Ein Kurzaufenthalt auf Wolke sieben
Absturz. Nur kurz lag Michael Hayböck auf Medaillenkurs – er wurde Sechster. Gold ging an Favorit Kamil Stoch
Wie groß im österreichischen Skisprungteam inzwischen die Sehnsucht nach Erfolgserlebnissen ist, wurde im ersten Durchgang des Bewerbs auf der Großschanze wieder einmal deutlich. Als Michael Hayböck auf 140 Meter hinunter segelte und souverän die Führung übernahm, fielen einander auf dem Trainerturm die österreichischen Betreuer um den Hals. So euphorisch hat man die Trainer nicht einmal jubeln sehen, als Stefan Kraft im vergangenen Winter in Lahti zwei Mal WMGold gewonnen hatte.
Es sollte dann aber nur ein Intermezzo auf Wolke sieben werden. Eine gute Stunde später wurden die Österreicher schon wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Und der Halbzeitzweite Michael Hayböck war schon wieder auf ein Normalmaß gestutzt. „Aber ich kann nicht unzufrieden sein. Der sechste Rang ist meine beste Platzierung in diesem Winter.“
Kleiner Lichtblick
Das sagt einiges über den IstZustand des österreichischen Skispringens aus. Noch vor Kurzem wäre der Ärger groß gewesen, wenn es bei einem Großereignis nicht mit einer Medaille geklappt hätte. Inzwischen werden auch sechste Plätze bereits als Erfolg verkauft. „Es war der erste Wettkampf in diesem Winter, in dem ich mich gut gefühlt habe“, erklärt Hayböck.
Im Finaldurchgang konnte der Oberösterreicher nicht mehr nachlegen und fiel auf den sechsten Rang zurück.„IchwarbeimAbsprung zu spät, dann haben sich auch noch die Ski überkreuzt. Es war dann nicht mehr möglich“, sagte Hayböck.
Aus österreichischer Sicht war der 26-Jährige der einzige Lichtblick in diesem BewerbaufderGroßschanze. Doppelweltmeister Stefan Kraft („bei Olympia war bisher nicht viel Positives dabei“) ist augenblicklich nur ein Schatten seiner selbst und kam über Rang 18 nicht hinaus. Und die Teamkollegen Clemens Aigner und Manuel Fettner schafften nicht einmal den Sprung in den Finaldurchgang der besten 30.
In dieser Verfassung ist eine Medaille im Mannschaftsspringen am Montag außer Reichweite. Ja, die Österreicher präsentierten sich mit Ausnahme von Hayböck dermaßen schwach, dass sich nun sogar Gregor Schlierenzauer wieder Hoffnungen auf einen Start im Teamspringen machen darf. „Das fühlt sich an wie im letzten Jahr“, schrieb Schlierenzauer jedenfalls auf Facebook. „Bei der WM in Lahti hab’ ich die Großschanze versäumt, weil meine Trainingsleistungen nicht entsprochen haben. Schon zwei Tage später konnte ich im Team eine Bronzemedaille feiern.“
Kein starkes Team
Nach menschlichem Ermessen kann sich diese Geschichte nun in PyeongChang nicht wiederholen. Dafür fehlt den Österreichern ein Springer inÜberform,wieesvoreinem JahrStefanKraftwar.Unddazu sind auch die Konkurrenten viel zu stark:
Denn gleich alle vier Norweger landeten unter den ersten acht.
Der Schlechteste der vier Deutschen war 14.
Und auch die Polen brachtenalleSpringerindieTop20.
Auch auf dem Siegespodest waren die drei Großmächte des Skisprungsports, die übrigens alle von Österreichern betreut werden, vertreten. Und wie so oft war Kamil Stoch der Mann, der nicht zu schlagen war. Der polnische Tournee-Sieger ließ Andreas Wellinger (GER) und Robert Johansson (NOR) hinter sich und feierte den dritten Olympiasieg. „Zum Glück habe ich heute einen richtig guten zweiten Sprung gemacht“, sagte Stoch. „Denn in meinem Kopf ist noch der GedankeanmeinenviertenPlatzauf der Normalschanze herumgegeistert. Das wollte ich unbedingt verhindern.
Stoch hat nun mit Thomas Morgenstern gleichgezogen, der ebenfalls stolzer Besitzer von drei Goldmedaillen ist. Im Gegensatz zum Kärntner hat der Pole alle seine Olympiasiege im Einzel gefeiert.
Österreich droht derweil das schlechteste Olympiaabschneiden Salt Lake City 2002. Damals waren die Skispringer das letzte Mal leer ausgegangen.