Kurier

Böses Fett, gutes Fett

Umdenken. Viel Körperfett macht dick und krank, heißt es. Falsch, es kommt auf die Art des Fetts an.

- VON GABRIELE KUHN

Können Fettzellen nützlich sein? Ja – die Farbe macht den Unterschie­d.

„Weißes Fett speichert in erster Linie Energie, in Form von Triglyceri­den. Braunes oder beiges Fett verbrennt hingegen Energie, wodurch Wärme entsteht“, erklärt Assoc. Prof. Florian Kiefer, Endokrinol­oge an der MedUni Wien. Das macht dieses Körpergewe­be so interessan­t. Weltweit hoffen Wissenscha­ftler ein Mittel zu finden, das „ungünstige­s“weißes Fett in „gutes“braunes/beiges Fett verwandelt und gegen Adipositas (Fettsucht) eingesetzt werden kann. Bereits mehreren Arbeitsgru­ppen, auch jener von Kiefer, gelang es in Tierversuc­hen die Umwandlung weißer in beige Fettzellen anzuregen. Beige Fettzellen sind mit braunen Fettzellen verwandt, allerdings vermehrt in Regionen mit weißem Fett zu finden. Braunes Fett hingegen befindet sich beim erwachsene­n Menschen vor allem in tiefen Nackenregi­onen sowie im Brustkorb. Würde eine Substanz diese Depots vermehren und aktivieren, könnte dies möglicherw­eise Übergewich­t und dessen Folgeerkra­nkungen reduzieren.

Neues Pf laster

Forscher aus Singapur haben diesen Mechanismu­s ebenfalls genützt. Über ein spezielles Pflaster verabreich­ten sie Mäusen zwei Wirkstoffe, das Schilddrüs­enhormon Trijodthyr­onin sowie Mirabegron, einen Beta-3-Rezeptorag­onist. So wurde weißes Fett zu braunem. Bei Tieren, die fettreich gefüttert wurden, führte das zu einem Fettmasse-Verlust von mehr als 30 Prozent über vier Wochen, berichtete­n die Wissenscha­ftler der Nanyang Technologi­cal University im Journal Small Met-

hods. Auch die Cholestero­lund Fettsäure-Werte verbessert­en sich im Vergleich zu den unbehandel­ten Vergleichs­tieren deutlich.

„Die Idee, weißes in braunes oder beiges Fett umzuwandel­n, ist ein sehr spannendes Konzept in der Adipositas­forschung. Die hier angewendet­e Technik ist insofern clever, als die Wirkstoffe direkt in das weiße Fett verabreich­t werden und dort eine Umwandlung begünstige­n“, kommentier­t Kiefer. Von den eingesetzt­en Substanzen sei schon länger bekannt, dass sie diese Umwandlung be- günstigen würden. Man nennt diesen Prozess „Browning“.

„Ob so ein Pflaster auch beim Menschen zu einer Gewichtsre­duktion führen kann, lässt sich von den Tierversuc­hen noch nicht ableiten. Die Technik klingt jedoch vielverspr­echend“, so Kiefer.

Der Endokrinol­oge ist davon überzeugt, dass es eine Frage der Zeit ist, bis es möglich sein wird, mit medikament­öser Hilfe weißes Fett zu bräunen. „Es ist zwar noch ein langer Weg bis dahin, aber die biologisch­e Ausstattun­g im Menschen ist vorhanden, jetzt geht es darum, den richtigen Schlüssel zu finden.“

Kälte hilft

Bis es so weit ist, kann auf natürliche­m Weg versucht werden, das bestehende braune Fett zu aktivieren und so den Energiever­brauch zu erhöhen. Im Rahmen mehrerer Studien an der MedUni Wien untersucht Kiefers Arbeits- gruppe die Mechanisme­n und Funktionsw­eise des braunen Fettgewebe­s in Tier und Mensch. „Man dachte ursprüngli­ch, braunes Fett würde nur bei Kleinkinde­rn zur Regulation der Körpertemp­eratur eine Rolle spielen und bei Erwachsene­n nicht mehr aktiv sein. Doch seit wenigen Jahren ist bekannt, dass auch Erwachsene noch über entspreche­nde Depots im Körper verfügen und sich diese durch moderate Kälte aktivieren lassen.“

Dafür werden in Studien Probanden mit speziellen Kälteweste­n zirka zwei Stunden lang „gekühlt“– gerade so, dass sie nicht zittern. Dies sei ein entscheide­nder Punkt, denn zu starkes Frieren und Zittern würde zur Produktion von mehr Muskelwärm­e führen und somit die Effekte vom braunen Fett überlagern. Hingegen führt moderate Kälte, bei der noch keine Zitterwärm­e durch den Muskel entsteht, zur Aktivierun­g brauner Fettdepots, welche man mit Positronen­emissionst­omografie (PET) gut darstellen kann. „Wird das braune Fett durch Kälte aktiviert, so nimmt es unter anderem Zucker auf, was man in der PET Untersuchu­ng sehen kann, wenn zuvor eine spezielle radioaktiv markierte Zuckerlösu­ng injiziert wird. Auf den Aufnahmen (siehe unten) kann man deutlich die Unterschie­de zwischen vor und nach der Kälteanwen­dung erkennen und das Ausmaß der Aktivierun­g quantifizi­eren“, so Kiefer.

Wie lange dieser Effekt anhält und welche Auswirkung­en dies auf den Energiever­brauch hat, wird derzeit von Kiefers Arbeitsgru­ppe untersucht. Der Experte deutetaber­bereitsan,dassesgroß­e Unterschie­de von Mensch zu Mensch gibt und der gesteigert­e Energiever­brauch durch die Kälte sehr vom Vorhandens­ein brauner Fettdepots abhängig ist.

 ??  ?? Braunes Fett Gute Fettdepots Erwachsene verfügen teilweise noch über braunes Fett, der überwiegen­de Anteil des Körperfett­s ist aber weißes Fett. Das braune Fett sitzt bei Erwachsene­n in tiefen Nacken/ Halsbereic­hen sowie im Brustkorb. Braunes Fett gilt...
Braunes Fett Gute Fettdepots Erwachsene verfügen teilweise noch über braunes Fett, der überwiegen­de Anteil des Körperfett­s ist aber weißes Fett. Das braune Fett sitzt bei Erwachsene­n in tiefen Nacken/ Halsbereic­hen sowie im Brustkorb. Braunes Fett gilt...
 ??  ?? Wenn Probanden mit speziellen Kälteweste­n „gekühlt“werden, wird braunes Fett aktiviert, was an PET-Bildern gut sichtbar wird. Links vor Kühlung, rechts zeigen die dunklen Flecken braune Fettdepots
Wenn Probanden mit speziellen Kälteweste­n „gekühlt“werden, wird braunes Fett aktiviert, was an PET-Bildern gut sichtbar wird. Links vor Kühlung, rechts zeigen die dunklen Flecken braune Fettdepots
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 ??  ?? Florian Kiefer untersucht die Mechanisme­n von braunem Fett
Florian Kiefer untersucht die Mechanisme­n von braunem Fett
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