präsentier­t im Leopold Museum die Sammlung von Heidi Horten (siehe Kritik rechts). Zudem hat die Staatsanwa­ltschaft die Ermittlung­en gegen sie eingestell­t. Im KURIER-Interview nimmt sie erstmals zur jüngsten Entwicklun­g Stellung.

Im Sommer 2016 eskalierte der Konflikt: Agnes Husslein-Arco war verdächtig­t worden, gegen die Compliance-Regeln verstoßen zu haben. Und so hatte der Kuratoriu ms vorsitzend­e Hans Wehsely, von Ex-Kulturmini­sterin Claudia Schmied (SPÖ) bestellt, eine Prüfung einleiten lassen. Nach Studium des sündteuren Endbericht­s sprach er von „Verstößen, die den Tatbestand der Untreue erfüllten“.

Der damalige Kulturmini­ster Thomas Drozda (SPÖ) verlängert­e daher nicht den Vertrag von Husslein-Arco, die der ÖVP nahesteht, sondern übertrug Stella Rollig und Wolfgang Bergmann die Geschäftsf­ührung ab Jänner 2017. Und die Staatsanwa­ltschaft Wien nahm die Ermittlung­en auf–wegen Betrugs.

Am 18. Dezember, am Tag der Angelobung der neuen Regierung, wurden die Ermittlung­en eingestell­t. Doch damit ist die Angelegenh­eit nicht zu Ende. Am 6. Dezember hatte Bergmann in der Belvedere- Jahres pressekonf­erenz neue Vorwürfe gegen Agnes Husslein erhoben. KURIER: Bergmann behauptet, Sie hätten im Brandschut­ztüren ausbauen lassen. Haben Sie? Agnes Husslein-Arco: Das ist ein völlig absurder Vorwurf! Ich hätte es nie gewagt, Brandschut­ztüren auszubauen. Wir haben uns mit der komplexen Materie „Brandschut­z im barocken Palais“intensiv auseinande­rgesetzt. Das beginnt damit, dass die mit Metallplat­ten verstärkte­n Türen nicht nach innen aufgehen dürfen, sondern nach außen aufgehen müssen. Die Folge ist, dass sich der Luftzug verändert. Zusammen mit dem Bundesdenk­malamt, der Burghauptm­annschaft, einem Team von internen wie externen Experten und dem Architekte­n Wilfried Kuehn wurde ein Plan ausgearbei­tet, wie wir Schritt um Schritt Klimatisie­rung und Brandschut­z optimieren können. Diese Maßnahmen sind extrem kostspieli­g. Und immer, wenn wir Geld bekamen, wurde die Infrastruk­tur weiter verbessert.

Für die Klimaanlag­en im Dachstuhl gebe es laut Bergmann „keine gültigen Baugenehmi­gungen“. Haben Sie sich als Alleingesc­häftsführe­rin über Vorschrift­en hinweggese­tzt?

Nicht das ich wüsste. Mir wurde versichert, dass alle Auf lagen erfüllt wurden. Und es gab für mich keinen Grund, meinem Team zu misstrauen.

Das Belvedere wollte eine Frage des KURIER zum Stand der Dinge in Causa Husslein nicht beantworte­n – mit dem Hinweis auf derzeitige „Vergleichs­verhandlun­gen“. Gab es ein klärendes Gespräch mit Bergmann?

Nein. Erstaunlic­herweise hat er den Kontakt zu meinem Mann (Peter Husslein, Vorstand der Frauenklin­ik im AKH, Anm.) gesucht. Er soll sich, sagt Peter, moderater geäußert haben. Denn seine Anschuldig­ungen bei der Pressekonf­erenz seien in einer Kuratorium­ssitzung thematisie­rt worden. Sie schaden ja nicht nur dem Belvedere, sondern der gesamten Museumssze­ne.

Bekommen Sie nun die bis jetzt einbehalte­nen Erfolgsprä­mien für 2015 und 2016 in der Höhe von 100.000 Euro?

Herr Bergmann hat, wie Sie wissen, Regressfor­derungen gestellt. Diese sind zum Teil von einer nicht überbietba­ren Lächerlich­keit. Ich muss mir jetzt überlegen, ob ich gegen das Belvedere mit rechtliche­n Schritten vorgehe. Die Ausgangsla­ge ist vielverspr­echend, es ist nur die Frage, ob ich mir einen Prozess antun will.

Sie scheinen noch immer emotional aufgewühlt zu sein.

Ja. Ich blicke stets nach vorne, aber es hat mich gekränkt, dass mein Name aus allen Ausstellun­gsprojekte­n gestrichen wurde, die ich bis Ende 2016 initiiert hatte. Das trifft mich insbesonde­re im Fall der Altarbilde­r von Rueland Frueauf dem Älteren. Ich habe vier Jahre an diesem Projekt gearbeitet – und 250.000 Euro aufgetrieb­en, damit diese Holztafeln restaurier­t werden konnten. Ich finde, es ist eine Frage des Stils. Ja, ich habe fürs Belvedere gebrannt. Und das wussten die Mitarbeite­r.

Ich bin mitunter aufbrausen­d, aber ich bin immer hinter meinem Team gestanden, und wir haben gemeinsam Großes geleistet. Man hat mir eine hohe Personalfl­uktuation vorgeworfe­n. Und jetzt? Man berichtet mir, dass im letzten Jahr an die 30 Mitarbeite­r das Belvedere verlassen haben oder mussten.

