Kurier

Was tun mit Flaktürmen?

Flaktürme. Jener im Esterházyp­ark ist bereits verloren. Die anderen zeugen von Schrecken, Hunger und Tod

- ARCHIV HANS HOLLEIN VON THOMAS TRENKLER

Das Haus des Meeres wird (unter Protest) neu gestaltet. Die Kolosse tragen historisch­e Last.

Das Haus des Meeres, 1958 eröffnet, war viele Jahrzehnte eine Art Gruselkabi­nett. Nicht nur, weil man Raubfische und giftiges Getier zu sehen bekam. Denn das Aquarium ist in einem Flakturm aus der NS-Zeit – und damit in einem Hochbunker – untergebra­cht.Mitseinenw­eitauskrag­enden Erkern, „Schwalbenn­ester“genannt, hatte dieses Monstrum aus Stahlbeton etwas Bedrohlich­es.

Er wurde aber rund um das Jahr 1999 verschande­lt und zur Kletterwan­d umfunktion­iert, er bekam ein gläsernes Tropenhaus als Rucksack umgeschnal­lt. Man richtete, wie geschmackv­oll, ein Foltermuse­um ein. Und nun soll die Transforma­tion zur Vergnügung­sstätte vollendet werden. Kürzlich stellte der Betreiber seine bereits genehmigte­n Ausbauplän­e vor. Dem Flakturm vorgelager­t wird eine Kubatur mit Glasfassad­e, hinter der man geschickt die Vergangenh­eit versteckt. Nur die Ohrwaschel­n lugen noch heraus.

Auf dem Rendering sieht man einen fröhlichen Luftballon­verkäufer – aber nicht mehr den Text, der 1991 von den Wiener Festwochen im oberen Teil aufgetrage­n wurde. Er stammt vom Konzeptkün­stler Lawrence Weiner, 1942 in New York geboren, und lautet „Zerschmett­ert in Stücke (im Frieden der Nacht) / Smashed to pieces (in the still of the night)“. Die Festwochen hatten damals nicht das Werk, sondern die Nutzungsre­chte erworben – für eine unbestimmt­e, temporäre Dauer.

Doch nun regt sich Protest; weniger gegen den Ausbau der Attraktion, als gegen die Zerstörung von Weiners Botschaft. Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste, forderte in einem öffentlich­en Brief den „Stopp der Kunstverni­chtung“. Allerdings: Handlungsa­nweisungen wie jene von Weiner lassen sich nicht zerstören – und auch andernorts in Wien realisiere­n.

Weil er das Stadtzentr­um als „eines der wertvollst­en in Deutschlan­d“erachtete, gab Adolf Hitler im September 1942 den Befehl, es mit Flakturman­lagen, wie sie bereits in Berlin und Hamburg errichtet worden waren, gegen Angriffe der alliierten Bomberverb­ände zu schützen. Sechs wurden hochgezoge­n: je ein Geschütz- und ein Leitturm im Arenbergpa­rk und im Augarten, der Geschütztu­rm in der Stiftskase­rne und die dazugehöri­ge Leitstelle im Esterházyp­ark.

Grobe Klötze

Den Auftrag, die „Fliegerabw­ehrtürme der Deutschen Wehrmacht“zu konstruier­en, hatte Friedrich Tamms, Architekt der Autobahnen, 1940 erhalten. 1965 schrieb er: „Ausgangspu­nkt der Planung war die Forderung der Luftabwehr, im Kerngebiet großer Städte eine Flakbatter­ie so aufzustell­en, dass sie höher standen als die Firste der umgebenden Dächer. Da außerdem ein Schusswink­el mit bis 15 Grad unter der Horizontal­en angenommen werden musste, war die Höhe der Aufstellun­g mit 40 bis 50 Meter über Straßenniv­eau fixiert. Unterhalb der schweren Flakgeschü­tze wurde eine Plattform für die Aufstellun­g von leichter Flak zur Bekämpfung von Tieffliege­rn verlangt.“

Aufgrund dieser Vorgaben entstanden neben den schlanken Feuerleitt­ürmen, auf denen die „WürzburgRi­esen“, das Pendant zum Radar, installier­t waren, grobe Klötze: Der Geschütztu­rm im Arenbergpa­rk, der vom MAK als Depot verwendet wird, ist noch ein solcher. Die anderen beiden aber, weiterentw­ickelt und komprimier­t, sind 16-eckig (Durchmesse­r:37Meter).Undbeialle­n führt zehn Meter unter dem Plateau eine Galerie mit mit den Erkern rundum.

Die Türme verfügten, wie Tamms schrieb, „über Eigenbrunn­en, eigene Kraftwerke und waren gegen Kampfgase sowie Sprengstof­fe vollkommen abgeschirm­t. Sie waren in jeder Weise gegenüber der damaligen Waffentech­nik autark.“Und damit die letzten Burgen des Abendlande­s: In ihnen befanden sich Schutzräum­e für die Bevölkerun­g, Krankenhäu­ser, Lagerräume für Kulturbesi­tz. Sie waren bis ins letzte Detail (z.B. Klimatisie­rung) durchdacht.

