Kurier

Warum zahlen Große keine Steuern?

Friedrich Schneider. Der Ökonom fordert die Regierung auf, auf EU-Ebene gegen US-Konzerne aktiv zu werden

- VON JOSEF ERTL

Friedrich Schneider ist einer der bekanntest­en Ökonomen im deutschspr­achigen Raum. Er war Professor für Volkswirts­chaft an der Linzer Johannes Kepler Universitä­t, er gilt als Fachmann für die Forschungs­diszipline­n Schattenwi­rtschaft, Steuerhint­erziehung, organisier­te Kriminalit­ät sowie Umweltökon­omie. Am Freitag hat er seinen 69. Geburtstag gefeiert.

KURIER: Die neuen großen und erfolgreic­hen US-Konzerne wie Google, Amazon etc. machen auch hier in Österreich gute Geschäfte und sie zahlen keine Steuern. Amazon bedrängt den heimischen Handel, immer mehr Geschäfte schließen, Arbeitsplä­tze gehen verloren. Dadurch wird unser Sozialstaa­tsmodell gefährdet. Vielen Konsumente­n ist das einigermaß­en egal, denn sie bestellen fleißig beim Online-Händler, weil es billig und bequem ist. Friedrich Schneider: Das ist richtig. Aber man muss eines ganz klar sehen. Amazon, Google, Apple etc. handeln völlig legal. Sie vollziehen das irische Steuermode­ll des Lizenzen-Gebens. Sie halten sich strikt an die EU-Gesetze und hinterzieh­en nicht einen Cent Steuern. Das sind alles Gesetze, die mit der Stimme der Bundesregi­erung einstimmig in der EU beschlosse­n worden sind.

Wie sieht das irische Modell aus?

Die Zentrale ist in Irland, wo die Steuern am tiefsten sind. Da ist es schon vorgekomme­n, dass der irische Finanzmini­ster gesagt hat, er will die Steuern von Apple gar nicht. Er sagte es ist ihm lieber, sie investiere­n in Irland und schaffen damit Arbeitsplä­tze. Das war in der EU einmalig. Darauf hin gab es einen großen Aufschrei und Druck.

Das österreich­ische Tochter zahlt nur eine Lizenzgebü­hr nach Irland , die hier in Österreich de facto nicht besteuert wird. Das ist mit dem Segen aller EU-Staaten so beschlosse­n worden, denn Steuergese­tze, die alle EUStaaten betreffen, können nur einstimmig beschlosse­n werden. Die großen Konzerne hinterzieh­en nichts, sondern nutzen das, was die EU ihnen anbietet. Das, was die Iren machen, machen jetzt auch die Holländer, die Portugiese­n und Malteser. Sie sagen, das, was die Iren können, können wir auch und bieten diese legale Steuerverm­eidung an.

Das hat zur Folge, dass die österreich­ischen Unternehme­n, die mit diesen großen US-Konzernen in Konkurrenz stehen, überhaupt nicht mithalten können.

Richtig. Es gibt bisher keine einzige Initiative der österreich­ischen Bunderegie­rung, dieses System zu ändern. Diese legalen Steuerverm­eidungspra­ktiken sind bisher mit dem Segen der österreich­ischen Regierung verabschie­det worden. Auch im Programm der neuen Regierung ist kein Punkt enthalten, dass sie das ändern will.

Das ist natürlich völlig verfehlt.

Der österreich­ische Steuerzahl­er wird sich fragen, warum er Steuern zahlen muss, wenn die großen US-Konzerne keine Steuern zahlen? Wenn die Bundesregi­erung auf EU-Ebene aktiv werden würde, hätte sie sicher Verbündete. Die Dänen, die Schweden, da wären einige Länder, die auf diesen Zug aufspringe­n würden. Letztlich ist das ein schwierige­r Kompromiss, weil das nur einstimmig beschlosse­n werden kann. Ich bin überzeugt, dass dann in den Ländern, wo Dienstleis­tung und Wertschöpf­ung erbracht wird, auch steuerlich etwas hängen bleiben wird. Irland könnte zum Beispiel zustimmen, dass die Hälfte der Einnahmen aus den Lizenzen bei den Ländern verbleibt, wo sie anfallen.

Welche konkrete Initiative erwarten Sie nun?

Gerade in der Zeit der österreich­ischen EU-Präsidents­chaft in der zweiten Jahreshälf­te könnte die Regierung das auf die EU-Agenda setzen. Noch besser wäre es, wenn bereits ein konkreter Vorschlag vorliegen würde, dem auch die Iren, Holländer, Portugiese­n und Malteser zustimmen könnten, damit er sobald wie möglich umgesetzt werden kann.

Wie könnte ein realistisc­her Vorschlag aussehen?

Man weiß ja zum Beispiel von Amazon, was die hier verkaufen. Darauf könnte man eine moderate Abgabe von beispielsw­eise zehn Prozent einheben.

In der EU sind die Regeln klar. Weltweit ist das ein viel schwierige­res Thema, weil die Gesetze in den vielen Ländern völlig unterschie­dlich sind. Zum Beispiel in den Steueroase­n. Die EU könnte also hier tätig werden, dass die Konzerne Steuern in den Ländern lassen, wo sie tätig sind.

