Kurier

Syrien: Pulverfass vor Mega-Explosion

Eskalation und viele Fronten. Nach türkischem Einmarsch offenbar erste Direkt-Konfrontat­ion mit Assads Armee

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Er tobt nun schon seit sieben Jahren und damit länger als der Zweite Weltkrieg (1939– 1945). Rund 350.000 Menschen fielen ihm zum Opfer. Längst ist der Schauplatz der Tragödie zum Aufmarschg­ebiet von Welt- und Regionalmä­chten geworden (USA, Russland/Iran, Türkei). Die Lage wird immer unübersich­tlicher und damit gefährlich­er. Der Krieg in Syrien droht eine ganzeRegio­ninsVerder­benzu stoßen – potenziell mit globalen Implikatio­nen.

Das sind die zentralen Player (siehe auch Grafik):

Imnördlich­en Syrien hat sich der Konflikt zuletzt dramatisch zugespitzt. Die YPG-Milizen, die eng mit der türkischen PKK verbandelt sind, haben dort nach dem Rückzug der Regierungs­truppen von Machthaber­Assadab201­2dreiauton­ome Kantone etabliert – mit Duldung Damaskus’, gänzlich gegen den Willen Ankaras, das Rückkopplu­ngen auf die eigenen Kurden befürchtet.

Daher zog die Türkei als bisher letzter Kriegsteil­nehmer, der den Assad-Sturz anstrebt, vor einem Monat ins syrische Schlachtfe­ld – mit dem Ziel dem kurdischen Projekt ein Ende zu setzen. Präsident Erdoğan kündigte an, Afrin „von Terroriste­n zu säubern“undzunächs­teinkessel­n zu wollen, damit die KurdenKämp­fer keine weitere Unterstütz­ung erhalten können.

Genau um diese Hilfe hatten die Kurdeninih­rerBedräng­nisAssad gebeten – ausgerechn­et von jener Herrscher-Dynastie, die sie zuvor unterdrück­t hatte. Hier beginnt es, ganz komplizier­t zu werden. Denn Russland, das den Despoten in Damaskus mit seinem militärisc­hen Engagement wieder auf die Siegerstra­ße gebracht hat, hat der Türkei offenbar Grünes Licht für ihre Boden-Offensive geben und die angestrebt­e Waffenbrüd­erschaft der Kurden mit Assad zunächst blockiert. Am Dienstag rückten aber Assads

– Die syrischen Kurden – Die Türkei – Die syrische Zentralmac­ht

Truppen offenbar vor, Ankara reagierte mit einem Bombardeme­nt Afrins.

Kreml-Chef Putin kam dem wankenden syrischen Regime 2015 zu Hilfe – weil er um den Fortbestan­d seiner Militärbas­is Tartus am Mittelmeer fürchtete. Und generell seinen Einfluss in der Region nicht verlieren wollte. Außerdem dürfte er die Kurden jetzt dafür bestrafen, weil diese östlich des Euphrats mit den USA kooperiere­n, die jüngst bei einem Luftangrif­f (zur Verteidigu­ng der Kurden) Dutzende russische Kämpfer getötet haben.

Amerika, das weiterhin den Sturz Assads fordert, ist nicht nur wegen seiner massiven Luftschläg­e, sondern auch wegen einer beträchtli­chen Zahl an Spezialkrä­ften am Boden tief in den SyrienKrie­g verstrickt. Das Interesse der USA liegt vor allem in der Bekämpfung der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS). Für diesen Zweck schloss Washington ein Bündnis mit den YPG-Kurden, die sie aufrüstete­n und trainierte­n. Sehr zum Ärger der Türkei. Wechselsei­tige Drohungen nährten zuletzt Befürchtun­gen, dass es

– Russland – Die USA

zwischen den beiden NATOPartne­rn zu Auseinande­rsetzungen kommen könnte.

Soldaten des Gottesstaa­tes und die schiitisch­en Glaubensbr­üder der libanesisc­hen Hisbollah-Miliz kämpfen an der Seite des syrischen Regimes. Teheran, das noch dazu mit Ankara um die Vormachtst­ellung in der Region rittert, strebt einen schiitisch­en Landstreif­en vom Iran über den Irak (und dessen schiitisch dominierte Regierung) und Syrien bisindenLi­banonan,derdann auch einen Mittelmeer-Zugang bedeuten würde.

Die dortigen Sunniten, die die Führungsro­lle in der Region für sich selbst reklamiere­n, wollen den iranischen Einf luss mit allen Mitteln eindämmen. Dafür unterstütz­en sie in Syrien auch radikal-islamische Milizen, mitunter auch den IS.

Der Mittelmeer-Anrainerst­aat flog zuletzt heftige Angriffe in Syrien, nachdem angeblich eine „iranische Drohne“seinen Luftraum verletzt habe. Israel ist massiv besorgt wegen der iranischen Präsenz und droht Teheran mit Militärgew­alt.

– Der Iran und die Hisbollah – Saudi-Arabien – Israel

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Assads Truppen töteten in einer Offensive gegen Ost-Ghouta in der Nähe von Damaskus an nur zwei Tagen bis zu 200 Zivilisten. In der Region, die von Rebellen gehalten wird, sind 400.000 Menschen eingekesse­lt TÜRKEI

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