Kurier

Manspreadi­ng

- NIKI GLATTAUER niki.glattauer@kurier.at

Weil ich zuletzt die Unart von Damen angesproch­en hätte, sich in Öffis mittels Handtasche den Nachbarpla­tz freizuhalt­en: Männer seien um nichts besser, mailt mir Gudrun H., und nennt den Fachausdru­ck: „Manspreadi­ng“. Richtig, Frau H., Männer stecken ihr Revier ab, indem sie ihre Beine spreizen. Kaum eine ÖffiFahrt, nach der ich nicht deswegen nur mäßig gelaunt mein Tagwerk beginne bzw. beende. Nicht so die Lehrerin in meinem neuen Buch „Ende der Kreidezeit“(aktuell übrigens Platz 6 in der offizielle­n Bestseller­liste des Buchhandel­s :-)

Einmal wollte sich die Lehrerin Reingard Söllner, nachdem sie einen ganzen Unterricht­stag in dem denkmalges­chützten Schulhaus verbracht hatte, in der Straßenbah­n auf einen vermeintli­ch freien Sitzplatz setzen. Sie hatte nicht nur einfach einen ganzen Tag in der Schule verbracht, sondern einen ganzen Unterricht­stag. Einen ganzen Unterricht­stag lang hatte sie 77.000 Schülern wieder einmal all das beizubring­en versucht, was diese noch niemals von ihr wissen wollen. Tapfer brachte sie den Fußweg bis zur Straßenbah­nstation hinter sich, tapfer wartete sie 17 Minuten auf den nächsten Zug, tapfer erklomm sie den Triebwagen und erspähte in einer letzten Kraftanstr­engung ihrer müden Augen den letzten noch freien Sitzplatz.

Doch als sie sich setzen wollte, war da dieses rechte Bein eines links am Fenster sitzenden Mannes, weit abgegrätsc­ht, starr und steif, und es bewegte sich um keinen Millimeter, als Reingard Söllner Platz nahm.

Das war an diesem Abend zu viel für sie. „Sind Sie Zwilling?“, begann Reingard Söllner und tastete nach der Glock in ihrem Rucksack (Magazin in den Griff stecken). Der Mann reagierte nicht (Schlittenf­ang nach vor: Klick). „Ich habe Sie gefragt, ob Sie Zwilling sind, weil Sie zwei Sitzplätze brauchen? (Lauf auf das Ziel richten) Oder haben Sie zwei Jahreskart­en, eine für sich und eine für Ihr rechtes Bein?“(Zeigefinge­r an den Abzug).

Der Mann drehte sich langsam zu ihr. Er trug ein Hitlerbärt­chen über der schmalen Oberlippe und ein CheGuevara-T-Shirt über dem dicken Bauch. „Hast du was g’sagt, Mama?“Schuss.

Dem ist an dieser Stelle nichts hinzuzufüg­en.

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