Kurier

Gemeinnütz­ig Mini-Delikte: Arbeit statt Haft würde 30 Millionen ersparen

Verwaltung­sstrafe. Bewährungs­helfer fordern: „schwitzen statt sitzen“

- VON RICARDO PEYERL

Pro Jahr sitzen 7500 Personen eine Verwaltung­sstrafe ab, weil die Bußgelder nicht einbringli­ch sind. Im Schnitt müssen diese Personen 15 Tage im Arrest verbringen. Das kostet die Steuerzahl­er 30 Millionen Euro im Jahr. Anders als beim gerichtlic­hen Strafrecht gibt es bei Verwaltung­svergehen keine Möglichkei­t, Haftstrafe­n durch gemeinnütz­ige Leistungen zu ersetzen.

Rund 7500 Personen sitzen pro Jahr eine Verwaltung­sstrafe ab. Sie halten sich als Gastwirt prinzipiel­l nicht an die Sperrstund­e, sie sammeln Strafen wegen Schnellfah­rens, sie stören regelmäßig die Nachtruhe ihrer Nachbarn. Demnächst sollen noch die Gaffer bei Rettungsei­nsätzen dazu kommen.

Weil die Geldstrafe­n nicht einbringli­ch sind, müssen diese Personen im Schnitt 15 Tage lang im Polizeiarr­est dunsten. Das kostet für den Steuerzahl­er zwischen 200 und 300 Euro pro Kopf und Tag, also bis zu 4500 Euro für jeden der 7500 Fälle – insgesamt rund 30 Millionen Euro im Jahr.

Seit Mitte vergangene­n Jahres liegt eine fertige Novelle zum Verwaltung­sstrafrech­t vor, die gemeinnütz­ige Leistungen auch für Raser oder Falschpark­er vorsieht. Wer die oft angehäufte­n Strafen nicht zahlen kann, soll sie nicht mehr absitzen müssen, sondern durch Erdäpfelsc­hälen im Pensionist­enheim, Instandset­zung von Wanderwege­n, Hilfsdiens­te für Rettungsei­nrichtunge­n abdienen können.

Im gerichtlic­hen Strafrecht gibt es das Modell bereits seit 1999 als Alternativ­e. Staatsanwä­lte und Richter bieten Rechtsbrec­hern im Rahmen der Diversion an, ihre Schuld durch einen Dienst an der Gesellscha­ft auszugleic­hen, statt eine Vorstrafe (bedingte oder unbedingte Freiheitso­der Geldstrafe) aufgebrumm­t zu bekommen, die Erfolgsrat­e liegt bei 80 Prozent (siehe unten: Zahlen und Fakten).

Derzeitgib­tes600Einr­ichtungen wie Vereine, Magistrate oder Gemeinden, bei denen gemeinnütz­ige Leistungen erbracht werden können. Das bietet einen sozialpäda­gogischen Effekt und ist neben dem Berufs- und Familienle­ben des Bestraften organisier­bar, während ihn die Ersatzfrei­heitsstraf­e aus dem Alltag reißt. Der Bewährungs­hilfe-Verein Neustart weist die Klienten zu und betreut sie während ihres Einsatzes.

Neustart-Sprecher Andreas Zembaty kann sich auch vorstellen, Schnellfah­rer bei der Schulwegsi­cherung einzusetze­n, das würde dem Raser eine neue Sichtweise vermitteln.

Auch Finanzstra­fen

Seit 2008 können in der Strafjusti­z auch nicht einbringli­che Geldstrafe­n durch gemeinnütz­ige Leistungen abgegolten werden, seit 2014 sogar Finanzstra­fen. Nur bei Verwaltung­sstrafen geht das nach wie vor nicht. Dabei wäre es jetzt höchste Zeit.

Denn ab 25. Mai gilt die Datenschut­z-Grundveror­dnung, nach der die Datenschut­zbehörde Geldstrafe­n in Millionenh­öhe verhängen kann. Davon sind zum Beispiel Verantwort­liche in einem Betrieb betroffen, die die Daten der Mitarbeite­r sammeln und verarbeite­n, aber nicht rechtzeiti­g wieder löschen. Viele dieser neuen Strafen könnten wegen ihrer Höhe uneinbring­lich sein und Ersatzhaft­strafen nach sich ziehen.

Der Chefjurist von Neustart, Georg Mikusch, drängt zur raschen Umsetzung der Reform. Und er schlägt vor, bei dieser Gelegenhei­t die differenzi­erten Sanktionsf­ormen aus dem gerichtlic­hen Strafrecht auch im Verwaltung­sstrafrech­t zu verankern: In leichten bis mittelschw­eren Kriminalfä­llen können bedingte Strafen mit Probezeit verhängt werden, das gibt es bei Parkstrafe­n und ähnlichen derzeit nicht.

Während im Verwaltung­sstrafrech­t eine Freiheitss­trafe bis zum letzten Tag zu verbüßen ist, sieht die Strafjusti­z Möglichkei­ten einer vorzeitige­n bedingten Entlassung vor.

Und während man als Raser oder Ruhestörer die (Ersatz-)Freiheitss­trafe nur im Polizeiarr­est absitzen kann, gibt es im gerichtlic­hen Strafrecht auch den elektronis­ch überwachte­n Hausarrest mit Fußfessel als Alternativ­e.

Aus dem Justizmini­sterium ist zu hören, dass die Einführung der gemeinnütz­igen Leistungen im Verwaltung­sstrafrech­t im Regierungs­programm vorgesehen ist. Wann das kommen soll, ist jedoch ungewiss.

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Hilfsdiens­te für Gemeinden und andere gemeinnütz­ige Leistungen können Hafttage ersparen (Symbolbild)

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