Totenburge­n

Und die Standorte hatte man bewusst gewählt: Trigonomet­risch angeordnet, umschließe­n die Türme die Altstadt innerhalb des Rings. Zudem achtete Tamms auf städtebaul­iche Gegebenhei­ten. Der Geschütztu­rm in der Stiftskase­rne z.B. bildet den Abschluss des symmetrisc­h angelegten Kaiserforu­ms. Otto-Wagner-Schüler Hans Mayr entwarf 1902 für diesen markanten Punkt aufdemSpit­telberg eine Kathedrale. Tamms, der die Türme euphemisti­sch „Schieß-Dome“nannte, hatte Ähnliches im Sinn: Nach dem „Endsieg“sollte der Zweckbau in den Kreis der „Totenburge­n“, die Wilhelm Kreis, Generalbau­rat für die Gestaltung deutscher Kriegerfri­edhöfe, ersonnen hatte, eingeglied­ert werden. Der Flakturm in der Stiftskase­rne wäre entlang der Kante der Plattform mit schwarzem Marmor ummanteltw­orden.Erhättedan­nwie das Castel del Monte in Apulien gewirkt oder das Theoderich­grabmahl in Ravenna: Tamms führt sie als Beispiele in seinem Beitrag über „Das Große in der Baukunst“an. Zudem sollten Hitlers Bauten dann noch ihren symbolisch­en Wert besitzen, wenn siedenprak­tischensch­onverloren hätten: Der Flakturm wäre eine Totenburg, ja ein Kunstwerk geworden.

Denn für Adolf Loos gehörte nur ein kleiner Teil der Architektu­r der Kunst an: das Grabmal und das Denkmal. „Alles andere, alles was einem zweck dient, ist aus dem reiche der kunst auszuschli­eßen.“So gesehen, ist der Flakturm im Esterházyp­ark, genutzt als Aquarium, schon lange kein Denkmal mehr. Der eine oder andere hingegen erinnert mit nacktem Stahlbeton sehr wohl an Schrecken, Hunger und Tod.

Doch kaum jemand will von den „grässliche­n Ungetümen“an die fürchterli­che NSZeit erinnert werden. Schon die Russen hätten versucht, den Geschütztu­rm im Augarten zu sprengen. Relativ erfolglos. Immer wieder meldeten sich Sprengmeis­ter, die vorgaben, es doch zu können, und eine Schweizer Firma wollte die Flaktürme mit Laserkanon­en zerschneid­en.

Zudem beflügelte­n die grauen Monolithe die Fantasie. Hans Hollein setzte 1960 wilde Kubaturen drauf, Johannes Spalt und Friedrich Kurrent wollten den Stadtkern mit „Kerzen“auf den Flaktürmen optisch fixieren, 1976 reizte es Christo, jenen im Esterházyp­ark einzupacke­n – und „die schwere und massive Struktur zum Verschwind­en zu bringen“.

Champignon­zucht

Ideen gab es genug: Man ersann ein Studentenh­aus für Musikbefli­ssene, die ungestört hätten Krach machen können, man wollte den Versuchsre­aktor unterbring­en, überlegte einen Hubschraub­erlandepla­tz, träumte von einer Champignon­zucht.

Man schlug ein Hallenbad vor, dachte an Garagen und Appartemen­tanlagen. Vor allemaber:Manwollted­ieFlaktürm­e ummanteln und verkleiden. Friedrich Achleitner sagte schon vor Jahrzehnte­n: „Ich könnte mir vorstellen, dass man ein Aussichtsr­estaurant draufmacht oder einen Turm umnutzt, das ist klar, aber umbauen und den Augarten damit versauen, dagegen spreche ich mich aus.“Zum Glück wurde, abgesehen vom Haus des Meeres, nichts realisiert. Die Türme sind Mahnmäler. Auch ohne den Text von Weiner.

 ?? OLN ??
OLN
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Als Mahnmal verloren: Der Leitturm im Esterházyp­ark, seit 1958 als „Haus des Meeres“genutzt, soll hinter einem riesigen Zubau verschwind­en (Rendering).
Als Mahnmal verloren: Der Leitturm im Esterházyp­ark, seit 1958 als „Haus des Meeres“genutzt, soll hinter einem riesigen Zubau verschwind­en (Rendering).
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Christo wollte den Leitturm im Esterházyp­ark einpacken (1976), Hans Hollein als Podest verwenden (1960)
Christo wollte den Leitturm im Esterházyp­ark einpacken (1976), Hans Hollein als Podest verwenden (1960)
 ??  ??
 ??  ?? Der Turm in der Stiftskase­rne hätte nach dem „Endsieg“...
Der Turm in der Stiftskase­rne hätte nach dem „Endsieg“...
 ??  ?? ... ummantelt werden sollen. Vorbild: das Castel del Monte
... ummantelt werden sollen. Vorbild: das Castel del Monte

Newspapers in German

Newspapers from Austria