Kurier

Woher kommen Foodtrends?

Lebensstil. Hinter Booms wie Kimchi oder Nordic Cuisine stecken oft Marketing-Strategen. Das hat nicht nur Einfluss auf das Essverhalt­en, sondern auch auf die Psyche.

- VON INGRID TEUFL (TEXT) UND CHRISTA BREINEDER (GRAFIK)

Schwimmen Sie schon auf der Kimchi-Welle mit? Falls nicht, sind Sie nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Der traditione­lle, milchsauer vergorene Chinakohl aus Korea ist längst in Europa angekommen und wer etwas auf sich hält, hat sich selbst an die KimchiProd­uktion gemacht. Hinter der übrigens nichts anderes als die jüngst wiederentd­eckte Kunst des Fermentier­ens steckt.

Wie schaffte es die unspektaku­läre Alltagsbei­lage aus dem fernen Korea auf die Teller trendbewus­ster Mitteleuro­päer und löste damit einen neuen Trend aus? So etwas passiert nicht zufällig. „Ernährungs­trends sind immer eine Antwort auf Sehnsüchte und Wünsche“, sagt Foodtrend-Expertin Hanni Rützler. Kimchi erfüllt also den Wunsch nach einem neuen Geschmack, gepaart mit der Sehnsucht nach exotischen Ländern. Gerade Asien erfüllt diese Bedürfniss­e zwar schon länger, Korea ist aber noch unbeackert. „Die Geschmacks­welten dieser Küche sind ein Schatz, der noch gehoben werden musste.“

Südkoreas Regierung ist wohl nicht ganz unschuldig. Vor zehn Jahren begann sie, viel Geld in die Image-Verbesseru­ng des Landes zu investiere­n – über die Kulinarik. Unter dem Namen „Global Hansik“– Hansik ist der Überbegrif­f der koreanisch­en Küche – wurden Kochschule­n gegründet, in denen traditione­lle Gerichte promotet wurden. Wer ein koreanisch­es Restaurant im Ausland eröffnen wollte, bekam finanziell­e Unterstütz­ung vom Staat und auch Werbe-Spots sollten die Vermarktun­g begleiten. Sogar ein „Forschungs­zentrum zur Globalisie­rung von Kimchi“wurde gegründet.

Hanni Rützler glaubt nicht, dass ein paar Millionen reichen, um einen Trend aufzubauen. „Reines Marketing reicht dafür nicht. Da muss schon ein sehr breiter Prozess aufgesetzt werden.Dasspielts­ichineinem­Zeitraum von fünf bis 15 Jahren ab.“Das gelang etwa mit dem nun bereits lang andauernde­n Trend zur skandinavi­schen Küche. „Daraus ist ein Kulturphän­omen geworden.“

Skandinavi­sches Manifest

Den Anstoß dafür gab 2005 der Nordische Ministerra­t, der grenzüberg­reifend die Zusammenar­beit der skandinavi­schen Länder fördert. Mit einem „Nordic Food Manifest“sollten traditione­lle Lebensmitt­el und Gerichte vermarktet werden. Zwölf Top-Köche unterzeich­neten es. Die Folge war der Siegeszug der „Nordic Cuisine“: Das „Noma“unter René Redzepi in Kopenhagen wurde ab 2010 vier Mal zum besten Restaurant der Welt gekürt, Magnus Nilssons „Fäviken“in der nordschwed­ischen Einschicht reihte sich in die Liste der „Top 50“ein.

Was ein Trend ist, ist freilich eine Definition­sfrage. „Heute redet jeder über Trends – Marketing-Abteilunge­n von Lebensmitt­elproduzen­ten, Werbe-Experten und besonders die Medien“, sagt Rützler. Vieles, das aufpoppt, fällt für sie eher unter die Rubrik kurzlebige­s Phänomen. „Da herrscht ein schnelles Kommen und Gehen. Man muss den richtigen Zeitpunkt erwischen und authentisc­h sein, um mitzuschwi­mmen.“

Das beinhaltet auch Alltagstau­glichkeit, was besonders bei den ebenso weit verbreitet­en Ernährungs­umstellung­en zu beobachten ist. „Wir haben alle klassische­n Diäten durch, egal, ob man Zucker, Fett oder Kohlenhydr­ate weglässt. Für mich zeichnet sich eine Normalisie­rung ab. Das fängt sehr deutlich den Zeitgeist ein.“Es ist keine Überraschu­ng, dass sich seit einigen Jahren Intervallf­asten ganz oben in den Trendliste­n hält. „Normal essen und dazwischen an einigen Tagen bewusst zurückscha­lten: Man sieht diese Methode in den verschiede­nsten Varianten.“

Was kulinarisc­h trendverdä­chtig ist, muss auch individuel­lsein.„Ineinerver­netztenWel­t tauschen sich die Konsumente­n extrem intensiv aus. Außerdem kann man sich übers Essen gut differenzi­eren“, erklärt Rützler. Da hätte das zeitgemäße Frühstück gute Chancen als „heißes Ding“. „Noch nie konnte man so individuel­l und vielfältig in den Tag starten.“Im Zentrum steht jedenfalls Unkomplizi­ertheit und Gemütlichk­eit. Ob dieses „Neue Frühstück“in einer Liga mit „Nordic Cuisine“oder Gemüse spielen wird? Der Faktor Zeit lasse sich nicht umgehen, betont Rützler. „Ob es wirklich ein eigenständ­iger, neuer Trend ist oder lediglich ein Trendphäno­men, werden wir erst in den kommenden Jahren sehen.“

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Ob kurzlebige­s Phänomen oder lang anhaltende­r Trend: Übers Essen kann man sich gut differenzi­eren – und in einer vernetzten Welt sind Trends schnell umsetzbar

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