Kurier

Distanz statt geplanter Trance-Reise

Kritik. Fever Ray machte im Wiener Gasometer vieles richtig – es fehlte trotzdem an Atmosphäre

- – SCHOKI

„Die Künstlerin bittet, die Handys in der Tasche stecken zu lassen“steht am Eingang in die Konzerthal­le. Die Künstlerin ist Fever Ray – Karin Dreijer aus Schweden, die mit dem Electronic-Duo The Knife bekannt wurde.

Sie ist mit dem zweiten Solo-Album „Plunge“auf Tour. Und der Wunsch, dass das Publikum sich nicht immer wieder ablenkt, ist verständli­ch. Denn schon das Album war eine trancearti­ge Reise in eine andere Welt: Zu perkussive­n Rhythmen, die mit Schlaginst­rumenten und elektronis­chen Sounds zu komplexen Strukturen verwoben sind, gibt es flächige Keyboards und Dreijers typi- schen, kindlich hohen Gesang. Dazu poppige Melodien – oft mit fernöstlic­hen Anklängen. Und immer wieder die Themen gleichgesc­hlechtlich­e Liebe, Sex, persönlich­e Befreiung.

Mit „An Itch“steht all das auch im Gasometer am Beginn. Musikalisc­h tickt und hackt, was zwei Perkussion­istinnen ihren Werkzeugen entlocken, während eine Keyboarder­in zischende Geräusche und einen grummelnde­n Bass darüberleg­t.

Alles, was danach kommt, sind Varianten davon. Allerdings hat das Ensemble (Dreijer wird als Frontfrau von zwei singenden Tänzerinne­n unterstütz­t) viele Modifikati­onen davon zu bieten, was das Konzert durchaus abwechslun­gsreich macht. Einmal ist der avantgardi­stische, an Björk erinnernde Pop mit tänzelnden Latin-Rhythmen durchsetzt, ein anderes Mal ist er hektisch oder dämonisch, dann wieder meditativ, mysteriös oder sakral.

Aufgebaut ist die Show so, dass sie das Publikum langsam, beständig und hypnotisch in eine andere Welt ziehen kann. Nur – im Gasometer tut sie es nicht! Es fehlt an Atmosphäre, es kommt keine Strahlkraf­t von der Bühne.

Ein möglicher Grund dafür: Das Wien-Konzert ist die erste Show der heurigen Fever-Ray-Tour, und die Akteu- re müssen sich noch zu sehr darauf konzentrie­ren, was sie in der theatralis­chen Umsetzung mit Masken und Tänzen machen. So können sie sich nicht intensiv genug darauf einlassen, die zum Teil politisch-kämpferisc­hen Botschafte­n zum Thema QueerKultu­r mit Herz und Seele rüberzubri­ngen.

Selbst bei der Zugabe mit dem bekanntest­en Song „If I Had A Heart“bleibt die Ausstrahlu­ng, die von der Bühne kommt, distanzier­t. Schade. Denn diese Show hat Potenzial – in dessen Genuss aber erst diejenigen kommen, die Fever Ray in drei oder vier Wochen sehen.

KURIER-Wertung:

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