Peichl & Ironimus: Zwei Mal
Gustav Peichl. Der legendäre Architekt und Karikaturist wird demnächst neunzig. Und hat viel zu erzählen.
Ein berühmter Architekt zu sein, ist eine Sache. Ein berühmter Karikaturist zu sein, eine ganz andere. Um aber ein berühmter Architekt und ein berühmter Karikaturist zu sein, müsste man eigentlich zwei Leben führen. Oder man ist der Peichl, der das alles unter einen Hut bringt. Demnächst feiert der renommierte Architekt Gustav Peichl und der populäre Karikaturist Ironimus seinen 90. Geburtstag. Und blickt auf ein (bis zwei) bewegte Leben zurück.
„Schau, der Ironimus“
„Wenn mich die Leute früher auf der Straße gesehen haben“, erzählt er, „dann haben sie gesagt: ,Schau, der Ironimus’. Heute sagen sie: ,Jö, der Peichl’“. Und das freut ihn, weil er den Beruf des Architekten immer als seine eigentliche Bestimmung gesehen hat.
„Karikaturist bin ich geworden, um mein Architekturstudium zu finanzieren.“ Er konnte schon als Kind gut zeichnen und dachte, dass er nur ein paar Jahre karikieren würde, „daraus sind dann 60 Jahre geworden“, in denen er vor allem für Die Presse, die
Süddeutsche Zeitung und für viele Ironimus-Sendungen
im ORF-Fernsehen tätig war.
Ein Schleichhändler
„Als Wien nach dem Krieg vierfach besetzt war, hab’ ich für amerikanische Zeitungen die dicken Russen gezeichnet, und für die Russen hab ich die Amerikaner gezeichnet. Beide haben sich gefreut, wenn man sich über die anderen lustig macht. Ich war eigentlich ein Schleichhändler, denn die Russen haben mir für meine Zeichnungen Zigaretten gegeben, die ich als Nichtraucher weiterverkauft hab. Und die Amerikaner haben mir Nylonstrümpfe und Getränke gegeben, die ich gegen Lebensmittel eintauschen konnte.“
Sein Pseudonym Ironimus verdankt Peichl einer Karikatur, die er für den KURIER gezeichnet hat. „Der KURIER wurde in der Besatzungszeit von den Amerikanern herausgegeben. Als ich dem damaligen Chefredakteur eine Zeichnung mit russischen Soldaten gebracht habe, hat der mich gefragt, wo ich wohne. Sag ich: im zweiten Bezirk, darauf er: ,Da müssen Sie aufpassen, weil dort sind die Russen, und die reagieren bös auf Karikaturen, die sie selbst betreffen. Sie müssen sich ein Pseudonym zulegen.’ Ich hatte bis dahin als ,Pei’ gearbeitet, nach dieser Warnung hab ich mich ohne viel nachzudenken für Ironimus entschieden.“
Der Tagesablauf der zeichnerischen Doppelbegabung begann sechs Jahrzehnte lang als Ironimus, der im Morgengrauen seine aktuelle Karikatur ablieferte, und ging dann im Atelier als Gustav Peichl mit einem stetig wachsenden Architektenteam weiter.
Liebling Kreisky
Er würde lieber mehr über die von ihm gebauten Häuser reden, ist sich aber bewusst, dass es der Karikaturist ist, der ihm die große Popularität brachte. Weit mehr als 10.000 politische Illustrationen umfasst sein Lebenswerk, wobei „der Kreisky mein liebstes Opfer war“.
Warum der Kreisky? „Es war die Persönlichkeit, das Charisma, das G’sicht, die ganze Erscheinung halt. Einmal rief er mich an und sagte: ,Wie Sie mich heut wieder gezeichnet haben, die Nase, die geschlossenen Augen, die Haare, wirklich großartig.’ Und dann nach einer kurzen Pause: ,Aber es ist alles falsch, was Sie da gemacht haben.’ So war der Kreisky.“