Kurier

Weltbürger Molden wäre im März 100

Otto Molden. Zum 100. Geburtstag erzählt Koschka Hetzer-Molden von ihrem Mann, Gründer des Europaforu­ms Alpbach

- VON MARGARETHA KOPEINIG

Ein Gespräch mit Otto Moldens Witwe über den Gründer des Europaforu­ms Alpbach.

Jahr für Jahr besuchen im August Tausende Interessie­rte das Europäisch­e Forum Alpbach. Im schmucken Tiroler Bergdorf hören sie Politiker, Experten und Wirtschaft­sbosse und diskutiere­n über Pläne, die Welt zu retten.

Kaum jemand weiß heute noch, wer diese internatio­nal bekannte Veranstalt­ung wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriege­s gegründet hat: Otto Molden, dessen Geburtstag sich am 13. März zum 100. Mal jährt. Gemeinsam mit dem Philosophi­edozenten Simon Moser schuf er zunächst die internatio­nalen Hochschulw­ochen aus denen 1949 das Europäisch­e Forum Alpbach hervorging.

Glauben an Österreich

„Otto Molden glaubte an Österreich. Gleichzeit­ig war er ein großer Europäer, der sehr idealistis­ch gedacht hat. Ein wenig aus der Zeit gefallen“, beschreibt Koschka HetzerMold­en, Kulturjour­nalistin und Reinhard-Seminar-Absolventi­n, ihren Mann.

Ihm schwebte ein lebendi- ges Europa der Regionen vor: „Die Basken waren ihm sehr wichtig, weil er meinte, dass das älteste Volk Europas Unabhängig­keit in einem vereinten Europa braucht“, erzählt Moldens zweite Ehefrau. „Er hat sich ein politische­s Europa vorgestell­t, mit einem gemeinsame­n Heer.“

Gebet für die Mutter

Kommt man in die weiträumig­e Altbauwohn­ung voll mit Kunst und Büchern, in der Koschka Hetzer-Molden seit 1981 mit Otto Molden gelebt hat und seit seinem Tod 2002 immer noch lebt, fällt eine Fotografie im Silberrahm­en auf: Das Porträt von Moldens Mutter Paula Preradović, die Verfasseri­n des Textes der Bundeshymn­e. „Otto war sehr von seiner Mutter geprägt, er hat sie verehrt und sehr geliebt. Jeden Abend sprach er ein Gebet für sie, und ich habe ihm ihre Gedichte vorgelesen“, erinnert sich Hetzer-Molden. „Mit 16 Jahren hat er seiner Mutter gesagt: ,Ich möchte Europa vereinen’.“Er wuchs in einer sehreinflu­ssreichen,großbürger­lichen Familie auf, die Mutter war tief katholisch, der Vater, Ernst Molden, k.u.k.-Diplomat, Chefredakt­eur und Gründer der Tageszeitu­ng Die Presse, war protestant­isch. Wegen seiner Frau trat er zum Katholizis­mus über.

Schon als Schüler engagierte sich Otto Molden politisch. Er gehörte ab 1930 einer Organisati­on an, die aktiv gegen Faschismus und illegale Nazis auftrat. Nach einigen Verhaftung­en wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Er desertiert­e 1944 und beteiligte sich am Aufbau der Widerstand­sbewegung O5. Wie sein um sechs Jahre jüngerer Bruder Fritz Molden flüchtete er in die Schweiz. Beide hatten während des Krieges Verbindung­en zum US-Geheimdien­st OSS, der in der Schweiz vertreten war.

Nach Kriegsende nahm Otto Molden sein Studium wieder auf. Die Doktorarbe­it wurde 1958 unter dem Titel „Ruf des Gewissens – der österreich­ische Freiheitsk­ampf 1938-1945“publiziert und mit dem Theodor-KörnerPrei­s ausgezeich­net.

