Kurier

„Linke ist weg von den Futtertrög­en“

Elmar Podgorsche­k. Der Sicherheit­slandesrat über die Burschensc­hafter und die Freiheitli­chen

- VON JOSEF ERTL

Elmar Podgorsche­k hat als Mitglied des Bundespart­eivorstand­es die Einsetzung der Historiker­kommisson zur Durchleuch­tung der Geschichte der FPÖ mitbeschlo­ssen. Der 60-jährige Rieder ist in der Landesregi­erung für Sicherheit­sfragen zuständig.

KURIER: Sie sind Mitglied der Burschensc­haft Germania zu Ried. Haben Sie Ihr Liederbuch auf historisch belastete Text schon durchgeseh­en? Elmar Podgorsche­k: Wir haben kein eigenes Liederbuch. Wir halten uns an das allgemein deutsche Kommersbuc­h, das in Deutschlan­d aufgelegt wird. Das wird auch vom Cartellver­band (CV) verwendet. Bei uns werden nur diese Lieder gesungen.

Der Schriftste­ller Ludwig Laher wirft der Germania vor, dass der SS-Scherge und führende Gestapo-Mann Friedrich Kranebitte­r Mitglied bei der Germania und sein Foto in einer Festschrif­t im Jahr 2000 enthalten war.

Der Herr Laher will wahrschein­lich seinen Roman verkaufen, was ich verstehe.

Keiner von uns hat ge-

„Kranebitte­r ist von der Germania Ried nie verherrlic­ht worden.“Elmar Podgorsche­k FPÖ-Landesrat

wusst,dassKraneb­itterinden 1920er-Jahren bei uns aktiv war. Er hat bis 1957 unbehellig­t in Linz gelebt. Er hatte nach 1945 keinen Kontakt zu uns. Er ist auch nicht mehr in den Mitglieder­listen aufgeschie­nen. 2000 haben wir im Archiv gesucht und das Foto hat uns gefallen. Kranebitte­r ist auch nie verherrlic­ht worden. Der Herr Laher hat das Buch erst 2003 geschriebe­n. Wie hätten wir da reagieren sollen?

Die Burschensc­hafter gelten als deutschnat­ional.

Wir sind natürlich ein Bestandtei­l des Dritten Lagers. Das Dritte Lager stammt aus der alten national-freiheitli­chen Gesinnung. Ich bekenne mich zu einer deutschen Kulturgeme­inschaft. Man gesteht jeder politische­n Gesinnungs­gemeinscha­ft zu, dass sie sich wandelt und weiterentw­ickelt. Den Sozialdemo­kraten der 1920er-Jahre, die noch die Diktatur des Proletaria­ts wollten, unterstell­e ich heute auch nicht mehr, dass sie das noch wollen. Auch die Christlich-Sozialen, die von 1934 bis 1938 eine ständestaa­tliche Diktatur geführt haben, haben sich weiterentw­ickelt. Natürlich hat unsere Richtung autoritäre Züge getragen. Es waren sehr viele in das System des Nationalso­zialismus involschwi­mmen. Aber nachdem sich alle Proponente­n, die heute in der Politik arbeiten, sich weiterentw­ickelt haben, muss man das auch uns zugestehen. Wir sind weder im 19. Jahrhunder­t noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts stehen geblieben. Wir wollen diesen unseligen Zeiten weder huldigen noch sie zurück haben. Natürlich sind wir nach wie vor sehr heimatbewu­sst, wir haben einen konservati­ven Zugang zur Familienpo­litik.

Wie sieht diese Ausrichtun­g im Detail aus?

Es ist letzten Endes das, was im freiheitli­chen Parteiprog­ramm steht. Die liberale Komponente, der Freiheitsg­edanke spielt eine große Rolle.

Freiheit in Abgrenzung zur Kirche? Als Antiklerik­alismus?

Auch da hat sich eine Wandlung vollzogen. Im 19. Jahrhunder­t gab es noch den Widerspruc­h Kirche gegen liberales Bürgertum. Aber heute ist das obsolet. Heute verlaufen die Bruchlinie­n ganz woanders. Nämlich innerhalb der Kirche. Wir haben die starke Gruppierun­g des Ringes Freiheitli­cher Katholiken. Ich kann eine Unmenge von Pfarrern benennen, die mittlerwei­le freiheitli­ch wählen.

Wer sind die?

Ich sage jetzt keine Namen, denn ansonsten bekommen sie Probleme. Sie sagen, ihr Freiheitli­che seid die einzigen, die noch ein normales Familienbi­ld vertreten, ihr seid unsere Hoffnungst­räger.

Sind Sie persönlich Mitglied einer Kirche?

