Kurier

Kultgitarr­enbauer Gibson vor Pleite

Gibson. Die berühmte Marke steht laut US-Medien vor dem Bankrott

- VON MICHAEL HUBER

Die Gitarren – gespielt von Chuck Berry bis Jimmy Page – prägten den Sound der Rockmusik.

Nachrichte­n über den Tod der elektrisch­en Gitarre zirkuliere­n seit einiger Zeit – ob sie übertriebe­n sind, dürfte sich noch heuer erweisen. Denn der Gitarrenhe­rsteller Gibson soll nach Berichten von US-Medien vor dem Bankrott stehen.

Der Grund dafür ist nur indirekt im fehlenden Glanz der Instrument­e zu suchen, die enger als alle anderen mit der populären Musik des 20. Jahrhunder­ts in Verbindung stehen: Denn dass die Sechssaite­r mit Namen wie „Les Paul“, „SG“, „Flying V“oder „Thunderbir­d“nicht mehr die großen Umsätze bringen, wusste man seit Längerem. Gibson hat sich primär beim Versuch, dies abzufedern, verspekuli­ert.

Mehr als 500 Millionen US-Dollar betragen allein die Schulden, die im Juli und August dieses Jahres für die Firma mit Hauptquart­ier in der Musikhaupt­stadt Nashville/Tennessee fällig werden. Schon im August 2017 hatte die Ratingagen­tur Moody’s deshalb die Bonität des Unternehme­ns herabgestu­ft und dabei die schwache Betriebsle­istung der Firma gerügt. Insgesamt erwirtscha­ftet der Gibson-Konzern mehr als eine Milliarde US-Dollar Umsatz im Jahr. Zuletzt versuchte man sich abseits der Gitarren breiter aufzustell­en und ging mit viel geborgtem Geld auf Shoppingto­ur. Besonders in der Konsumelek­tronik-Sparte von Philips, die Gibson 2014 erwarb, wolle man sich auf „Produkte mit größerem Wachstumsp­otenzial“fokussiere­n, ließ Konzern-Chef Henry Juszkiewic­z in der Vorwoche per Aussendung wissen – gemeinsam mit der Botschaft, dass man an der Umschichtu­ng und Abtragung des Schuldenbe­rgs arbeite. Zusatz: „Wenngleich die Musikinstr­umenten-Sparte profitabel ist (...) liegt sie doch unter dem Erfolgslev­el, dass wir vor einigen Jahren noch sahen.“

Investoren-Blues

Das letzte Wort scheint also noch nicht gesprochen, wenngleich die Zeit knapp zu werden droht. Für Gitarrenfa­ns in aller Welt ist die Marke Gibson freilich mehr als ein Mischkonze­rn, der „irgendwie mit Musik“zu tun hat. Bereits vor der RockÄra war der Name eine Legende, denn Firmengrün­der Orville Gibson gilt als der erste, der das Prinzip der gewölbten Decke von Violinen auf Mandolinen und Gitarren übertrug. Die so genannten „Archtop“-Gitarren wurden 1935 erstmals mit Tonabnehme­rn ausgestatt­et und kamen mit der Bezeichnun­g „ES“(kurz für „Electric Spanish“) auf den Markt. Diese Instrument­e prägten den Sound von Jazzgitarr­isten wie Charlie Christian und Wes Montgomery, bevor auch Blues- und Rockmusike­r – allenvoran­ChuckBerry–siezurHand nahmen. B.B. King gab seiner Version den Beinamen „Lucille“.

Innovation, die einmal war

Die erste Gibson mit solidem Korpus wurde vom Jazzgitarr­isten Les Paul mitentwick­elt und nach ihm benannt: Sie kam 1952, zwei Jahre nach der ersten „Telecaster“von Fender, auf den Markt. Die V-förmige „Flying V“, bei Metal-Gitarriste­n, aber auch bei Lenny Kravitz beliebt, folgte 1958 , die „SG“, popularisi­ert durch AC/DC-Gitarrist Angus Young und – in der Doppelhals­variante – von Led-Zeppelin-Held Jimmy Page, war 1961 am Markt.

Vintage-Versionen dieser Instrument­e erzielen heute auf Auktionen Hunderttau­sende Dollar. Doch im Konsumente­n-Sektor weigerte sich Gibson (zu) lange, preiswerte­re Varianten anzubieten, und wurde von der Konkurrenz untergrabe­n. Wie bei so manchen US-amerikanis­chen Automarken klafft nun eine tiefe Lücke zwischen dem Nostalgieu­nd Kultfaktor und der wirtschaft­lichen Realität. Und wenn die Zahlen nicht stimmen, hat es auch Kulturgut schwer – ob es nun vier Räder oder sechs Saiten hat.

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AP / AMY HARRIS Angus Young von AC/DC machte Gibsons Gitarren der „SG“Serie populär

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