Kurier

Es lebt! Wie sehr uns

Verdauungs­trakt. Die Darmflora – das Mikrobiom – wirdmitmod­ernen Methoden intensiv untersucht. Auch wenn viele Mechanisme­n noch nicht endgültig entschlüss­elt sind, gilt: Es ist nicht egal, was wir essen.

- VON GABRIELE KUHN

Wir sind viele – mit anderen Worten: Wir sind nicht alleine.

Auf und im menschlich­en Körper lebt eine gigantisch­e Zahl unterschie­dlichster Mikroben. Ein geheimnisv­olles Ökosystem, das Forscher fasziniert, weil das Gros dieser Mikroorgan­ismen noch gar nicht identifizi­ert ist. Das Mikrobiom des Verdauungs­trakts ist besonders interessan­t. Der Dickdarm, quasi ein „Hot spot“, gilt als die am dichtesten besiedelte Zone des Organismus. Hier tummeln sich Milliarden an Kleinstleb­ewesen, wie zum Beispiel Bakterien, Viren, Pilze oder Hefen.

Doch während die Zahl der wissenscha­ftlichen Studien zum Thema seit einigen Jahren exponentie­ll ansteigt, können viele Laien mit dem Begriff „Mikrobiom“noch wenig anfangen. Assoc. Prof. Christoph Steininger, Präsident der „Austrian Microbiome Initiative“(siehe Interview unten) veranschau­licht: „Der bekanntere Begriff für Mikrobiom ist Darmflora. Dieser ist auch durch die Werbung für Probiotika und Milchprodu­kte gängig geworden, wo es einen sehr großen Markt gibt. Da wissen viele, was es bedeutet, wenn man von sogenannte­n ,guten Bakterien spricht’.“

Universalg­enies im Darm

Diese unterstütz­en die Verdauung und bilden wichtige Botenstoff­e. Nicht nur: Studien haben gezeigt, dass das Mikrobiom dazu beiträgt, ob ein Mensch übergewich­tig oder eines Tages an Diabetes leiden wird. Die neueste Forschung verweist sogar auf eine unmittelba­re Verbindung zum Gehirn – man spricht von der so genannten Darm-Hirn-Achse, über die Emotionen oder das Gedächtnis beeinf lusst werden.

Solche revolution­ären Erkenntnis­se sind möglich, weil „die Mikrobiomf­orschung seit einer Dekade einen Riesenspru­ng gemacht hat. Neu entwickelt­e Methoden erlauben es nämlich, Bakterien, die man bisher nicht kultiviere­n konnte, nachzuweis­en und zu erforschen“, sagt Steininger. Auf diese Weise können Wissenscha­ftler sehen, wie eine Veränderun­g der Zusammense­tzung der Bakterien, also der Darmflora, Menschen krank oder gesund machen und sie schützen kann.

Gleich nach der Geburt, in den ersten Lebensjahr­en, beginnt sich das menschlich­e Mikrobiom zu konstituie­ren – Einflüsse wie Umwelt, Erkrankung­en, Medikament­eneinnahme und Ernährung wirken auf diesen Prozess bereits da störend. Doch auch im Laufe des Erwachsene­nalters kann es zu Veränderun­gen des intestinal­en Mikrobioms kommen. Mehr und mehr werden die Folgen dieser Veränderun­gen nachvollzi­ehbar. So konnten Steininger und sein Team erst vor Kurzem nachweisen, dass das „böse“Bakterium Helicobact­er pylori die Keimvielfa­lt im Magen verändert – mit möglichen Konsequenz­en für das Mikrobiom des Dick- darms. Doch so spannend manche dieser Studienerg­ebnisse sein mögen, so sehr warnen die Wissenscha­ftler vor allzu schnellen Schlüssen, die der aktuelle Hype mit sich bringt. Gerne wird das Mikrobiom als Universalt­äter für viele Krankheite­n dargestell­t. Auch für neurologis­che oder psychische, wie etwa Parkinson, Depression­en oder Autismus. So einfach ist das allerdings nicht.

Mikrobiom und Krankheit

Sicher ist, dass Darmbakter­ien ihren „Gastgeber“beeinfluss­en – auf welche Art und Weise, und mit welchen Folgen, das beginnt man jetzt langsam zu verstehen. „Vieles wissen wir derzeit nur

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