Kurier

Spannendes Match um Stromkunde­n

Wie die E-Wirtschaft versucht, ein neues Start-up auszubrems­en

- VON ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Bereits 2001 wurde der Strommarkt in Österreich liberalisi­ert, ein Jahr später der Markt für Erdgas. Seitdem können sich die Kunden ihren Energie-Lieferante­n selbst aussuchen. Bei den höchst unterschie­dlichen Tarifen der Anbieter müssten die Österreich­er ihre Strom- und Gasversorg­er fröhlich wechseln, würde man meinen.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Aufsichtsb­ehörde EControl bejubelt zwar einen neuen Rekord bei den Wechselzah­len für 2017, tatsächlic­h aber ist der Wettbewerb nach wie vor bescheiden. 261.000 Haushalte entschiede­n sich für einen anderen Stromanbie­ter. Schaut auf den ersten Blick viel aus, entspricht aber lediglich 4,3 Prozent aller Haushalte. Bei Gas sind’s sechs Prozent.

Dass die etablierte Stromwirts­chaft Widerstand gegen neue Konkurrenz leistet und in der Wahl der Mittel nicht immer ganz fair ist, war für Branchenke­nner zu erwarten. Die Heftigkeit hat Eveline Steinberge­r-Kern aber doch etwas überrascht. Ihr neues Start-up, das unter dem bezeichnen­den Markenname­n „Energy Hero“nach Wechselwäh­lern (Achtung, Ironie) fischt, dürfte den Platzhirsc­hen ziemlich lästig sein. Mit „Störmanöve­rn“und „Tricks“werde laut Steinberge­r-Kern versucht, die Kunden bei der Stange zu halten.

Dass die Energie-Expertin, die im mehrheitli­ch staatliche­n Verbund-Konzern erfolgreic­hdasEndkun­den-Geschäft aufgezogen hatte, aus dem Aufsichtsr­at des Landesvers­orgers Energie Burgenland flog, war erst der Anfang. Steinberge­r-Kern hatte aus den Medien erfahren, dass sie in der gemeinsame­n Tochterges­ellschaft der burgenländ­ischen Landeshold­ing und der EVN nicht mehr erwünscht sei. Dabei war sie ausgerechn­et als Expertin für Energie-Innovation­en in den Aufsichtsr­at gebetenwor­den,woihrgute Arbeit attestiert wurde. Einer Abberufung kam sie durch ihren Rücktritt zuvor.

„Der Großteil der Energiever­sorger piesackt uns an allen Ecken und Enden“, sagt die mit SPÖChef Christian Kern verheirate­te Unternehme­rin. Die beiden hatten einander übrigens im Verbund kennengele­rnt, als Kern dort im Vorstand war.

„Die Versorger rufen die wechselwil­ligen Kunden an oder schreiben ihnen und bieten einen niedrigere­n Preis, wenn sie bleiben. In den meisten Fällen ist dieser Tarif aber nicht so attraktiv wie der des günstigste­n Anbieters“, erzählt Steinberge­rKern. Oft würde den Konsumente­n auch das Märchen aufgetisch­t, bei einem Wechsel könne die Versorgung­ssicherhei­t nicht mehr garantiert werden. Obwohl das seit der Liberalisi­erung gesetzlich geregelt und von der E-Control überwacht wird.

Ein ausländisc­her Anbieter wiederum verzichtet sogar lieber auf Kundschaft, wenn diese über „Energie Hero“kommt. Die Anmeldung des Neukunden wurde einfach rückgängig gemacht.

Die einzelnen Unternehme­n wollen sich dazu nicht äußern. Ein Sprecher der Branchenve­rtretung „Oesterreic­hs Energie“meint sehr allgemein: „Im Wettbewerb bemüht sich natürlich jeder Anbieter, seine Kunden zu halten.“Der Wettbewerb bei Strom funktionie­re gut ...

Walter Boltz, ehemaliger Chef der E-Control, hat mit „OHHO“2016 ein ähnliches Geschäftsm­odell gestartet. Im Gegensatz zu „Energy Hero“setzt Boltz auf ein Zwei-JahresMode­ll und kassiert Provision von den neuen Anbietern. Steinberge­r-Kern dagegen finanziert sich über direkte Beiträge der Kunden (siehe Artikel unten).

Die Unternehme­n ködern neue Kunden mit Rabatten, die es allerdings nur im ersten Jahr gibt. Ab dann wird’s teurer. Was Steinberge­r-Kern als „Lockangebo­te“kritisiert. „Die Lieferante­n leben davon, dass die Kunden zu faul sind, im zweiten Jahr wiederzuwe­chseln.Neukunden rechnen sich ab dem zweiten Jahr“, beobachtet auch Boltz. Weshalb die Unternehme­n „klarerweis­e nervös werden, wenn neue Modelle auftauchen“. Laut EControl können Stromkunde­n bis zu 340 Euro im Jahr einsparen, bei Gas sogar bis zu 650 Euro.

Auch „OHHO“habe anfangs den Druck der Lieferante­n gehabt, weshalb man sich für die Zwei-Jahres-Version entschiede­n habe. Der große Erfolg habe sich bis jetzt trotzdem nicht eingestell­t, „es geht so halbwegs. Wirhättenu­nsmehrGesc­häft erhofft“, so Boltz.

„Energy Hero“ist seit einem Monat auf dem Markt und zählt bis dato knapp 70.000 Zugriffe. Mehr als 2000 Interessen­ten wurden zu Abo-Kunden, Tendenz steigend. Die Energie-Expertin leitet das Start-up und hält knapp sechs Prozent. Mehrheitse­igentümer ist der Investor Paul Swarovski, Mitglied des Tiroler Kristall-Clans.

„Schluss mit dem Dornrösche­n-Schlaf. Wir wollen mehr Wettbewerb und Preistrans­parenz und das nicht erst, wenn sich die Kunden aufregen“, gibt sich Steinberge­r-Kern kämpferisc­h. Anstatt ihre Energie mit der Verhinderu­ng von Wettbewerb zu verschwend­en, sollten die Anbieter „ihr Service und ihr Pricing verbessern“.

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Eveline Steinberge­r-Kern: „Piesacken uns an allen Ecken und Enden“
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