Geprägtdur­chseinoffe­nes Elternhaus,indemSchri­ftsteller, Künstler, Journalist­en und Intellektu­elle ein und aus gingen, hatte Otto Molden nach dem Zivilisati­onsbruch des Holocaust nur einen Wunsch, nämlich gegen das „nationalis­tische und faschistis­che Gift“vorzugehen.

Rastlos reiste er um die Welt, besessen von der Idee, Menschen zusammenzu­bringen. Mit seinem Charisma hat er die Menschen, trotz seines „broken english“beeindruck­t. Internatio­nale Größen aus Politik, Philosophi­e, Kultur und Wirtschaft kamen nach Alpbach auf den intellektu­ellen Zauberberg in Tirol: Mosche Dajan, Indira Gandhi, Bruno Kreisky, der spanische Philosoph Salvador de Madariaga, Theodor Adorno, Karl Popper, Ernst Bloch, Thomas Mann, Hermann Hesse, Friedrich Dürrenmatt, Manès Sperber und viele andere folgten Moldens Einladung.

Ausf lug in die Politik

Bis 1960 leitete er das Europäisch­e Forum Alpbach, dann widmete er sich der Politik. Er gründete 1960 die „Föderalist­ische Internatio­nale“und 1963 die „Europäisch­e Föde- ralistisch­e Partei“, die 1963 den ehemaligen Widerstand­skämpfer Josef Kimmel zum Präsidents­chaftskand­idaten nominierte. Auf Kimmel entfielen vier Prozent der abgegebene­n Stimmen. Anfang der 1970er Jahre initiierte er die „Europäisch­e Nationalbe­wegung“, die scheiterte.

„Sein Idealismus war stärker als seine Kraft“, resümiert Koschka Hetzer-Molden den Ausf lug in die Politik. „Die modernen Kommunikat­ionsmittel­warenihmfr­emd.Erschickte Studenten mit Flugblätte­rn durch Wien. Die Bewegung war nicht aktionsfäh­ig, starke Unterstütz­er haben ihm gefehlt.“

Im Jahr 1970 ist Otto Molden erneut zum Präsidente­n des Europäisch­en Forum Alpbach gewählt worden, und er blieb es bis 1992. „Eines Tages sagte er mir beim Abendessen, ,ich bin als Präsident zurückgetr­eten’. Otto Molden hat immer sein eigenes Ding gemacht“, erzählt seine Witwe. Die Kulturjour­nalistin akzeptiert­e seine Entscheidu­ngen, jeder hatte seine eigenen berufliche­n Aufgaben. „Ich sagte immer zu Otto: ,Du kümmerst dich um die Menschheit, ich kümmere mich um die Menschen’.“

Otto Molden, ein Freund und Berater von Tschiang Kaishek, wollte den Dialog zwischen Kulturen und Völkern fördern. Die vielen Flüge und der Jetlag machten ihm auf Dauer zu schaffen, Schlaflosi­gkeit war die Folge.

Abhängig von Pillen

Sein Arzt verordnete ihm ein schweres Medikament. Er wurde abhängig von Rohypnol und anderen Pillen. Dazu kam, dass seine Sehkraft nachließ, eine Lesemaschi­ne half ihm, Texte zu lesen. „Am Ende hat er sehr zurückgezo­gen gelebt, und er hatte wenig Kontakt zu seiner Familie“, erinnert sich Koschka HetzerMold­en.„VieleTräum­ekonnte er realisiere­n, aber nicht alle. Er war in seinem Idealismus verfangen.“

Im Juni 2002 verbrachte er einen Urlaub auf Zypern. Beim Schwimmen schlief er ein und ertrank. Auf seinem Grabstein am Wiener Zentralfri­edhof steht: „Erster Rufer nach einem vereinten Europa nach dem Zweiten Weltkrieg“.

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Otto Molden 1952 in Alpbach (in der Mitte links). 2001 mit Erhard Busek und Franz Fischler (o.) sowie mit Ehefrau HetzerMold­en (u.)
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