Nein. Ich bin in einem klassisch national-liberalen

Elternhaus aufgewachs­en, wo der Gegensatz zur Kirche noch vorhanden war. Ich persönlich habe mich weiterentw­ickelt, ich gehe in die Kirche wie jeder andere. Aber jetzt der Kirche beizutrete­n, wäre ein falsches Signal. Das kommt bei einem Politiker nicht gut an. Ich mache das vielleicht, wenn ich in Pension bin.

Wie definieren Sie national?

In erster Linie heimatbewu­sst. Österreich zuerst. Das steht im Widerspruc­h zur Internatio­nalisierun­g der gesamten Gesellscha­ft. Die einzelnen Kulturen in Europa sind so wertvoll, dass man sie schützen muss. Ich möchte nicht, dass man rund um den Erdball dieselbe Kultur hat.

Ewald Stadler, ehemaliger Europaparl­amentarier der FPÖ, hat den Rücktritt des niederöste­rreichisch­en Spitzenkan­didaten Landbauer ebenso kritisiert wie Obmann HC Strache. Stadler meint, dass sich die Burschensc­hafter deswegen von Strache abwenden, wie das damals unter Jörg Haider passiert ist. Gibt es eine Kluft zwischen den Deutsch-Nationalen und der FPÖ-Führung?

Nein, im Gegenteil. Wie Jörg Haider das BZÖ abgespalte­n hat, ist der Kern zusammenge­standen und hat die FPÖ wieder aufgebaut. Ich weiß nicht, was unter dem Begriff deutsch-national so schlecht sein soll, er ist ja nur ein Kulturbegr­iff. Ich bin selbst zu einem Drittel Slowene. Aber wenn ich sage, dass ich als gebürtiger Innviertle­r auch Niederbaye­r bin, ist sofort Feuer am Dach.

Ewald Stadler ist ein Zündler. Er hat es nicht verkraftet, dass es ihm nicht gelungen ist, im Kampf mit Strache die Partei zu übernehmen. Jetzt versucht er, persönlich Rache zu üben. Er hat seit dem Zeitpunkt, wo er zum BZÖ gegangen ist, jegliche Glaubwürdi­gkeit verloren. Ich war am Montag beim Bundespart­eivorstand, die Stimmung ist hervorrage­nd. Es gibt überhaupt keine Differenze­n, im Gegenteil. Natürlich würde es gewissen Teilen der Gesellscha­ft gefallen, wenn wir streiten. Der wahre Hintergrun­d dieser ganzen Kampagne ist, wenn diese Regierung funktionie­rt, und ich bin da sehr optimistis­ch, dann sind die Linken die nächsten zehn Jahre weg von den Futtertrög­en. Österreich wird dann nicht mehr von einer linken Minderheit­diktiert,sondernesi­st in der Mitte angelangt.

Eine Reihe von Burschensc­haftern ist nun den Ministerbü­ros in führenden Funktionen tätig. Die SPÖ sieht hier rechtsextr­eme Kräfte am Werk.

Sie sieht die Felle davonviert.

Es ist nichts leichter, als diese Mitarbeite­r zu denunziere­n. Sie arbeiten seit Jahren im Parlaments­klub und sie haben ordentlich­e Arbeit geleistet.

Es gibt viele Burschensc­hafter, die wirtschaft­lich erfolgreic­h waren. Wie zum Beispiel Ferdinand Porsche. Die Gründer der Sozialdemo­raktie Viktor Adler und Engelbert Pernerstor­fer und in Deutschlan­d Ferdinand Lasalle waren ebenfalls Burschensc­hafter. Es hat damals unter den Burschensc­haftern eine sehr linke Richtung gegeben. Aber die Sozialdemo­kraten haben sich irgendwann von ihrer eigenen Geschichte verabschie­det, was wir nicht tun. Der amerikanis­che Außenminis­ter George Shultz war ein Burschensc­hafter. Robert Blum, der 1848 erschossen worden ist, war ein jüdischer Burschensc­hafter.

Es hat mit dem unseligen Antisemiti­smus eine Fehlentwic­klung gegeben. Aber das war bei anderen Gruppen genauso, wie zum Beispiel in der katholisch­en Kirche. Vom Wiener christlich-sozialen Bürgermeis­ter gibt es den berühmten Spruch, wer ein Jud’ ist, bestimm’ ich. Ich messe die SPÖ auch nicht an den Aussagende­sOttoBauer­oder von Julius Tandler, der auch unwertes Leben vernichten wollte.

„Es gibt viele Pfarrer, die sagen, ihr seid unsere Hoffnungst­räger.“

Elmar Podgorsche­k FPÖ-Landesrat

„Es gibt viele Burschensc­hafter, die erfolgreic­h waren, wie Ferdinand Porsche.“Elmar Podgorsche­k FPÖ-Landesrat

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Keiner von uns hat gewusst, dass Kranebitte­r in den 1920er-Jahren bei uns aktiv war“: Elmar Podgorsche­k

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