„Dann wären wir die ganze Zeit nur vor Gericht“
EU. O’Reilly fühlt EU-Behörden auf den Zahn
Es ist die Beschwerde eines jungen Österreichers, an den sich Emily O’Reilly besonders gerne erinnert. Denn der Stein, den der Student ins Rollen brachte, steht beispielhaft für die Arbeit der EU-Bürgerbeauftragten und ihrer 80 Mitarbeiter: Missstände innerhalb der EU-Institutionen aufzeigen und versuchen, sie im Konsens zu beseitigen. Der Student war für ein Praktikum von der EU nach Asien geschickt, aber dafür nicht bezahlt worden. „Wir haben uns seinen Fall angesehen und dann als Argument dagegen den Grundwert der Nicht-Diskriminierung herangezogen“, schildert O’Reilly dem KURIER. „Wenn du die Chance hast, im EU-Außendienst zu arbeiten, aber sie bezahlen dich nicht, geht das nur, wenn deine Familie reich genug ist. So folgt ein Privileg dem anderen – und das verstößt gegen das Wertesystem der EU.“
Die Intervention der Ombudsfrau brachte Klärung: Ein Jahresbudget von mehr als einer Million Euro wurde für Praktikanten im EUAußendienst geschaffen.
Tausende Beschwerden werden jedes Jahr an die aus Irland stammende EU-Bürgerbeauftragte herangetragen. Der Großteil davon geht zurück an die nationalen Ombudsmänner, denn zuständig sind O’Reilly und ihr Team nur für Probleme im direkten Umgang mit den EUInstitutionen. Bei den meisten der rund 250 pro Jahr eröffneten Untersuchungen handelt es sich um Interessenkonflikte, oft zwischen Lobbyisten und der Kommission oder dem Europäischen Rat. Oder wie im Fall um den Europäischen ZentralbankChef Mario Draghi.
Empfehlung an Draghi
Der ist privat Mitglied in der „Group of Thirty“-Finanzgruppe – in dieser sitzen auch Vertreter von Banken, die direkt von der EZB beaufsichtig werden. Eine Optik, die laut Emily O’Reilly gar nicht geht: „Es ist wichtig, zu zeigen, dass es eine klare Trennung zwischen der EZB als Bankenaufsicht und der Finanzindustrie gibt.“Die Empfehlung der Ombudsfrau: Draghi solle seine Mitgliedschaft in der G-30-Gruppe ruhen lassen. Bis Mitte April hat der EZB-Chef Zeit, zu reagieren.
Strafen gibt es nicht
Was aber, wenn er die Aufforderung ignoriert? Sanktionieren kann die EU-Ombudsfrau nicht. „Wie alle Ombudsleute kann ich nur empfehlen. Wenn wir hier verpflichtende Vorgaben geben könnten, wären wir die ganze Zeit nur vor Gericht.“Im schlimmsten Fall könnte die durch der Erziehung von fünf Kindern gestählte Irin auch dem EU-Parlament berichten. Doch „zwischen 85 und 90 Prozent meiner Empfehlungen werden ohnehin umgesetzt“, zeigt sie sich zufrieden. Außerdem, fügt sie lächelnd hinzu, „kann man eine Schlacht verlieren, aber den Krieg gewinnen“. Was bedeutet: Auch wenn eine Empfehlung nicht angenommen werde, „kann sie etwas in Gang setzen“.
Zuletzt rief O'Reilly den EU-Ministerrat zu mehr Transparenz bei der Diskussion von Gesetzesentwürfen auf. „Dieser Hinter-verschlossenen-Türen-Ansatz riskiert, die Bürger zu entfremden. Wenn sie nicht nachvollziehen können, welche Position ihre Regierung bei der Gestaltung von EURecht vertritt, geht es mit dieser ’Brüssel-ist-Schuld’-Kultur immer so weiter.“