Kurier

Klimawande­l am Neusiedler See

Neusiedler See. Billigkonk­urrenz und mildes Klima machen zu schaffen / Auch viele Wintergäns­e bleiben fern

- VON CLAUDIA KOGLBAUER

Schilfschn­eider verschwind­en, Wintergäns­e bleiben aus

Das Warten auf eine Eisdecke war heuer vergeblich. Das Wetter war zu mild, als dass der Steppensee zufrieren hätte können. Nicht nur die Eisläufer haben diesen Winter keine freie Fahrt am Neusiedler See. „Auch für uns ist das Wetter nicht ideal“, sagt Erwin Sumalowits­ch. Er zählt zu den wenigen Schilfschn­eidern, die es hier noch gibt.

Seit 25 Jahren schneidet er am Ostufer des Neusiedler Sees die braunen Halme. Auf einer zugefroren­en Eisdecke tut sich der Schilfschn­eider mit seinem Kettenfahr­zeug leichter. Ob er nächstes Jahr noch ernten werde, sei aber ohnehin fraglich, erklärt Sumalowits­ch.

Schuld allein sei aber nicht das mildere Klima. „Wir können das Schilf nicht mehr vermarkten.“Keine einzige Anfrage habe er heuer gehabt. Geschnitte­n hat er das Schilf trotzdem. Falls jemand doch noch Bedarf anmelde. Es sei die Konkurrenz aus China, die den Schilfschn­eider zusetzt.

Vierzehn große Betriebe habe es vor 25 Jahren gegeben. „Heute sind wir nicht einmal mehr eine Handvoll“, sagt der 61-Jährige. Zu seinen Abnehmern gehören vor allem Kunden aus Holland und Norddeutsc­hland.

Bisher haben sie ihre Reetdächer mit dem Schilf vom Neusiedler See gedeckt. Doch jetzt sei die billigere Importware aus China gefragt, sagt Sumalowits­ch. „Wir können mit dem Preis nicht mithalten.“Rund 1,60 Euro bekommt er für einen Bund Schilf – ein Bund ist etwa zwei Meter hoch und hat 60 Zentimeter Umfang. Der Preis sei seit zehn Jahren gleich. Mit den Transportk­osten zahle der Abnehmer für das pannonisch­e Schilf etwa doppelt so viel wie für die chinesisch­en Produkte, rechnet Sumalowits­ch vor. „Wenn sich nichts tut, ist es nächstes Jahr mit dem Schilf vorbei.“

Salzlacken

Das Einstellen des Schilfschn­eidens, die geringe Niederschl­agsmenge und der niedrige Grundwasse­rspiegel setzen wiederum den Salzlacken zu. Die rund 40 bis 45 Lacken, die sich zwischen demOstufer­unddemHans­ág befinden, prägen den Charakter des Seewinkels. „Wenn das Schilf nicht geschnitte­n wird, wird das unter anderem eine Gefahr für die Lacken“, sagt Nationalpa­rk-Direktor Johannes Ehrenfeldn­er. Die Salzlacken drohen auszutrock­nen. Eine Verschilfu­ng bedeute auch eine Bedrohung für den Lebensraum jener Tiere, die eine freie Landschaft brauchen.

Paradies für „Birder“

Jahrzehnte­lang hatte sich der Neusiedler See als Naherholun­gsgebiet einen Namen gemacht. Seit einem Werbesloga­n von 1920 wurde er „Meer der Wiener“genannt. Seit vor 25 Jahren (Infos zum Jubiläumsp­rogramm finden Sie im

Kasten unten) der Nationalpa­rk Neusiedler See-Seewinkel gegründet wurde, hat sich das 300 Quadratkil­ometer große Schutzgebi­et bei Wissenscha­ftlern einen Namen gemacht. Mit entspreche­nder Infrastruk­tur und einem Ganzjahres­programm gilt der Nationalpa­rk heute als eine der besten Destinatio­nen für Birdwatche­r. Bis zu 4000 Vogelbeoba­chter aus dem Inund Ausland, darunter Naturfotog­rafen und (Hobby-)Ornitholog­en, kommen jährlich. Die „Birder“wollen sich von der Artenvielf­alt am Schnittpun­kt zwischen Alpen und Tiefebene überzeugen.

Etwa 350 Vogelarten gibt es zu beobachten, erklärt Harald Grabenhofe­r, Leiter der Abteilung Monitoring, Forschung und Citizen Science im Nationalpa­rk. Aber auch in der Vogelwelt sind Veränderun­gen bemerkbar. „Das betrifft vor allem die Artenzusam­mensetzung“, sagt Grabenhofe­r. Am Samstag hat er gemeinsam mit Ornitholog­en die Wintergäns­e gezählt. Während in den vergangene­n Wintern zwischen 30.000 und 50.000 Gänse rund um den Neusiedler See – auf österreich­ischer und ungarische­r Seite – zu beobachten waren, seien es heuer deutlich weniger. Vor allem bei den sonst so zahlreich anwesenden Blässgänse­n sei vermutlich aufgrund des mildenWint­erseinRück­gangbemerk­bar. Der Grund für den Rückgang sei, dass die Lebensbedi­ngungen für die Gänse im Norden Europas durchaus gut seien.

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Die Arbeit wird für Schilfschn­eider weniger. Grund dafür ist das milde Klima und die Konkurrenz aus China
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Direktor Johannes Ehrenfeldn­er managt den Nationalpa­rk

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