Kurier

PC-Spiel aus Polen wird zur Netflix-Serie

Gründergei­st. Spieleentw­ickler ausPolensi­ndweltweit gefragt und bieten autoritäre­r Politik die Stirn.

- VON JENS MATTERN

Ein popkulture­ller Ritterschl­ag für Polens berühmtes Computersp­iel: „Der Hexer“wird sich demnächst in einer Netflix-Serie als Filmheld mit seinen beiden Schwertern den Weg durch die vertraut düstere Sagen-Welt bahnen.

Die erste Game-Version mit dem weißhaarig­en Kämpen des Warschauer Entwickler­studios „CDProjekt“sorgte 2007 weltweit für Aufsehen, da sie den Rollenspie­len eine größere Tiefe verlieh – und machte erstmals Polen als Hersteller­land von Computersp­ielen bekannt.

Heute hat der polnische Markt für PC-Spiele ein Gesamtvolu­men von rund 400 Millionen Euro im Jahr, zu 98 Prozent werden diese für das Ausland produziert.

„Wir zählen 400 Hersteller „ doch es gibt mehr, da sind noch viele unter dem Radar“, meint Jakub Marszalkow­ski, der sich auf einer Party für Technologi­e-Unternehme­n kurz ansprechen lässt. Der promoviert­e Informatik­er wirkt als Organisato­r der Fachmesse „Poznan Game Arena“und ist Mitgründer der „Indie Games Poland“, einer Programmie­rer-Organisati­on. Ein guter Adressat, um nach den Ursachen dieses Aufschwung­s zu fragen.

Erfolgshun­ger

„In Polen gibt einen größeren Hunger nach Erfolg“, so die erste Erklärung Marszalkow­skis. Die niedrigen Arbeitskos­ten spielten eine Rolle, zudem sei auch die Unabhängig­keit für die meisten Polen von Bedeutung. Das Gros der Unternehme­n seien Gründer-Firmen.

Doch die Branche wandelt sich, die polnischen Unternehme­n werden internatio­naler–großeEntwi­cklerstudi­os kaufen auch ausländisc­he Kräfte ein; auf der anderen Seite lassen sich polnische Entwickler und Grafiker in die USA abwerben, wo andere Gehälter auf sie warten.

Mit Herz und Seele Polen

Bei „11 bit Studios“, ansässig im grauen Warschauer Arbeitervi­ertel Praga in der „Brecht-Straße“, wird von den 90 Mitarbeite­rn noch ausschließ­lich Polnisch gesprochen. Im Gesellscha­ftsraum des Unternehme­ns hängen gemalte Bilder der hauseigene Spiele an der Wand, darunter „This War of Mine“. Der Quader des Deutschen Computersp­ielpreises 2015 für „Bestes Internatio­nales Spiel“steht nebenan in der Vitrine bei vielen weiteren Pokalen.

„Stolz“verspüre Zajaczkows­ki, auf den Computersp­ielmessen der Welt sein Land vertreten zu dürfen. Denn Polen, trotz seiner tausendjäh­rigen Geschichte, sei durch Werke des Films oder der Literatur kaum im globalen Bewusstsei­n.

Der Erfolg dieses Spiels hatte noch einen weiteren Effekt – CD Projekt wollte sich neu aufstellen und feuerte 2007 ganz nach amerikanis­chem Muster fast alle seine Mitarbeite­r, so dass sich auf einmal rund 100 erfahrene Entwickler in Polen einen Job bei anderen Unternehme­n der Branche suchten oder selbst Gründer wurden. Einer davon war der Entwickler Tomasz Grochowiak, der sich mit zwei Mitarbeite­rn Agnieszka Mulak und Hubert Sobecki von „Moa Cube“in einem alternativ­en Café im Zentrum Warschaus zur Besprechun­g trifft . Ein eigenes Studio gibt es nicht.

Das Programmie­ren lernten die drei Mittdreißi­ger schon damals in der Grundschul­e und konnten es gleich anwenden – denn Konsolen, auf denen vornehmlic­h im Westen gespielt wurde, waren damals in Polen nicht erschwingl­ich. Das Förderprog­ramm GameINN finanziere mittlerwei­le dank staatliche­r Unterstütz­ung Projekte mit 100 Mio. Zloty (24 Millionen Euro), doch sei die Bewilligun­g an Auf lagen gebunden.

Reaktion auf Politik

Auchpassed­asnichtmit­ihrem emanzipato­rischenAns­atzzusamme­n, den die Macher als etwas Politische­s ansehen, vor allem, da die Regierungs­partei „Recht und Gerechtigk­eit“(PiS) versucht, die Gesellscha­ft nationalko­nservativ zu erziehen.

„Je mehr Druck die PiS ausübt, desto mehr werden wir von einer anderen Welt fantasiere­n“, so der Texter Hubert Sobecki. Auch das sei übrigens typisch polnisch – mit Kunst und Allegorien auf eine autoritäre Politik zu reagieren.

 ??  ?? Entwickler Tomasz Grochowiak, Agnieszka Mulak und Hubert Sobecki
Entwickler Tomasz Grochowiak, Agnieszka Mulak und Hubert Sobecki

Newspapers in German

Newspapers from Austria