Harte Kost: Geisterbahn bis Gräuel
Wiener Festwochen. 30 Produktionen um geschürte Ängste, die fragile Demokratie und das Politische im Privaten
Nach harscher Kritik am Angebot der Festwochen im Vorjahr wollte Intendant Tomas Zierhofer-Kin für heuer von 11. Mai bis 17. Juni „ein Programm machen, das nichts Sektiererisches hat“.
Anders gesagt: Es gibt wieder vermehrt Theaterund Musikproduktionen – und vereinzelt auch bekannte Künstler wie Christoph Marthaler, der mit der anarchisch-komischen BeamtenRevue „Tiefer Schweb“in Wien sein wird, Paul McCarthy, der mit einer Preview seines aktuellen Film-Projekts oder die Regisseurin und Choreografin Gisèle Vienne, die mit „Crowd“zu den Kräften der Gruppendymanik bei Wiens größtem Kulturfestival mit einem Budget von 12,5 Mio. Euro vertreten sein werden.
Außerdem gibt’s eher harte Kost: Thematisch im Mittelpunkt stehen die Ängste in unserer Gesellschaft und das fragile Gebilde Demokratie. Es beginnt mit einer Geisterbahnfahrt des Niederländers Dries Verhoeven: „Phobiarama“als „immersive performative Installation“ist ein Spiel „mit unserer Lust am Erschaudern“.
Ein Schwerpunkt ist der griechischen Tragödie gewidmet: der Shooting-Star des deutschen Theaters Ersan Mondtag bearbeitet „Die Orestie“von Aischylos. Und der Koreaner Ong Keng Sen stellt in seiner musiktheatra- lischen Arbeit „Trojan Women“Helena ins Zentrum der Tragödie „Die Troerinnen“von Euripides.
Das Rolandslied, das mittelalterliche, französische Heldenepos rund um die Kreuzzüge Karls des Großen, wird in einer arabischen Version gezeigt – als erste Bühnenarbeit des Ägypters Wael Shawky.
Das KZ Auschwitz wird im Museumsquartier von der Theatergruppe Hotel Modern für die Performance „Kamp“im Miniaturmodell nachgestellt. Zierhofer-Kin: „Und drei Erwachsene werden wie Kriegsberichterstatter oder Menschen, die mit Puppen spielen, diese Puppen bewegen mit Live-Filmen, und uns den Lageralltag von Auschwitz zeigen – ohne Kommentar.“
„Häusliche Gewalt Wien“von Markus Öhrn behandelt das Politische im Privaten, gesellschaftliche Themen in subjektiven Situationen.
„The 2nd Season“ist ein Anarcho-Puppen-Musical für die ganze Familie. Schuberts „Winterreise“der Rahmen zu einem Flüchtlingsstück von Kornél Mundruczó. Und bei der Koproduktion „10000 gestes“von Boris Charmatz entlädt sich in einem „Wimmelbild aus 23 Tänzern“ein Gewitter aus Bewegungen.
Daneben gibt es natürlich auch noch jede Menge Diskurse, Performances, Installationen und das ClubFestival Hyperreality an drei Tagen (24.–26. Mai) im F23 für alle jene, die genau wissen, was gemeint ist, wenn Club Culture angekündigt ist als ein „Ort, an dem gesellschaftliche Zwänge und Mechanismen außer Kraft gesetzt werden und neue Gesellschaften gedacht und erprobt werden können“.