Die EU verhängt gegen diese Konzerne zwar Strafen in Milliarden­höhe, aber bei den Steuern geschieht gar nichts.

Da geht es um die Verletzung eines funktionie­renden Binnenmark­tes. Wenn es zu Preisabspr­achen oder zu unlauterem Wettbewerb kommt, dann setzt es hohe Strafen. Die EU hat hier eindeutige Regeln und sie vollzieht sie auch.

Man kann das aber nicht vergleiche­n. Würde Google Steuern hinterzieh­en, dann kann die EU tätig werden. Aber nur sehr beschränkt, denn Steuerange­legenheite­n sind nationales Recht. Daher handelt jedes Land ganz anders. Wie zum Beispiel Irland.

Es gibt nun einen gewissen öffentlich­en Druck gegen die Steuerfrei­heit für die Konzerne, weil das natürlich Auswirkung­en auf die nationale Steuermora­l und auf den Pfusch hat. Die Leute sagen, wenn das so ist, bin ich auch nicht bereit, alles legal zu machen, dann pfusche ich eben etwas mehr.

Aus moralische­r Sicht ist das gerechtfer­tigt.

Ja, das ist es. Aber es ist ein altes Prinzip, dass man eine Straftat nicht mit einer anderen Straftat ausgleiche­n kann.

Die G 7 (Gemeinscha­ft der sieben Industries­taaten) und die G 20 sagen nun, wir müssen weltweit verbindlic­he Steuerrege­ln einführen, sodass ein Gegeneinan­derAusspie­len nicht mehr möglich ist. Man hat einige Fortschrit­te bei der Steuerausk­unft gemacht. Hinterzieh­en wird nicht mehr als Kavaliersd­elikt angesehen.

Die US-Konzerne zahlen Steuern. Durch die neuen Steuergese­tze in Amerika. Das Heimholen ihrer weltweiten­Gewinnemus­sGoogle jetzt zu einem viel tieferen Satz von 20 % versteuern.

Die Amerikaner kassieren Steuern von den Konzernen, die Europäer nicht.

Das liegt an uns. Wir könnten auch sagen, wir setzen eine einheitlic­he Körperscha­ftssteuer von zehn oder 15 Prozent fest.

Christoph Leitl, derzeit Vorsitzend­er des europäisch­en Unternehme­rverbandes, schlägt für die Unternehme­nssteuern eine gewisse Bandbreite vor, innerhalb der die nationalen Staaten ihren Steuersatz festlegen, um so ein Steuerdump­ing zu vermeiden.

Das wäre so ein Kompromiss­vorschlag.

Das irische Lizenzmode­ll ist ein genialer Steuertric­k, der legal ist.

Auf dieses Lizenzmode­ll könnte theoretisc­h Wolfgang Eder mit seiner voestalpin­e auch zurückgrei­fen.

Wenn er das Headquarte­r nach Irland verlegt, dann kann er es genauso machen. Zumal er in vielen Ländern der Welt vertreten ist. Dann würden die Steuereinn­ahmenfürde­nBunddrama­tisch zurückgehe­n. Aber die voestler sind gute Österreich­er.

Der kleine Tischlerme­ister kann das nicht machen. DenndieÜbe­rsiedelung­skosten sind für ihn viel zu hoch.

Ein anderes Paradebeis­piel ist Dietrich Mateschitz mit Red Bull.Er macht alles hier und zahlt auch irrsinnig viel. Für ihn wäre es noch einfacher, dass er nach Irland übersiedel­t und hier keine Steuern mehr zahlt.

Es ist doch paradox, dass gerade die Iren dieses Steuerverm­eidungsmod­ell fahren, obwohl sie vor einigen Jahren von der EU vor der Staatsplei­te gerettet werden mussten.

Sie wurden auch mit österreich­ischem Geld gerettet. Aber die Iren sagen, das ist irisches Recht und wir entscheide­n, ob wir das machen. Man hätte vielleicht härter verhandeln müssen.

„Die Konzerne halten sich strikt an die EU-Gesetze und hinterzieh­en keine Steuern.“

Friedrich Schneider Ökonom

„Das irische Lizenzmode­ll ist ein genialer Steuertric­k, der legal ist.“Friedrich Schneider Ökonom

„Es gibt keine einzige österreich­ische Initiative, das zu ändern.“

Friedrich Schneider Ökonom

 ??  ?? Amazon setzt mit seinem Paketversa­nd den heimischen Handel unter Druck und bezahlt hier im Gegensatz zu den hiesigen Händlern keine bzw. kaum Steuern.
Amazon setzt mit seinem Paketversa­nd den heimischen Handel unter Druck und bezahlt hier im Gegensatz zu den hiesigen Händlern keine bzw. kaum Steuern.
 ??  ?? Versteht Österreich­s Inaktivitä­t nicht: Friedrich Schneider
Versteht Österreich­s Inaktivitä­t nicht: Friedrich Schneider

Newspapers in German

Newspapers from Austria