Kurier

Neue Oberstufe kommt erst 2021

Nach Protesten von Lehrern, Eltern und Schülern verzögert sich die Reform um Jahre

- VON UTE BRÜHL

Jetzt ist sie also verschoben – die bei vielen Schülern, Eltern und auch Pädagogen ungeliebte Neue Oberstufe (NOST). Erst im Schuljahr 2021/’22 soll sie österreich­weit an allen Gymnasien und berufsbild­enden Schulen ab der 6. Schulstufe umgesetzt werden. Die Zeit will Bildungsmi­nister Heinz Faßmann nutzen, „um das Konzept genauer zu evaluieren und die Schulen besser darauf vorzuberei­ten.“

Das Konzept der NOST: Das Schuljahr wird in zwei Semester unterteilt, für die es jeweils ein Zeugnis gibt. Man darf mit bis zu drei Fünfern aufsteigen, muss diese aber bis zur Matura verbessern, Aufstiegsk­lausel gibt es also nicht mehr. (Details s. u.)

Direktoren­sprecherin IsabellaZi­nsweiß,warumdie Skepsis bei vielen so groß ist: „Der bürokratis­che Aufwand ist riesig – Lehrer werden zu Buchhalten, weil sie für jeden Schüler dokumentie­ren müssen, welche Kompetenze­n ihm für einen positiven Abschluss noch fehlen.“

Hintergrun­d: Bei einer Prüfung wird nur der Stoff abgefragt, den der Schüler nicht beherrscht hat. Wobei auch das ein Problem werden kann, wie Zins weiß: „Bisher konnte ein Schüler, der in einem bestimmten Bereich Schwächen hatte, diese ausgleiche­n, indem er ein Referat machte. Das geht bei der NOST nicht.“

Ein weiterer Kritikpunk­t kommt von Gernot Schreyer, Obmann der Elternvere­ine an höheren Schulen: „Dass Schüler manche Prüfungen bis kurz vor die Matura hinausschi­eben dürfen, ist für viele eine Falle. Schaffen Sie diese nicht, stehen sie plötzlich ganz ohne Abschluss da.“

„Der bürokratis­che Aufwand ist riesig – Lehrerinne­n und Lehrer werden zu Buchhalter­n.“Isabella Zins Direktoren­sprecherin

„Unterm Strich hat die Neue Oberstufe einen echten pädagogisc­hen Mehrwert.“Johannes Hiller Direktor und NOST-Pionier

Dass die Neue Oberstufe nochnichtg­anzausgere­iftist, sagen selbst Befürworte­r des Systems, wie etwa Johannes Hiller, Direktor des BORG Neulengbac­h (NÖ). In seiner Schule wird das Konzept schon jahrelang umgesetzt; gemeinsam mit dem Bildungsmi­nisterium hat Hiller schon manches an dem ursprüngli­chen Konzept entschärft. Was er jetzt noch verbessern würde? „Die Schüler haben derzeit zu viele Möglichkei­ten, die Prüfung zu wiederhole­n. Habe ich einen Fünfer, so kann ich noch drei Mal antreten. Bin ich immer noch negativ, so gibt es das, was wir umgangsspr­achlich ,Parkplatz‘ nennen: Vor der Matura kann ich in dem Fach nochmals antreten. Das verleitet viele Schüler dazu, sich einfach einmal auf gut Glück testen zu lassen, was natürlich den Verwaltung­saufwand erhöht. Ich finde, zwei Prüfungen genügen.“

Pädagogisc­h sinnvoll

Dass die NOST auf jeden Fall mehr Bürokratie bedeutet, sieht auch Hiller so: „Da müsste man sich bei der Vergütung etwas einfallen lassen.“Doch unterm Strich habe das Modell einen echten pädagogisc­hen Mehrwert. Und das aus zwei Gründen: „Fünfer-Schüler erhalten einen individuel­len Lernbeglei­ter zur Seite gestellt – ein speziell geschulter Lehrer. Er unterstütz­t den Schüler organisato­risch und pädagogisc­h dabei, den Fleck auszubügel­n. Und er berät die Jugendlich­en–dennmanchm­al ist eine freiwillig­e Wiederholu­ng sinnvoller als einen Fünfer in Mathe oder Englisch mitzuschle­ppen.“

Dieses Schuljahr kann der Schüler effiziente­r nutzen als im alten System: „Positive Noten bleiben erhalten. Statt sich nochmals in den Geografie- oder Musikunter­richt zu setzen, kann er sich voll auf Mathematik konzentrie­ren und dieses Fach sogar bei zwei Lehrern besuchen.“Aufgabe des Lernbeglei­ters ist es, hier den Schüler richtig zu beraten. Denn wenn ein Schüler zu viele Fünfer anhäuft, kann die Falle zuschnappe­n: Mehr als drei Fleck darf der Schüler nicht mitnehmen, und plötzlich muss er die Schule verlassen.

Dabei war die Idee der NOST, dass weniger sitzen bleiben, indem sie in kleineren Portionen lernen. Edith Dosztal, Direktorin der HAK Neunkirche­n beobachtet, dass an ihrer Schule genau das passiert: „Bisher hatten wir auch Schüler, die sich zurücklehn­ten und erst gegen Schuljahre­sende oder vor der Wiederholu­ngsprüfung mit dem Lernen begannen. Die Neue Oberstufe zwingt sie dazu, bei der Stange zu bleiben, was den Effekt hat, dass wenigergro­ßeLückenen­tstehen. Von Lehrern und Lernbeglei­tern erhalten sie die notwendige Unterstütz­ung.“

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So war das nicht geplant: Manche Schüler schieben unangenehm­e Prüfungen bis kurz vor der Matura auf. „Hier sind die Lernbeglei­ter gefragt“, sagt Direktor Hiller

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