Was mit Nutzerdaten im Internet passiert
ImNetzwerdenprivate Daten gesammelt und miteinander zu persönlichen Profilen verknüpft.
Die meisten Menschen wissen heutzutage, dass das Durchforsten des Internets keine Privatangelegenheit ist und jeder Besuch, jede Recherche und jeder Kauf eines Produkts auf einer Website von mehr als nur einem Unternehmen mitverfolgt wird. Personalisierte Werbung wird von vielen als „praktisch“gesehen. Wenn einem dann wochenlang nach der Buchung und Absolvierung einer Reise eine Werbung für „Hotels in Thailand“angezeigt wird, ärgern sich viele sogar darüber, dass das Internet so dumm sei und nicht wisse, dass sie bereits längst aus dem Thailand-Urlaub zurück sind.
Dabei kann es sein, dass man aufgrund von Datenspuren, die man beim Kauf hinterlassenhat, vielmehrfürdie Reise bezahlt hat, als der Zimmer-NachbarinThailandund man ohne sein Wissen in die digitale Schublade eines „zahlungskräftigen Konsumenten“gesteckt wurde.
Wenn wir im Netz eine Reise kaufen, rechnen im Hintergrund Algorithmen aus, ob wir PC oder Mac benutzen, aus welchem Land wir kommen und vieles mehr. Diese Vorgänge bezeichnet man als „Tracking“, was so viel wie „Verfolgen“bedeutet. Anhand der Profile können dann Preise unterschiedlich berechnet werden.
Diskriminierung
Was bei Urlaubsreisen, die man ein- bis zweimal im Jahr antritt, vielleicht noch nicht so sehr ins Gewicht fällt, kann in anderen Lebenssituationen plötzlich ganz andere Auswirkungen haben. Etwa dann, wenn man gerade auf Jobsuche ist, und man aufgrund seines Alters oder Geschlechts oder weil man schlichtweg in der falschen Stadt lebt gewisse Anzeigen von Positionen gar nicht erst angezeigt bekommt. „ProPublica“hat rausgefunden, dass der Mobilfunker Verizon Jobanzeigen nur für eine bestimmte Altersgruppe und einen bestimmten Wohnort freigeschalten hatte. Nur Facebook-Nutzer zwischen 25 und 36 Jahren, die sich für Finanzen interessieren und in der Hauptstadt leben, haben das Jobinserat zu Gesicht bekommen.
Noch heikler wird es, wenn man plötzlich keinen Kredit bekommt, weil man im falschen Viertel wohnt, auf Facebook mit den falschen Menschen befreundet ist oder der Antrag abgelehnt wird, weil mitprotokolliert wurde, wie man den OnlineKreditantrag ausgefüllt hat. Das Hamburger Unternehmen Kreditech greift bei der Berechnung der Kreditwürdigkeit etwa auf umfangreiche Daten über Online-Verhalten zurück, wie Netzaktivist und Datenanalyst Wolfie Christl herausgefunden hat.
„Man kann sich das Machtungleichgewicht zwischen datensammelnden Firmen und Einzelpersonen vorstellen wie beim Pokerspiel. Die eine Seite hat die Karten verdeckt,dieanderemussmit offenen Karten spielen. Es wird immer die Seite verlieren, deren Karten aufgedeckt liegen. Wie beim Pokern können Firmen das gesammelte Wissen gegen uns verwenden. Sie können die Handlungen von Internet-Nutzern besser beeinflussen, manipulieren, sie austricksen oder einfach das meiste aus ihnen herausholen“, sagt Christl im Gespräch mit dem KURIER. Das könnte dann etwa dazu führen, dass jemand bestimmte Produkte wie die vorhin angesprochene Urlaubsreise überteuert kauft, aber auch am Ende eine gewisse Partei wählt, die seine Interessen gar nicht vertrete, so Christl.
Viele Verknüpfungen
Derartige Entwicklungen lassen sich unter dem Schlagwort „Überwachungskapitalismus“zusammenfassen. Die größten Datensammler sind dabei die Online-Portale Facebook und Google, die wegen ihrer Praktiken immer wieder in Verruf geraten sind. Aber auch Wirtschaftsauskunfteien wie Experian, Equifax sowie klassische Datenhändler wie Oracle oder Acxiom haben digitale Profile von Milliarden von Internet-Nutzern. Die Daten werden häufig miteinander verknüpft, weil sie von den einzelnen Unternehmen zugekauft und in die eigene Datenbank integriert werden. Am Ende weiß man als Nutzer gar nicht mehr, wer eigentlich was über einen weiß und welche Algorithmen über einen anhand von welcher Daten Entscheidungen für einen treffen. „Wir müssen dieses System des exzessiven Datensammelns über Einzelne durchbrechen“, warnt Christl. OnlineTracking, wie es derzeit gemacht wird, kenne nämlich kaum noch Grenzen. Für Christl handelt es sich dabei auch um ein „politisches Problem“, das klare Regelungen braucht.