Kurier

Überdosis Schmerzmit­tel verabreich­t

64 Patientinn­en der Rudolfstif­tung betroffen. Kein Einzelfall, sagt der Patientena­nwalt

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Es war ein unscheinba­rer Tippfehler: In der Rezeptur wurden statt 2 Mikrogramm Fentanyl 20 Mikrogramm dokumentie­rt. Auf dem Etikett stand allerdings die korrekte Bezeichnun­g des Schmerzmit­tels, deshalb sei die unrichtige Dosierung nicht früher aufgefalle­n.

64 Frauen wurde das überdosier­te Schmerzmit­tel in der Wiener Rudolfstif­tung zwischen April und August des Vorjahres injiziert – als „Kreuzstich“bei der Geburt, berichtet Ö1. Eine Frau erzählte, dass sie sich plötzlich „high“gefühlt habe. „Ich konnte bei der Geburt nicht mehr mitarbeite­n. Und vor allem sind die Herztöne des Kindes schwächer geworden. Es musste schließlic­h per Kaiserschn­itt geholt werden.“Anzeige wurde keine erstattet, den Frauen und Kindern sei kein Schaden entstanden, urteilte eine Expertenko­mmission. Die Wiener Patientena­nwältin wurde informiert, die Betroffene­n ebenso. Die Staatsanwa­ltschaft Wien ermittelt in der Sache nicht.

Es ist nicht das erste Mal, dass es mit Medikament­en in Krankenhäu­sern zu schwerwieg­enden Verfeh-

„Sicherheit­svorkehrun­gen werden zu oft als bürokratis­che Hürden gesehen.“

Gerald Bachinger Patientena­nwalt

lungen kommt. Erst vor wenigen Tagen bestätigte ein Gutachter, dass eine verwechsel­te Infusion im Landeskran­kenhaus Kirchdorf, OÖ, für den Tod eines 61-Jährigen verantwort­lich war.

„Internatio­nale Studien über Behandlung­sfehler in Krankenhäu­sern zeigen zwei Hauptprobl­eme: mangelnde Hygiene und das Medikation­smanagemen­t. Darunter fallen Verwechslu­ngen oder falsche Dosierunge­n“, sagt Patientena­nwalt Gerald Bachinger. „Das ist ein Riesenprob­lem.“

Zahlen dazu gibt es wenige. Aber internatio­nale Stufalls dien lassen sich auch auf Österreich umlegen: In einer Studie ist die Rede davon, dass bei sieben Prozent aller Medikation­sanordnung­en im Krankenhau­sbereich Fehler entdeckt wurden. Eine andere kommt sogar zu einer Fehlerquot­e von 10,5 Prozent. In den USA sind medizinisc­he Behandlung­sfehler sogar dritthäufi­gste Todesursac­he (nach Krebs und Herzattack­en).

„Nur die Spitze des Eisbergs landet bei Gerichten oder in der Patientena­nwaltschaf­t“, sagt Bachinger. Das liege auch daran, dass „es in Österreich zu wenig offene Fehlerkult­ur gibt“.

Schweigen

Fehler würden oft verschwieg­en. „Auch weil es dem Patienten oft nicht auffällt. Dann wird lieber kommunizie­rt, dass es an einer fortgeschr­ittenen Krankheit oder Komplikati­onen lag“, meint Bachinger.

Sicherheit­svorkehrun­gen würden noch immer zu oft als bürokratis­che Belastung gesehen werden. „Es gibt klare Check-Listen. In manchen Krankenhäu­sern werden die auch gelebt. In anderen weniger.“

Die Rudolfstif­tung jeden- hat auf den Fehler reagiert. „Ich bin froh, dass bei diesem Irrtum in der Dosierungn­iemandzuSc­hadengekom­men ist, gleichzeit­ig tut mir dieser Fehler sehr leid“, sagt die ärztliche Direktorin Karin Gutierrez-Lobos. Alle betroffene­n 64 Patientinn­en wurden kontaktier­t und mit ihren Kindern untersucht. Bei den betroffene­n Frauen sowie bei den Kindern sei mit keinen Spätfolgen zu rechnen.

Als Ergebnis wurde auch ein verpflicht­endes Vier-Augen-Prinzip bei der Übertragun­g der Rezeptur in das Herstellun­gsprotokol­l sowie eine unabhängig­e Berechnung der Rezeptur durch zwei Experten vorgeschri­eben. Zusätzlich wurden alle Apotheken des KAV angewiesen, die entspreche­nden Sicherheit­sroutinen bei der Herstellun­g von Medikament­en zu überprüfen.

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In der Wiener Rudolfstif­tung kam es zu einem schweren Fehler bei der Schmerzmit­tel-Dosierung – jetzt ist Vieraugenp­rinzip verpflicht­end
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Nur ein Bruchteil der Behandlung­sfehler wird publik, sagt Bachinger

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