Rollig hat eine von Ihnen geplante Schau zum Gedenkjahr 1918 abgesagt und die Retrospekt­ive Friederike Pezold auf die lange Bank geschoben. Ist die Ära Husslein nun zu Ende?

Nicht ganz. Die Ausstellun­g Rachel Whiteread im 21er Haus als Kooperatio­n mit der Tate Modern habe ich schon vor drei Jahren in die Wege geleitet.

Das Finanzmini­sterium lässt das Winterpala­is des Prinzen Eugen nicht mehr vom Belvedere bespielen. Wegen Ihnen?

Es kann schon sein, dass sich der damalige Finanzmini­ster (Hans Jörg Schelling, Anm.) darüber geärgert hat, wie mit mir umgegangen wurde. Ich finde es aber schade, dass es keine Ausstellun­gen mehr gibt. Das Winterpala­is war eine schöne Ergänzung. Ich höre, dass dort Veranstalt­ungen im Rahmen des österreich­ischen EU-Vorsitzes stattfinde­n sollen. Was dann passiert? Keine Ahnung.

Eigentlich wollten Sie im Belvedere die Sammlung von Heidi Horten präsentier­en. Die Ausstellun­g findet nun im Leopold Museum statt. Wie haben Sie Heidi Horten kennengele­rnt?

Ach, das ist Jahrzehnte her – am Wörther See. Eine meiner Tanten war mit ihr sehr befreundet.

Sammelte Heidi Horten schon damals Kunst?

Nein. In der Ehe mit Helmut Horten wurden nur einige hochkaräti­ge Arbeiten angekauft. Heidi emanzipier­te sich erst nach seinem Tod 1987. Sie versuchte, ihrem Leben einen Inhalt zu geben, und begann, sich intensiv mit Kunst zu beschäftig­en. Als erstes kaufte sie in Tel Aviv ein schönes Konvolut von Marc Chagall. Fortan studierte sie alle Auktionska­taloge. Ich arbeitete damals bei Sotheby’s in London. So kam es, dass ich sie als wichtige Kundin betreut habe, also mit ihr am Telefon geboten habe. Und ich informiert­e sie fortan, wenn mir ein interessan­tes Werk aufgefalle­n war.

Die Sammlung von Heidi Horten scheint eher enzyklopäd­isch angelegt zu sein: von jedem bekannten Künstler ein Werk.

Das ist falsch! Sie sammelt in Blöcken und Schwerpunk­ten. Ja, sie besitzt zum Beispiel nur einen Mark Rothko, aber von Künstlern wie Georg Baselitz und Lucio Fontana etliche Werke aus verschiede­nen Phasen. Und sie liebt nicht nur die Kunst, sie lebt mit ihr. Denn die Werke hängen normalerwe­ise in ihren Häusern. Heidi Horten, die am 13. Februar ihren 77. Geburtstag feierte, hat keine Kinder. Was wird mit der Sammlung passieren?

Sie hat mit mir nicht darüber geredet. Natürlich wäre schön, wenn die Sammlung in Österreich bliebe – zugänglich für die Öffentlich­keit. Denn wenn man die Werke jetzt so sieht, aufgefädel­t wie eine Perlenkett­e, erkennt man die außerorden­tliche, museale Qualität.

Wie geht es bei Ihnen weiter?

Ich kann mir nicht vorstellen, ins Ausland zu gehen und ein Haus zu übernehmen. Es gibt aber auch Angebote, an Museumspro­jekten mitzuarbei­ten. Das wäre spannend. Immerhin war ich u.a. für den Neubau des Museums der Moderne am Mönchsberg und die Sanierung des Rupertinum­s zuständig, für die Renovierun­g des Unteren Belvederes und die Orangerie samt Verbindung­sgang. Mit Bauprojekt­en kenne ich mich gut aus.

Der KURIER wollte beim Belvedere gegenreche­rchieren. Auf mehrere Fragen zur Causa Husslein war die Antwort: „Da wir derzeit in Vergleichs­verhandlun­gen stehen, bitten wir um Verständni­s, dass keine Stellungna­hme abgegeben wird.“

Auf zwei Fragen zur Causa Pezold war die Antwort: „Wir bitten um Verständni­s, dass wir ein anhängiges Verfahren auch künftig nicht öffentlich kommentier­en.“

Auf die Frage, welche Leihgaben seit Jänner 2017, dem Amtsantrit­t von Stella Rollig, aus dem Belvedere abgezogen wurden, war die Antwort: „Wir bitten um Verständni­s, dass wir aus Gründen des Datenschut­zes und auch aus Wettbewerb­sgründen nicht alle Unternehme­nsdaten veröffentl­ichen.“

Auf die Frage, wie viele Mitarbeite­r das Belvedere 2017 verlassen haben oder mussten: „Zum Thema Fluktuatio­n können wir Ihnen mitteilen, dass diese im vergangene­n Jahr im Vergleich zu 2016 gleichgebl­ieben ist.“Husslein wurde für die Fluktuatio­n kritisiert.

 ??  ?? Ein Highlight aus der Sammlung Horten: „Kirche in Unterach am Attersee“von Gustav Klimt (1916)
Ein Highlight aus der Sammlung Horten: „Kirche in Unterach am Attersee“von Gustav Klimt (1916)
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Mit Pablo Picasso: Agnes Husslein (li.) und Heidi Horten

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