Pierre-Laurent Aimard: Furor gepaart mit Verinnerlichung
Hart, härter, PierreLaurent Aimard könnte man nach seinem Soloabend im Wiener Musikverein ausrufen. Der 60-jährige französische Pianist und Ernst-von-Siemens-Musikpreisträger ist der große Intellektuelle an der Klaviatur.
Mit Nikolaus Harnoncourt hatte er die Klavierkonzerte Beethovens ereignishaft eingespielt. Dessen Opus 106, die „Hammerklavier-Sonate“, geriet in seinen Händen tatsächlich zum urgewaltigen „Titan“. „Extra dry“statt Allegro hätte der erste Satz heißen können. Mit unhaltbarem, ständig steigerndem Furor preschte er durch die vier Sätze. Unfassbar!
Schockierend
In den langsamen Passagen überraschte er mit totaler Verinnerlichung. Sein konsequent harter, kraftvoller Anschlag verwies auf die avantgardistischen Qualitäten dieser Sonate. Das war schockierend, aber fulminant.
Der zweite Teil war der russischen Avantgarde gewidmet. Der Protegé von Olivier Messiaen und Pierre Boulez amalgamierte packend Sergej Prokofjews „Sarcasms“mit „Révélations“von Nikolai Obuchow und Alexander Skrjabins virtuos vorgetragenen Klaviersonaten Nr. 10 und 5.
Atemberaubend
Emotion und Intellekt zeichneten Aimards Vortrag aus. Wie er Obuchows fünf Miniaturen, die er ins Zentrum stellte, meditativ mit dem „Läuten aus dem Jenseits“anhob und im präzisen Staccato konterkarierte, war atemberaubend.
Drei Kleinodien György Kurtágs, die er dem ungarischen Komponisten zu dessen 92. Geburtstag widmete, gerieten zum Höhepunkt in feinsten Pianissimi. Kurzer, intensiver Applaus.
KURIER-Wertung: